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Special Australien Wege aus der Coronakrise
Wege aus der CoronakriseDie australische Regierung versucht, die wirtschaftliche Erholung mit diversen Maßnahmen anzukurbeln. Finanzielle Zuschüsse gibt es für die Industrie. (Stand: 19. März 2021)
Von Heiko Stumpf | Sydney
Als Reaktion auf Coronakrise hat die Regierung in Canberra nach eigenen Angaben Hilfsmaßnahmen von umgerechnet etwa 207 Milliarden US-Dollar (US$) auf den Weg gebracht (299 Milliarden Australische Dollar ($A); 1$A=0,6906 US$). Dies entspricht rund 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Mit dem Staatshaushalt für 2020/21 (Juli bis Juni) wurde ein weiteres Hilfspaket mit einem Volumen von 17 Milliarden US$ (25 Milliarden $A) geschnürt.
Im Oktober 2020 wurde der mit 51 Milliarden US$ dotierte JobMaker Plan vorgestellt. Zur Ankurbelung des privaten Konsums wurde eine für 2022 geplante Senkung der Einkommenssteuer rückwirkend auf den 01. Juli 2020 vorgezogen. Durch eine Anpassung des Tarifverlaufes werden Arbeitnehmer in den kommenden zwei Jahren um insgesamt rund 12 Milliarden US$ entlastet.
Steuerliche Anreize werden auch für Unternehmen geschaffen. Zentrales Instrument ist dabei eine bis Juni 2022 befristete Sofortabschreibung für bewegliche Anlagegüter, welche zu Investitionen animieren soll.
Zudem bemüht sich die Regierung um eine Wiederbelebung des verarbeitenden Gewerbes. Dazu werden im Rahmen der Modern Manufacturing Strategy (MMS) Fördergelder bereitgestellt.
Über den Manufacturing Modernisation Fund werden dabei Zuschüsse für die Modernisierung von Produktionsanlagen gewährt. Der maximale Förderbetrag beläuft sich auf eine 1 Million $A, wobei berechtigte Unternehmen mindestens den dreifachen Betrag der Fördersumme selbst aufbringen müssen.
Das zweite Instrument der MMS ist die insgesamt 900 Millionen US$ dotierte Modern Manufacturing Initiative. Diese stellt die Kommerzialisierung und den Markthochlauf von Innovationen in den Mittelpunkt. Die sechs Zielsektoren sind Rohstoffverarbeitung, Nahrungsmittel, medizinische Produkte, Recycling und saubere Energieerzeugung, Verteidigung sowie Weltraumtechnik.
Für jeden der insgesamt sechs Zielsektoren wird dabei eine eigene Roadmap erarbeitet, welche die jeweiligen Förderziele definiert. In allen Sektoren können Unternehmen staatliche Zuschüsse von 50 Prozent der Kosten eines Investitionsprojektes erhalten. Der maximale Zuschussbetrag beläuft sich dabei auf 20 Millionen $A.
Maßnahme | Anmerkung |
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Sofortabschreibung | Neue bewegliche Anlagegüter können im Jahr der ersten Nutzung vollständig abgeschrieben werden (bis Juni 2022). Keine Begrenzung des maximalen Investitionsbetrages. Berechtigt sind Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 5 Milliarden $A. Kleinunternehmen können die Regelung auch für gebrauchte Güter nutzen. |
Zeitlich begrenzter Verlustrücktrag | Unternehmen können in den Finanzjahren 2019/20, 2020/21 und 2021/22 angefallene Verluste mit Gewinnen verrechnen, die im Finanzjahr 2018/19 oder früher entstanden sind. Berechtigt sind Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 5 Milliarden $A. |
JobMaker Hiring Credit | Arbeitgeber erhalten Lohnzuschüsse für die Einstellung junger Arbeitssuchender: - 200 $A pro Woche für 16- bis 29-Jährige - 100 $A pro Woche für 30- bis 25-Jährige |
Lohnzuschüsse für Auszubildende | Unternehmen erhalten Lohnzuschüsse von 50 Prozent für beschäftigte Auszubildende (maximal $A 7.000 pro Quartal). Befristet bis 30.09.2021. |
HomeBuilder | Zuschüsse (maximal $A 25.000) für Modernisierungsarbeiten durch Hausbesitzer sowie zum Bau eines Eigenheims. |
Zudem verkündete die Regierung im März 2021 ein mit rund 830 Millionen US$ ausgestattetes Unterstützungsprogramm für Fluggesellschaften und Tourismusbetriebe. Diese sind aufgrund der geschlossenen Grenze und dem Fernbleiben internationaler Besucher noch sehr stark von negativen Auswirkungen betroffen. Die Maßnahmen beinhalten Lohnzuschüsse für Flugpersonal. Zudem subventioniert die Regierung rund 800.000 Flugtickets in Urlaubshochburgen wie Cairns, Gold Coast oder Kangaroo Island, so dass diese zur Hälfte des regulären Preises angeboten werden können.
Auch die Australian Reserve Bank (RBA) unterstützt den Kampf gegen die Folgen von COVID-19. Sie senkte den Leitzins auf den historischen Tiefstand von 0,1 Prozent. Zudem wurde ein Kreditprogramm mit einem Volumen von 139 Millarden US$ (200 Milliarden $A) für die Geschäftsbanken geschnürt (zum Zins von 0,25 Prozent über drei Jahre). Erstmals in ihrer Geschichte startete die RBA mit Ankäufen von Staatsanleihen.
