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ChinaWirtschafts-, Außenwirtschaftsförderung / Coronavirus
Wirtschaftsumfeld
Special China Wirtschafts-, Außenwirtschaftsförderung
Welche Maßnahmen ergreift die weltweit größte Exportnation, um ihre Exportwirtschaft angesichts Corona-bedingter Einbrüche wiederzubeleben?
02.09.2020
Von Corinne Abele, Stefanie Schmitt | Shanghai, Beijing
Die Exporte Chinas beliefen sich im Jahr 2019 auf 2.499 Milliarden US-Dollar (US$). Davon gingen Waren im Wert von 500 Milliarden US$ nach Europa und 1.999 Milliarden US$ in den Rest der Welt.
Die Volksrepublik ist der weltweit größte Exporteur. Die Coronakrise ließ die Exporte im 1. Halbjahr 2020 um 6,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert einbrechen.
Beispielhaft sind im Folgenden Maßnahmen und Instrumente der Außenwirtschaftsförderung aufgeführt, die China aktuell einsetzt, um seine Exportwirtschaft wieder anzukurbeln.
Exportversicherungen und Kreditgarantien | Erhöhung der Auszahlungen von Exportversicherungen seit 20.02.2020 durch Handelsministerium und China Export & Credit Insurance Corporation (Sinosure): In den ersten fünf Monaten 2020 zahlte Sinosure an mehr als 89.000 Kunden von Klein- und Mikrounternehmen mit mehr als 40 Millionen US$ rund 23 Prozent mehr Entschädigungen aus als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Außerdem wurden 36 Prozent mehr kurzfristige Exportkredite und Exportversicherungen im Wert von knapp 564 Millionen US$ gewährt. |
Bürgschaften | Corona-Bürgschaften wurden laut dem China Council for the Promotion of International Trade (CCPIT) nicht übernommen und sind nicht geplant. |
Es gibt eine Vielzahl von Finanzierungsmaßnahmen, die allerdings in erster Linie darauf abzielen, die lokale Wirtschaft am Laufen zu halten – was letztlich auch exportierenden Firmen hilft. Hierzu gehören beispielsweise die "Nutzung von Sondermitteln der Zentralregierung für den In- und Außenhandel, zur Stabilisierung des Außenhandels sowie der ausländischen Investitionen und zur Förderung des Konsums" (Bekanntmachung des Finanzministeriums vom 23.03.2020) oder die "Bekanntmachung staatlicher Finanzierungsgarantien zur Unterstützung der Wiederaufnahme der Arbeit und der Produktion von Klein- und Mikrounternehmen in vollem Umfang" (Finanzministerium vom 03.04.2020). | |
Kapitalbeteiligungen | Viele der im Ausland tätigen, speziell auch der investierenden Unternehmen sind ohnehin staatlich. Eine weitere Kapitalbeteiligung des Staates ist daher nicht erforderlich. |
Kreditbereitstellung/Finanzierung | Im 1. Halbjahr 2020 stellte die Export-Import Bank of China Kredite für AWF (Außenhandel und FDI) in Höhe von insgesamt 127,7 Milliarden US$ bereit (+50,6 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode). Kreditvergaben erfolgten insbesondere zur Einhaltung von Lieferterminen, beispielsweise wenn ein Unternehmen aufgrund von Finanzengpässen notwendige Komponenten nicht zukaufen konnte. Beispiel Shenzhen: Die Exim-Bank-Filiale in Shenzhen etablierte bereits zu Beginn des Corona-Ausbruchs einen Fonds zur Außenwirtschaftsförderung (Import und Export) in Höhe von 4,2 Milliarden US$ und organisierte aktiv Matchmakings für 84 Unternehmen vor Ort (Top-100 Im- und Exportunternehmen sowie branchenführende Firmen). |
Sonstige | Mitteilung zur Erhöhung der Rückerstattungsquote von Mehrwert- und Verbrauchssteuer auf 1.464 Waren seit 20.03.2020, herausgegeben unter anderem vom Finanzministerium. Rückerstattungen für 1.084 Waren wurden von 9 auf 13 Prozent und für 380 Waren von 5 auf 9 Prozent (etwa organische Chemikalien und Bulk Pharmaceuticals) angehoben. Eine Liste der Produkte mit HS-Positionen ist bei der State Taxation Administration verfügbar. Darüber hinaus befreite das Finanzministerium Unternehmen von fälligen Zinszahlungen aus Steuerstundungen auf für den Export vorgesehene Waren, die aber letztlich im Inland verkauft wurden. |
