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Der Gütertransport verläuft uneingeschränkt, allerdings zu erhöhten Kosten. Der Onlinehandel treibt die Entwicklung der Logistik voran. (Stand: 28. Januar 2021)
28.01.2021
Von Gloria Rose | São Paulo
Die schnelle Wiederbelebung der Nachfrage im zweiten Halbjahr 2020 trieb die Kosten für Schiffsfracht in die Höhe. Um die Lieferengpässe aus China in den Griff zu bekommen, setzten die Reedereien im vierten Quartal 14 "extra loader", also extra bestellte Schiffe, ein. Dennoch stiegen die Frachttarife weiter an. Zum Jahresbeginn überschritt der Tarif für Standardcontainer von China nach Brasilien die Rekordmarke von 10.000 US-Dollar, vor der Coronakrise lag er bei etwa 2.000 US$. Die Kostensteigerungen treffen nicht nur kurzfristige Lieferungen, sondern auch Großunternehmen mit Jahresverträgen. Spezialisten der internationalen Logistik erwarten eine allmähliche Normalisierung, allerdings auf einem deutlich höheren Preisniveau als vor der Coronakrise.
In der Luftfracht stabilisierten sich die Kosten, da die Fluggesellschaften auf den Frachtverkehr auswichen. Insbesondere Azul stellte auf Luftfracht um und konnte den Marktanteil auf 41 Prozent steigern. Der inländische Passagierflugverkehr erholt sich überraschend schnell, dürfte aber erst 2022 wieder das Vorkrisenniveau erreichen.
Mehr Informationen zur aktuellen Lage des brasilianischen Außenhandels bietet der GTAI-Bericht über Lieferketten.
Die Abwicklung des Frachttransportes über Flughäfen, Häfen und Schienen verläuft ohne staatliche Einschränkungen. Auch der Import und Export über die Landesgrenzen verläuft ohne Zwischenfälle.
Die Covid-19-Pandemie traf die Transport- und Logistikunternehmen zunächst hart. Durch den Boom im E-Commerce sowie die positive Entwicklung für das Agrobusiness, den Bergbau und die Bauwirtschaft erholte sich das Frachtvolumen jedoch deutlich schneller als erwartet. Einzelne Logistikdienstleister erzielten außergewöhnlich hohe Wachstumsraten. Der Branchenverband ABOL erwartete für 2021 erneut Wachstum.
Dahingegen wächst bei den vielen autonomen Lkw-Fahrer Unzufriedenheit. Vor dem Hintergrund höherer Dieselpreise drohen die Fahrer mit Streik und bewegten die Regierung bereits zu kleinen Zugeständnissen. Auf den Straßengüterverkehr entfallen in Brasilien etwa zwei Drittel des Frachtvolumens. Im Mai 2018 bewirkte ein 10-tägiger Lkw-Fahrer-Streik einen Einbruch der Industrieproduktion.
Durch den Einbruch der Umsätze wiegt der Anteil der Fixkosten umso schwerer. Je nach Branche können die Unternehmen ihre Transportkosten unterschiedlich flexibel anpassen. Eine Studie der Business School Fundação Dom Cabral (FDC) berechnete, dass die Logistik im vergangenen Jahr voraussichtlich 17,6 Prozent des Umsatzes der brasilianischen Industrie ausmachte. Besonders schwer wiegen die Kosten für Transport, Verteilung und Lagerung.
Branche | Logistikkostenanteil 2018 | Logistikkostenanteil 2020 *) |
---|---|---|
Bauwirtschaft | 18,0 | 23,4 |
Agribusiness | 20,7 | 19,5 |
Nahrungsmittel und Getränke | 9,9 | 15,6 |
Chemie und Petrochemie | 7,0 | 11,3 |
Elektroindustrie | 6,1 | 9,7 |
Kfz | 5,1 | 9,4 |
Maschinenbau | 5,0 | 9,2 |
Pharmaindustrie | 4,7 | 4,8 |
Industrie insgesamt | 12,4 | 17,6 |
In kürzester Zeit stellten große Handelsketten, Supermärkte, Apotheken und Restaurants auf Onlinebestellungen und Lieferservices um. Der Vertrieb über das Internet wuchs 2020 um 41,2 Prozent. Investitionen in Umschlagzentren, Abholstationen und Technologien wie virtuelle Frachtbörsen und Lieferapps liegen im Trend und wurden durch den Poststreik im August zusätzlich verstärkt. Große Onlinehändler wie Mercado Livre, Magazine Luiza, B2W und Via Varejo bauen vertikale Vertriebsstrukturen aus und bieten neue Geschäftsmodelle an.
Die rasante Umstrukturierung des Logistiksektors wird den E-Commerce in Brasilien nachhaltig stimulieren, insbesondere wenn der brasilianische Postdienst "Correios" 2021 tatsächlich privatisiert werden sollte. Das Aufkommen der „Rundum-sorglos-Logistik“ in Brasilien kann auch deutschen Unternehmen zukünftig den Vertrieb erleichtern.
Die argentinische Regierung beteiligt sich nicht mehr an Verhandlungen über neue Freihandelsabkommen des Mercosur. Auch wenn laufende Verhandlungen wie mit der EU davon ausgenommen sind, stellt das die Zukunft der Zollunion in Frage. Uruguay schlug auf dem Mercosur-Gipfel am 16. Dezember offiziell eine flexiblere Struktur vor, die den vier aktiven Mitgliedsländern eine unterschiedlich schnelle Marktöffnung und Umsetzung von Handelsabkommen ermöglichen soll.
Zurzeit führt der Mercosur Verhandlungen mit Kanada, Japan, Libanon, Tunesien und Marokko. Besonders weit seien die Verhandlungen von Abkommen mit Singapur und Südkorea. Im Dezember 2020 stimmte Brasiliens Außenhandelskammer Camex für die Aufnahme von Verhandlungen mit Indonesien und Vietnam.
Als Reaktion auf die Coronakrise drohen sich protektionistische Tendenzen in vielen Ländern zu verschärfen. Brasilien setzt vorerst weiter auf Marktöffnung und eine stärkere Einbindung in den Welthandel. Das Land strebt auch um den Beitritt zur Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) an.
Allerdings kommt das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und Mercosur vorerst nicht voran. Auch weitere Erleichterungen im Handel mit den USA und Mexiko sind ungewiss. Die Beziehungen zur neuen US-Regierung unter Joe Biden können durch Konflikte bezüglich der Waldrodungen im Amazonas belastet werden.
Der Export einiger medizinischer Produkte, insbesondere persönliche Schutzausrüstung aber auch von Krankenhausbetten und Beatmungsgeräten, ist bis Ende des Gesundheitsnotstands verboten.
Brasiliens Regierung hat die Importzölle für über 500 medizinische Produkte, die zur Bekämpfung von Covid-19 benötigt werden, aufgehoben. Zuvor wurden auf diese Produkte Zölle von bis zu 35 Prozent erhoben.
Welche Änderungen Sie beim Warenimport und -export beachten sollten, lesen Sie in unseren Berichten zu "Brasilien: Warenverkehr und Corona".
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