Am 22. Februar 2021 startete eine Impfkampagne. Alle in Australien lebenden Personen sollen bis Ende Oktober 2021 auf freiwilliger und kostenloser Basis ein Impfangebot erhalten. Für die Impfreihenfolge wurde ein fünfstufiger Impfplan entwickelt, welcher bestimmte Personengruppen priorisiert. Die bereits laufende Phase 1a richtet sich vor allem an Personal von Gesundheits- und Quarantäneeinrichtungen sowie Bewohner von Pflegeheimen. Am 22. März 2021 beginnt die Phase 1b, welche Menschen über 70 Jahre und Personen mit Vorerkrankungen miteinbezieht. Bislang wurden in Australien die Vakzine von Pfizer/BioNTech und AstraZeneca zugelassen. Von Pfizer/BioNTech wurden insgesamt 10 Millionen Dosen eingekauft. Von AstraZeneca erhält Australien 53,8 Millionen Dosen, die weitgehend lokal in Melbourne produziert werden. Wichtig: Personen mit temporärer Aufenthaltserlaubnis, die nicht Teil des Medicare-Systems sind, müssen zuerst einen Individual Health Identifier (IHI) beantragen, bevor eine Impfung erfolgen kann. |
Die Regierung in Canberra erhöht die Ausgaben für den Infrastrukturausbau in den kommenden vier Jahren um umgerechnet 9,7 Milliarden US$. Davon sind rund 7,3 Milliarden US$ für Verkehrsprojekte und 1,4 Milliarden US$ für die Wasserinfrastruktur vorgesehen.
Für 15 weitere Großvorhaben mit einem Gesamtvolumen von 50 Milliarden US$ wird jeweils eine eigene Taskforce eingerichtet, die die Umsetzung der Projekte teils um Jahre beschleunigen soll. Dazu zählen die Inland Rail oder das Marinus Link-Stromkabel nach Tasmanien. Eine zusätzliche Maßnahme ist der Ausbau des National Broadband Network. Bis 2023 werden knapp 3,1 Milliarden US$ in das staatliche Breitbandnetz gesteckt, damit 2 Millionen Haushalte einen schnelleren Internetzugang erhalten.
Weitere Ausbauprogramme gibt es auf der Ebene einzelner Bundesstaaten. New South Wales wird bis 2023/24 rund 74 Milliarden US$ ausgeben. Davon fließen 50 Milliarden US$ in den Verkehrssektor und 7 Milliarden US$ in Gesundheitseinrichtungen. In Victoria werden im gleichen Zeitraum rund 55 Milliarden bereitgestellt. Auch hier stehen große Verkehrsprojekte wie der Suburban Rail Loop im Mittelpunkt.
Da sich die Wirtschaft auf einem soliden Erholungspfad befindet, können die Rettungsmaßnahmen für Unternehmen schrittweise zurückgefahren werden. So enden die umfangreichen Lohnsubventionen im Rahmen der JobKeeper Allowance zum 28.03.2021. Unternehmen mit einem Umsatzeinbruch von mindestens 30 Prozent konnten darüber pauschale Zuschüsse für ihre Belegschaft in Anspruch nehmen.
Zeitraum | Betrag (in $A) |
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bis 27.09.2020 | 1.500 pro Arbeitnehmer |
28.09.2020 bis 3.01.2021 | 1.200 für Vollzeitkräfte 750 für Teilzeitkräfte |
4.01.2021 bis 28.03.2021 | 1.000 für Vollzeitkräfte 650 für Teilzeitkräfte |
Weiter verfügbar sind umfangreiche Liquiditätshilfen für Unternehmen.
Maßnahme | Anmerkung |
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Finanzielle Zuschüsse in Form von Steuerrückzahlungen | Firmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 50 Mio. $A erhalten die für ihre Beschäftigten abgeführte Lohnsteuer als Zuschuss zurückerstattet (letztmalig im 3. Quartal 2020, insgesamt maximal 100.000 $A). Durch die Bindung an die Löhne sollen Anreize für den Erhalt von Arbeitsplätzen geschaffen werden. |
Kreditgarantien | Staatsgarantie in Höhe von 50 Prozent an KMU (Jahresumsatz bis 50 Mio. $A) vergebene Darlehen. Maximale Darlehenshöhe: bis zu 1 Mio. $A. |
Mieterleichterung | Verbindlicher Code of Conduct ermöglicht Firmen (Jahresumsatz bis 50 Mio. $A) bei Umsatzrückgang eine Mietminderung oder Stundung zu verlangen. Wird rechtlich durch die Bundesstaaten implementiert. |
Durch die Covid-19-Pandemie kommt es zu einer Neugewichtung der finanzpolitischen Prioritäten. Vor der Coronakrise hatte ein Budgetüberschuss zu den Kernzielen der Regierung gezählt. Durch die umfangreichen Hilfsmaßnahmen schreibt der Staatshaushalt nun jedoch tiefrote Zahlen. Für das Haushaltsjahr 2020/21 wird ein Defizit von 9,9 Prozent des BIP erwartet, das größte Haushaltsloch seit dem Zweiten Weltkrieg.
Nach Aussage von Schatzminister Josh Frydenberg wird die Haushaltskonsolidierung erst wieder auf die politische Agenda rücken, wenn die Arbeitslosenrate spürbar unter die Marke von 6 Prozent fällt. Bis dahin soll die Belebung des Investitionsklimas und des Verbrauchervertrauens im Mittelpunkt stehen.
Vor Ausbruch der Coronakrise hatte die Nettostaatsverschuldung Australiens bei knapp 20 Prozent des BIP gelegen, ein im internationalen Vergleich sehr niedriger Wert. Bis 2024 wird ein Anstieg der Staatsverschuldung auf 43 Prozent erwartet.
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