Preisnachlässe oder sonstige finanzielle Erleichterungen bei Leistungen der Außenwirtschaftsförderung (AWF) | 1. Unterstützung der Verhandlungen von Export-KMUs mit in- und ausländischen Messeveranstaltern über mögliche Kostenrückerstattung bei Ausfall der Messetermine. Die Möglichkeit für Subventionsmittel bzw. anteilige Kostenübernahme für nicht erstattungsfähige Beträge wird von den einzelnen Gebietskörperschaften unterschiedlich gehandhabt (Beispiel Stadt Wuxi in Jiangsu: maximal 50 Prozent der tatsächlich ausgezahlten Beträge). 2. CCPIT und örtliche Handelskammern sollen Force Majeure-Bescheinigungen für Handelsunternehmen kostenfrei ausstellen. 3. Zeitlich befristete Aussetzung der Hafenausbau-Gebühren (März bis Dezember 2020; 4 Renminbi Yuan (RMB) pro Tonne Exportwaren; 32 RMB pro Container mit 20 ft; 48 RMB pro Container mit 40 ft). 4. Zeitlich befristete Senkung von staatlich festgesetzten Verwaltungsgebühren und sonstigen Dienstleistungsgebühren am Hafen um 20 Prozent (März bis Dezember 2020). Weiterführende Informationen finden sich in der Veröffentlichung des Ministeriums für Industrie und Informationstechnik (MIIT) vom 08.04.2020. |
Corona-spezifische Informationsangebote | 1. MIIT: Zusammenfassung und Gegenüberstellung von Produktstandards für den Export von Schutzausrüstungen in ausgewählte Zielländer (EU, USA, etc.) 2. Fünftägiges kostenloses Webinar (18.03.-22.03.2020), organisiert durch das China Centre for Promotion of SME Development, jeweils eine Stunde abends, mit Informationen und Erläuterungen zu staatlichen Fördermaßnahmen für KMUs in der Coronakrise (auch AWF) 3. Beispiele zu produktspezifischen Serien-Webinaren rund um Exportwissen für KMUs, organisiert durch CCPIT:
4. Fortlaufende Zusammenfassung und Aktualisierung von Corona-Maßnahmen anderer Länder und Regionen (Anpassung von Zöllen, Einreisebestimmungen, etc.) 5. Sonderwebseite für KMUs des China Council for the Promotion of International Trade mit ausführlichen Informationen sowie einer Online-Abwicklungsplattform zu folgenden Themen: Produktzertifizierung, Beglaubigungsdokumente, Rechtsfragen (Klageverfahren, grenzüberschreitende Zahlungsanforderung von Rückständen), Außenhandelsabwicklung, IP-Angelegenheiten, etc. |
Corona-spezifische Beratungsangebote | Online-Sendung der China Association of Small and Medium Enterprises (CASME) am 17.03.2020 über die strategische Neuausrichtung von KMUs in China während und nach der Coronakrise. Auf dem Betriebsgelände von Gree waren Unternehmensvertreter (auch Großbetriebe) zum Meinungs- und Erfahrungsaustausch eingeladen. |
Corona-spezifische Markterschließungsangebote | Im Folgenden werden einige Maßnahmen beispielhaft angeführt, da viele Markterschließungsangebote nicht national, sondern regional vor allem von den regionalen Institutionen des CCPIT veranstaltet werden: 1. Jinan ermutigt Firmen, den internationalen Markt über Plattformen von Drittanbietern zu bearbeiten. Die Servicekosten für die Suche nach Kunden über Made-in-China oder Bossgoo und interessanterweise auch über Google werden unterstützt. Derzeit verfügt die Stadt über mehr als 1.500 Außenhandelsunternehmen, die den internationalen Markt über Drittanbieter-Plattformen erkunden. 2. Generell wird Exportförderthemen in den jeweiligen Online-Veranstaltungen der regionalen CCPIT-Institutionen größerer Raum gegeben als vor Covid-19. 3. In Shanghai wurden Maßnahmen veröffentlicht, um Firmen bei der Erschließung internationaler Märkte zu unterstützen. Unternehmen werden dabei gefördert, grenzüberschreitende E-Commerce-Plattformen aktiv zu nutzen, um die internationale Marktentwicklung zu intensivieren und die globale Beschaffung auszuweiten. 4. Wuxi unterstützt Firmen, die zuvor keinen Geschäftsbereich im internationalen E-Commerce hatten, indem es maximal 20% der tatsächlichen Investitionen bezuschusst (Bureau of Commerce of Wuxi). |
Unterstützung bei Beschaffungs- bzw. Lieferkettenfragen | Bekanntmachung der People's Bank of China (PBoC) vom 15.04.2020 über die angestrebte Verbesserung bzw. Innovation von Lieferketten |
E-Commerce-Schulungen | CCPIT organisierte am 13.03.2020 eine Online-Schulung für Außenhandelsunternehmen zu grenzüberschreitendem E-Commerce, zur Nutzung ausländischen Mainstream-Medienmarketings, etc. |
Unterstützung beim Marketing, zusätzliche Kommunikations- und Medienkampagnen, etc. | Regionale Institutionen des CCPIT organisieren verstärkt Online-Plattformen für Match-Makings mit internationalen Partnern. Außerdem können Unternehmen auf der Plattform Virtual Booths einrichten, beispielsweise Huzhou. Die 127. Kanton-Messe im Juni 2020 fand komplett online statt. Über 26.000 Unternehmen publizierten ihre neuen Produkte und Marken online. In diesem Jahr wurde die 30th East China Fair online veranstaltet. Mehr als 3.500 Aussteller mit über 70.000 Exponaten und 20.000 Online-Käufer nahmen an dieser fünftägigen Messe teil. |
Werden bestimmte Branchen/ Industriebereiche/ Technologien besonders gefördert? | Explizit erfolgt keine Exportförderung nach bestimmten Branchen. Allerdings bestehen gewisse Vorteile für Güter, die von der Rückerstattung der Mehrwertsteuer besonders profitieren. Auch die Gesundheitswirtschaft konnte ihre Exporte an Hilfsgütern (Mundschutz, Beatmungsgeräte, etc.) stark steigern. Allgemein profitiert der Export von allen Maßnahmen, mit denen Firmen im Inland in der Krise gestützt werden. Dazu zählen Mietreduktionen, die Reduktion der Sozialabgaben und billigere Kredite. Zwar sind diese Maßnahmen in erster Linie dafür gedacht, Unternehmen im Inland und deren Arbeitsplätze zu erhalten. Firmen in Shanghai berichteten, dass Steuernachlässe im Rahmen der Förderung als High-Tech-Unternehmen oder Zuschüsse für Forschungs- und Innovationsausgaben sehr zügig anerkannt und gewährt wurden. Im Umkehrschluss könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass China derzeit versucht, innovative Technologiefirmen zu unterstützen. Einige Kreise in Zhejiang (wie Jiashan) unterstützen ihre Unternehmen darin, die notwendigen internationalen Zertifikate für den Export medizinischer Güter im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie zu erhalten, beispielsweise die CE-Zertifizierung. |
Welche Regionen/Länder rücken als Abnehmerländer in den Fokus? | China stützt sich angesichts der weltweit einbrechenden Nachfrage nach Gütern (von Ausnahmen abgesehen) vor allem auf den Binnenmarkt. Mit anderen Worten: Als Abnehmerland rückt zunächst die Volksrepublik selbst in den Fokus. Die Politik versucht, den eigenen Binnenkonsum über verschiedene Maßnahmen anzukurbeln. Dessen ungeachtet konnten laut China Customs im 1. Halbjahr 2020 einige Veränderungen im Export beobachtet werden, darunter Schweiz: +20,7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, Österreich: +12,5 Prozent, Ungarn: +14,3 Prozent, Serbien: +69,6 Prozent, Venezuela: +41,5 Prozent, Irak: +11,5 Prozent, Israel: +8,4 Prozent, Saudi Arabien: +11,9 Prozent, Türkei: +11,4 Prozent, Thailand: 8,9 Prozent, Vietnam: 6,5 Prozent. Zum Vergleich entwickelten sich die Exporte nach Japan: -3,1 Prozent, Südkorea: -5,3 Prozent, Südafrika: -20,0 Prozent, Vereinigtes Königreich: -7,2 Prozent, Deutschland: +0,4 Prozent, Frankreich: +3,2 Prozent, Brasilien: -9,1 Prozent, Kanada: -5,5 Prozent, USA: -11,1 Prozent, Australien: +3,4 Prozent. Mittel- und langfristig dürfte es, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Handelskonfliktes mit den USA, eine weitere Verlagerung in Richtung ASEAN und Europa geben. |
Welche Regionen/Länder rücken als Produktionsstandorte und Beschaffungsquellen in den Fokus? | Grundsätzlich liegt ein Schwerpunkt der chinesischen Anti-Corona-Wirtschaftsmaßnahmen im Erhalt von Arbeitsplätzen im Inland. Neue Produktionsstandorte außerhalb der Volksrepublik spielen hierfür keine Rolle. Nicht erst seit Corona, sondern mit Beginn des chinesisch-amerikanischen Handelskonfliktes werden für Firmen in China Produktionsstandorte außerhalb des Landes interessant. Die Textil-/Bekleidungsindustrie orientiert sich in Richtung Süd- und Südostasien, neuerdings auch in Richtung Afrika, um US-Sanktionen gegen Güter Made in China zu umgehen. Allerdings gibt es keine Außenwirtschaftsförderung, die spezifisch diesem Zweck dient. Im Bereich Beschaffung zielt die Politik schon seit Jahren darauf ab, sich wo immer möglich nicht nur von einem Lieferanten oder einem Land abhängig zu machen. Dies betrifft speziell den Rohstoffsektor, aber auch andere Güter. Wo technische Abhängigkeiten bestanden, hat die Volksrepublik in der Vergangenheit stets mit Nachdruck den Aufbau eigener Kapazitäten betrieben. Mit anderen Worten: Ein Überdenken der Lieferketten allein aufgrund der Coronakrise ist nicht notwendig. Nichtsdestotrotz dürfte es eine weitere Verschiebung des Schwerpunktes in Richtung der ASEAN-Staaten und Europa geben. |