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Special Dänemark Brexit

Britischer Markt für Dänemark nach Brexit kaum zu ersetzen

Der dänisch-britische Handel schwächelt nicht erst seit dem Brexit. Allerdings sehen zwei Drittel der dänischen Exporteure kaum Chancen, ihre Verluste woanders wettzumachen.

Von Michał Woźniak | Stockholm

Für Dänemarks exportorientierte Unternehmen hat der Brexit erhebliche Folgen: Laut einer Umfrage des Arbeitgeberverbandes Dansk Industri (DI) vom Frühling 2021 schätzten fast zwei Drittel der exportierenden Unternehmen, dass ein rückläufiges England-Geschäft nur schwer durch andere Märkte aufgefangen werden könnte. Vor allem dänische Dienstleister sehen sich vor einer schweren Zukunftsaufgabe: etwa 38 Prozent rechnen sich überhaupt keine Chancen aus, in anderen Ländern die Verluste auf dem britischen Markt wettzumachen.

Dabei ist der Dienstleistungshandel ein wichtiger Faktor im dänischen Außenhandel: 2020 wurden mit Dienstleistungen knapp 42 Prozent der Exportumsätze generiert. Und ihre Bedeutung an den Gesamtausfuhren ins Vereinigte Königreich ist in den letzten Jahren gestiegen. Von 2013 bis 2018 hat sich der Wert der Dienstleistungsexporte nahezu verdreifacht, das Vereinigte Königreich avancierte zum wichtigsten Auslandskunden. Seitdem sanken die Exporte allerdings wieder. Die Verluste fuhren größtenteils die Bereiche Reisetätigkeit und Bauwesen ein - und das Coronajahr 2020. Bei den Dienstleistungsimporten ist das Bild nahezu identisch.

Langfristig könnten vor allem kleinere dänische Anbieter aus dem britischen Markt ausscheiden. "Es ist eine klassische Kosten-Nutzen-Rechnung, ob die Bürokratiekosten die Gewinne aus dem Exportmarkt wert sind", glaubt Jakob Hans Johansen, Partner bei der Beratungsfirma Kromann Reumert in London. Gleiches gilt für Warenexporteure. Und mit der Einführung der pflichtmäßigen UKCA-Zertifizierung voraussichtlich ab 2023 dürfte die Kosten-Nutzen-Rechnung ungünstiger werden.

Investitionsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich

Indikator

2016

2019

Dänischer Direktinvestitionsbestand im Vereinigten Königreich (in Mio. Euro)

7.914

7.439

Rangstelle beim britischen Direktinvestitionsbestand

15

17

Britischer Direktinvestitionsbestand in Dänemark (in Mio. Euro)

11.391

11.579

Rangstelle beim dänischen Direktinvestitionsbestand

4

5

Dänische Unternehmen in Vereinigten Königreich (Anzahl)

567

640 (2018)

Britische Unternehmen in Dänemark (Anzahl)

199

485 (2018)

Quelle: Eurostat 2021

Bedeutung des Handelspartners Vereinigtes Königreich schwindet

Die Rangliste der wichtigsten Warenhandelspartner Dänemarks war lange unverändert: Deutschland und Schweden lagen vor dem Vereinigten Königreich, das Rang 3 belegte. Doch schon Jahre vor dem Brexit setzte die Abwärtsspirale ein.

In 2011 waren die dänischen Handelsumsätze mit dem Inselstaat nahezu 70 Prozent höher als mit den V4-Staaten (Polen, Slowakei, Tschechische Republik, Ungarn). In den ersten sieben Monaten 2021 verdrängte Polen die Briten laut dem dänischen Statistikamt DST bereits auf Rang 8 der Außenhandelspartner-Rangliste.

Vor allem bei den Exporten fand der Absturz größtenteils vor dem Referendum 2016 statt. Dänische Ausfuhren wuchsen in den fünf Jahren vor der Volksabstimmung insgesamt sehr langsam - um etwa 5 Prozent. Die Ausfuhren ins Vereinigte Königreich brachen gleichzeitig aber um über ein Drittel ein. Ein Jahr später sorgte die hohe britische Nachfrage nach Windrädern und Schiffen für eine kurzzeitige Trendumkehr. Von 2017 bis 2020 sank der britische Anteil an den Gesamtausfuhren aber wieder von 8 auf 5 Prozent.

Ein überwiegender Teil des Rückgangs ist auf die sinkenden Öl- und Gasexporte zurückzuführen. Dänemark hat Ende 2020 beschlossen, keine neuen Bohrlizenzen zu vergeben und will die bestehende Förderung bis spätestens 2050 beenden. Die Produktion sinkt allerdings schon seit den frühen 2000er Jahren, genau wie die Exporte. Der Rückgang bei Öl- und Gasausfuhren ins Vereinigte Königreich von 2011 bis 2019 war jedoch fast doppelt so schnell wie insgesamt.

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Im gleichen Zeitraum verloren auch die Exporte von Nahrungsmitteln, tierischen und pflanzlichen Ölen oder Fertigwaren im zweistelligen Prozentbereich. Stabil entwickelten sich die Maschinenausfuhren. Bei Chemie stieg das Exportvolumen um ein Viertel, bei Getränken und nicht-Brennstoff-Rohstoffen hat es sich sogar fast verdoppelt. Diese drei Warengruppen machen jedoch nur etwa 15 Prozent des Gesamtvolumens aus.

Immerhin scheinen die dänischen Maschinenbauer seit dem Brexit-Vollzug zum 1. Januar 2021 wieder mehr britische Kunden gewinnen zu können: In den ersten acht Monaten des Jahres konnten sich die Exporte auf die britische Insel mit 1,7 Milliarden Euro im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2020 mehr als verdoppeln. Auch zum Pre-Corona-Jahr 2019 wurde ein Plus von fast einem Fünftel verzeichnet.

Bei dänischen Importen fehlen manchmal Alternativen

Bei den dänischen Einfuhren aus dem Vereinigten Königreich konnten im bisherigen Verlauf 2021 nur Brennstoffimporte zulegen - Dänemark ist seit 2018 Nettoimporteur von Erdöl. Deckten Waren "Made in Great Britain" 2011 noch über 6 Prozent der Einfuhren Dänemarks, waren es im bisherigen Verlauf dieses Jahres kaum mehr als 2 Prozent. Im Vergleich zum gleichen Zeitraum der beiden Vorjahre ergibt sich ein Minus von etwa einem Drittel. Die nunmehr geltenden Zollregelungen dürften allerdings nur für einen Teil des Verlustes verantwortlich sein.

Neben den chaotischen Zuständen in der britischen Logistik, die Lieferungen verzögern, spielt auch der globale Chipmangel eine entscheidende Rolle: Im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum fiel in den ersten acht Monaten 2021 beispielsweise bei Maschinen und Transportmitteln das Importvolumen um nahezu 60 Prozent. In der zweitwichtigsten Produktgruppe - den chemischen Erzeugnissen - betrug das Minus 40 Prozent.

Deutsche Exporteure profitieren nur geringfügig 

Von der Schwäche des Konkurrenten konnte Deutschland allerdings nur in wenigen Sektoren profitieren. Die größten Zugewinne beim Importanteil erreichten zwischen 2016 und 2021 China, die USA und Mittelosteuropa. Einige deutsche Vorzeigebranchen konnten ihren Anteil aber auch kräftig ausbauen - vor allem Kfz, Arbeitsmaschinen und Messinstrumente.

An einigen Lieferkettengliedern aus dem Vereinigten Königreich dürften dänische Firmen trotz Brexit-Querelen zwangsläufig längerfristig festhalten: "Oft stellt der britische Anbieter ein Produkt her, das so spezialisiert ist, dass es bei anderen Anbietern nur schwer zu finden ist", geben DI-Experten zu bedenken. Nahezu 60 Prozent der von ihnen befragten Unternehmen sehen kaum Alternativen zu den englischen Zulieferern.

Diese Länder profitieren am meisten von britischen Anteilsverlusten beim Import nach Dänemark

Anteil ausgewählter Herkunftsländer am dänischen Import bei den wichtigsten britischen Exportgütern (nach SITC, in Prozent)

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