Dieser Inhalt ist relevant für:
AustralienCoronavirus / Branchen / Bau / Bergbau und Rohstoffe, übergreifend / Land- und Forstwirtschaft, übergreifend / Bergbau und Rohstoffe
Wirtschaftsumfeld
Special | Australien | Coronavirus
Der Rohstoffsektor investiert teilweise weniger. Für den Bau- und den Dienstleistungssektor drohen negative Folgen durch die geringere Zuwanderung. (Stand: 18. September 2020)
Von Heiko Stumpf | Sydney
Das Rückgrat der australischen Wirtschaft bilden die großen Exportsektoren Rohstoffe und die Agrarwirtschaft. Die Landwirtschaft leidet nur wenig unter den Folgen der Coronakrise. Dank guter Regenfälle erholt sich der Sektor von einer drei Jahre langen Dürre. Die Produktion dürfte 2020/21 deshalb wieder steigen. Für Weizen wird beispielsweise ein Plus von fast 91 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, auf 28,9 Millionen Tonnen erwartet.
Die australische Agrarproduktion wird zu rund 70 Prozent ins Ausland verkauft, wobei China wertmäßig rund 28 Prozent abkauft. Das Ende der Covid-19 bedingten Restriktionen in China wirkt sich dabei stabilisierend aus.
Die investiven Ausgaben der Rohstoffindustrie entwickeln sich positiv. Das nationale Statistikamt (Australian Bureau of Statistics (ABS)) vermeldet für das Finanzjahr 2019/20 (01. Juli 2019 bis 30. Juni 2020) ein Plus von 5,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dies ist der erste Anstieg seit sechs Jahren. Nach Umfragen von ABS wollen die Rohstoffunternehmen ihre Ausgaben im laufenden Finanzjahr 2020/21 sogar um etwa 9 Prozent erhöhen.
Die Investitionstätigkeit wird vor allem durch den Eisenerz- und Goldbergbau getragen. Beide Sektoren erleben mitten in der Coronakrise einen Boom. Eisenerz ist das wichtigste Exportgut Australiens, wobei rund 80 Prozent der Förderung nach China verschifft wird.
Der Eisenerzexport profitiert von einer starken Nachfrage aus China, wo die Konjunktur wieder anzieht. Gleichzeitig ist die Eisenerzförderung des größten Konkurrenten Brasilien durch die Pandemie gesunken.
Der Weltmarktpreis bewegt sich seit Juni 2020 auf einem hohen Niveau von über 100 US-Dollar (US$) pro Tonne. In der Folge halten die Minenbetreiber an ihren Investitionsplänen fest. Landesweit befinden sich Projekte mit einem Volumen von rund 12 Milliarden US$ im Bau.
Auch der Goldbergbau setzt, gestützt durch hohe Preise, seinen Expansionskurs fort. Landesweit sind 29 Investitionsprojekte mit einem Gesamtwert von rund 4,8 Milliarden US$ geplant. Bereits 2021 dürfte Australien nach Prognosen zum weltweit größten Goldproduzenten aufsteigen (erwartete Fördermenge: 383 Tonnen).
In anderen Bergbausektoren können die Produzenten zwar ihre Fördermengen weitgehend aufrechterhalten, leiden jedoch unter gesunkenen Weltmarktpreisen beispielsweise für Kohle, Zink oder Lithium.
So dürften die Kohleexporte 2020 im Vergleich zum Vorjahr einen leichten Rückgang von rund 2,5 Prozent auf 386 Millionen Tonnen verzeichnen. Der Weltmarktpreis für Kokskohle ist stark gefallen, sodass für die Exporterlöse ein zweistelliges Minus erwartet wird.
Zu Projektverzögerungen kommt es bei der Förderung von Erdgas. So setzt allein das Unternehmen Woodside Vorhaben mit einem Volumen von rund 30 Milliarden US$ aus. Die Investitionsentscheidung für die Erschließung des Scarborough-Projektes verschiebt sich von Mitte 2020 auf 2021. Für das neue Gasfeld vor der Küste von Western Australia (WA) sind Kosten von 11 Milliarden US$ geplant. Ebenfalls vertagt ist die ursprünglich für 2021 anvisierte Entscheidung über das 21 Milliarden US$ teure Browse-Gasfeld (WA). Nach Angaben von Woodside soll erst 2023 über das Vorhaben befunden werden.
Der Gaskonzern Santos verzichtet vorerst auf die Umsetzung des Barossa-Projekts im Northern Territory (NT). Das neue Offshoregasfeld würde rund 4,3 Milliarden US$ kosten.
Der von Premierminister Scott Morrison im September 2020 angekündigte National Gas Infrastructure Plan soll einen Investitionsschub für die Erschließung inländischer Gasquellen auslösen. Seitens der Regierung wird dabei auch die Option genannt, einzelne Projekte wie Pipelines durch staatliche Garantien oder im Rahmen von Zweckgesellschaften zu fördern.
Zur Ankurbelung der Explorationstätigkeit soll für fünf Gasfelder ein Strategic Basin Plan entwickelt werden. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Beetaloo Basin (NT). Dort werden Schiefergasvorkommen von bis zu 500 Billionen Kubikfuß vermutet.
Das Ausfuhrvolumen von Erdflüssiggas (Liquified Natural Gas, LNG) dürfte die kommenden Jahre konstant bleiben, sodass Australien den Rang des weltweit größten Exporteurs vor Qatar behaupten kann. Aufgrund niedriger Weltmarktpreise wird für die Exporterlöse 2020/21 jedoch ein Einbruch um etwa 26 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum erwartet.
Unsicherheiten ergeben sich aus dem prognostizierten Rückgang des Bevölkerungswachstums. Dieses war mit zuletzt 1,6 Prozent pro Jahr ein Haupttreiber für die Wirtschaft. Im Finanzjahr 2018/19 stieg die Bevölkerung um 380.000 Menschen an, wobei rund Zweidrittel auf qualifizierte Zuwanderung zurückging.
Von dem Wachstum der Bevölkerung profitiert insbesondere die Bauwirtschaft durch steigenden Bedarf an Wohnraum. In den Metropolen Sydney, Melbourne, Brisbane und Perth werden zudem große Infrastrukturprogramme realisiert. Auch im Dienstleistungssektor (Einzelhandel, Telekommunikation etc.) sorgt die wachsende Einwohnerzahl für steigende Nachfrage.
Infolge der Coronakrise wird die Zuwanderung aus dem Ausland aufgrund geschlossener Grenzen jedoch deutlich geringer ausfallen. Für 2020/21 rechnet die Regierung nur mit einer Nettoeinwanderung von etwa 36.000 Personen, ein Rückgang um 85 Prozent gegenüber der Zahl vor der Pandemie.
Viele Ausländer mit zeitlich befristeter Aufenthaltserlaubnis verlassen das Land, darunter viele ausländische Studenten. Im Falles eines Jobverlustes haben sie keinen Zugang zu staatlichen Sozialleistungen wie der JobSeeker Allowance.
Volkswirte befürchten deshalb negative Folgen, insbesondere für die Konsumausgaben und den Immobilienmarkt. Für die Häuserpreise wird für 2020 ein Einbruch von 10 bis 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr prognostiziert.
Dieses Fragment können Sie in folgenden Kontexten finden: