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Special | Zentralasien | Konnektivität

Wie deutsche Logistiker zentralasiatische Routen nutzen

Für deutsche Logistiker sind Verkehrsverbindungen in Zentralasien ein wichtiger Markt. Probleme gibt es unter anderem bei Tarifstandards und bei der Sicherheit.

Von Lukas Latz | Berlin

Für den Handel zwischen China und Westeuropa nutzen auch deutsche Logistiker immer häufiger die Landwege über Zentralasien, Russland und den Kaukasus. Zentralasien ist auch als Zielmarkt von Bedeutung. Zwei Logistiker berichten von den Besonderheiten des Bahn- und LKW-Verkehrs.

Transsibirische Route ist wichtige Alternative zu Zentralasien

Für den Verkehr nach China wird die transsibirische Route immer häufiger genutzt. Die Route meidet Zentralasien komplett; sie steuert Russlands pazifische Häfen in Vladivostok oder Nachodka an. Von Russlands Häfen werden Waren über den Seeweg weiter in chinesische, japanische oder südkoreanische Zielstädte verschifft.

Hendrik Wehlen, Business Development Manager Eurasia & Far East bei VTG, sieht zwei Vorteile der transsibirischen Route. Dort sei es machbar, „von heute auf morgen Ware einzubuchen“. Dagegen seien die direkten Europa-China-Züge vier bis acht Wochen im Voraus schon ausgebucht. Positiv bewertet Wehlen zudem die Möglichkeit, verschiedene Wagontypen zu benutzen: „Auf den Europa-China-Zügen wird die Ware meist in 40-Fuß-High-Cube-Containern gefahren, manchmal auch in 20-Fuß-Standard-Boxen. Auf der transsibirischen Route ist man ein bisschen losgelöst davon. Da sind 40-Fuß-Container oder 20-Fuß-Container machbar, genauso gut Tankcontainer, auch Flexitanks [Tankbehälter aus Gummigewebe] und Gefahrgut sind realisierbar.“

In Russland und Zentralasien ist VTG aktiv in der Wagenvermietung, dem Transport von Flüssigkeiten in Tankcontainern und in der Projektlogistik, das heißt im Transport von Maschinen und großen Anlagen. Wichtige Kunden sind die chemische und petrochemische Industrie und etwa Unternehmen, die Gas-Pipelines bauen.

Route über Kasachstan nach China ist schnell, aber ausgebucht und schwieriger abzuwickeln

Die Transportrouten, die durch Kasachstan oder die Mongolei direkt nach China führen, haben normalerweise eine hohe Grund-Geschwindigkeit. Seit der Covid-Krise erlebte VTG aber massive Rückstaus an der chinesischen Grenze, da Wagons händisch desinfiziert werden mussten. Die Direkt-Route profitiert zudem von chinesischen Subventionen für die Schienenlogistik. Von den Subventionen ausgeschlossen sind jedoch bestimmte Wagonklassen wie Tankcontainer und Flexitanks, die für VTG eine wichtige Nische darstellen. Ein weiterer Nachteil: Der Transport von Gefahrgütern über die Schiene ist deutlich strenger reguliert als in Westeuropa. In China wird der Transport von Gefahrgut bevorzugt über LKW abgewickelt.

Auf beiden Routen besteht für VTG das Problem, dass gewisse in Europa übliche Swap Body Tankcontainer nicht tarifiert werden können. Joachim Goldenbaum, Deputy Head of Sales von VTG Tanktainer, erklärt: „In Westeuropa gibt es 23-Fuß-, 25-Fuß- und 30-Fuß-Container. All diese Containertypen können wir in Russland und China derzeit nicht transportieren, weil sie nicht im Tarifsystem vorkommen.“

Zudem weist Goldenbaum auf die strikten Vorgaben der Zollbehörden hin:

„Ich muss meinem Kunden erzählen, dass er, wenn er einen Container gestaut hat, erstmal 34 Bilder davon machen muss, wie die Fässer gestaut und gesichert sind, und das von allen Ecken und Kanten. An jeder Zollgrenzstelle wird der Container geöffnet und geprüft, ob der Container noch genauso aussieht, wie er mal abgegangen ist.“

Transkaspischer Korridor hat noch Entwicklungsbedarf

Der transkaspische Korridor über die Türkei, Georgien und Aserbaidschan spielt für VTG eine deutlich geringere Rolle als die Nordrouten. VTG nutzte die Route zum Transport einer Luftzerlegungsanlage nach Temirtau in Kasachstan, die zum großen Teil von Linde in Deutschland produziert worden war. Für den Transport der schweren Anlagen, abgewickelt zwischen 2016 und 2018, wählte VTG den Weg über das Schwarze Meer von Constanţa in Rumänien nach Poti in Georgien, von da mit der Bahn nach Baku und von dort über das kaspische Meer nach Aktau. Für die sperrigen Anlagenteile war der Transport übers Schiff einfacher abzuwickeln.

Eine Herausforderung bestehe aber darin, verlässliche Partner für ein solches Projekt zu finden, so Klaus Lutze von der VTG-Abteilung Projektlogistik: „Der Weg ist eine sehr gute Alternative für bestimmte Empfangsregionen, doch er ist noch nicht tariflich ausgereift. Wir müssen hierbei die einzelnen Netzwerkpartner koordinieren. Dafür ist langjährige Erfahrung und ein ausgereiftes Netzwerk in der Branche notwendig.“

Für den LKW-Transport stehen gute Infrastruktur und Zollabwicklung zur Verfügung

Per LKW liefert das Speditionsunternehmen Quehenberger Logistics Maschinenbauteile, pharmazeutische Produkte, Medizintechnik, Produkte der Automobilindustrie, zum Teil auch Hilfslieferungen und Saatgut in die Länder Zentralasiens.

Holger Philipowski, verantwortlich für die Logistik in Osteuropa und Zentralasien bei Quehenberger Logistics, sagt, dass der Verkehr über die russisch-kasachischen Routen gut funktioniert: „Durch die Schaffung der Eurasischen Wirtschaftsunion hat sich der Transit über die belarussisch-russische und über die russisch-kasachische Route deutlich verbessert. Über die russisch-kasachische Grenzen fahren wir entweder in Uralsk im westlichen Kasachstan oder über Aktobe weiter im Osten. Auf der Route über Uralsk ist die Infrastruktur besser. Auch wenn die Straßen gut sind, gibt es im Winter oft Straßensperrungen bei Kälte und extremen Winden. Die für Kasachstan geplante Maut wurde nach einem Streik der kasachischen Frachtführer vorerst ausgesetzt.“

Ein Problem an der Hauptroute zwischen Moskau und Kasachstan sei die Gefahr von Übergriffen durch die organisierte Kriminalität, so Philipowski: „Wenn Sie medizinische Produkte oder Medizintechnik an Bord haben, hat eine Fracht schon einmal einen Wert von 2 bis 3 Millionen Euro. Mit einer solchen Ladung ist es gefährlich, die Hauptverkehrsader zwischen Moskau und Kasachstan entlangzufahren. An Rastplätzen und Tankstellen ist die Gefahr krimineller Überfälle groß. Da macht es Sinn, die weniger ausgebauten Routen südlich von Moskau zu nutzen.“

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