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Special | EU | Konnektivität

Infrastrukturoffensive mit außenpolitischer Dimension

Die Drei-Meere-Initiative (3SI) soll ihrem Selbstverständnis nach vor allem Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung geben. Dennoch ist sie kein rein ökonomisches Projekt. (Stand: 19. August 2021)

Von Fabian Möpert | Berlin

Mit dem Ausbau grenzüberschreitender Infrastruktur wollen die beteiligten Länder ihre Volkswirtschaften stärker vernetzen, Rahmenbedingungen für den Handel untereinander verbessern und den europäischen Binnenmarkt vervollständigen. So die Erklärungen bisheriger 3SI-Gipfel. Besonders beim Blick auf Energieprojekte treten aber auch politische Dimensionen der Initiative zutage. Nicht nur bei Energiethemen sind die außen-, handels- und sicherheitspolitischen Interessen der Beteiligten aber durchaus unterschiedlich. Das verengt den Handlungsspielraum, als Initiative gemeinsame Positionen zu vertreten.

Polen ist der Motor der Initiative

Initiator und in gewisser Weise Wortführer der 3SI ist Polens nationalkonservative Regierung. Sie sieht in der 3SI ein Format um die transatlantischen Beziehungen zu den USA zu stärken. Im Energiesektor verfolgt Polen schon länger das strategische Ziel, seine Energiebezüge zu diversifizieren, um unabhängiger von Erdgaslieferungen aus Russland zu sein. Das Land baut deshalb Kapazitäten für den Bezug von Flüssigerdgas (LNG) aus. In ähnlicher Weise gilt dies auch für Mitinitiator Kroatien sowie für die baltischen Republiken Estland, Lettland und Litauen. Die USA unterstützen diese Bemühungen. Sie sehen in Mittel- und Osteuropa einen Absatzmarkt für ihr LNG.

In anderen 3SI-Ländern teilen wichtige Akteure das polnische Misstrauen gegenüber Russland nicht unbedingt. Ungarns Premier Viktor Orbán oder Tschechiens Staatspräsident Miloš Zeman etwa pflegen einen konzilianten Umgang mit Moskau. Tschechiens Mitwirken in der 3SI bewegt sich zwischen Zurückhaltung und Pragmatismus. Politische Ambitionen der 3SI stoßen in Prag auf Vorbehalte.

Pragmatisch ist Tschechiens Politik bei Gelegenheiten, sich an nützlichen grenzüberschreitenden Projekten zu beteiligen. Dazu könnten Hochgeschwindigkeitsbahnkorridore gehören. Tschechiens bislang einziger Projektvorschlag im Rahmen der Initiative betrifft aber den Donau-Oder-Elbe-Kanal, ein Projekt, dessen Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Nutzen umstritten ist, zu dessen Fürsprechern aber Staatspräsident Zeman zählt.

USA, EU und Deutschland sind Partner der Initiative

Für das US-amerikanische Engagement in der Region spielen auch geostrategische Motive eine Rolle. Das äußert sich im Energiesektor, wo die USA die 3SI-Länder darin bestärken, Erdgasbezüge zu diversifizieren. Im Digitalbereich nutzt Washington das Format, um chinesischer Einflussnahme vorzubauen. Außenpolitikexperten wie Kai-Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) gehen aber davon aus, dass die Biden-Administration im Unterschied zur Vorgängerregierung in der 3SI kein Vehikel sieht, um EU-Staaten auseinanderzudividieren.

Spitzenvertreter der EU sind seit 2018 regelmäßig bei den 3SI-Treffen zu Gast. Am Gipfel in Bukarest 2018 nahm der damalige Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, teil. Zuletzt war die EU 2020 durch Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager vertreten. In Brüssel bemüht man sich dabei, die enormen Summen, die aus EU-Programmen für den Ausbau der Infrastruktur in die 3SI-Länder fließen, öffentlichkeitswirksam ins Bewusstsein zu rufen.

Deutschland unterstützt die Initiative ebenfalls seit 2018 als Partnerland. Zu den Treffen 2018 in Bukarest und 2019 in Ljubljana reisten Außenminister Heiko Maas und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Maas warb für den Einbezug deutscher Firmen in die Infrastrukturprojekte der Region. Eine Mehrheit der 3SI-Länder begrüßt das deutsche Engagement in der Initiative ausdrücklich. Deutschlands Ansinnen einer formalen Vollmitgliedschaft wird allerdings seitens der Initiative derzeit nicht diskutiert.

Gegenüber China wächst die Skepsis

Die geografische Lage macht die 3SI-Länder zur potenziellen Transitzone zwischen China und Westeuropa, besonders im Kontext der neuen Seidenstraße. Beim Zugverkehr zwischen China und Europa spielt zum Beispiel das Umschlagsterminal Małaszewicze an Polens Grenze zu Belarus eine wichtige Rolle. Ungarn arbeitet seinerseits aktiv daran, sich mit Chinas Unterstützung als Drehkreuz im Gütertransport per Bahn und Luftfracht nach Europa zu positionieren.

Prinzipiell hat China ein Interesse an der Entwicklung der Transportwege in der Drei-Meere-Region. Schon seit 2012 unterhält die Volksrepublik mit dem 17+1-Gipfel ein eigenes Dialogformat mit den Ländern Mittelost- und Südosteuropas, bei dem es auch um regionale Konnektivität geht. Anders als in den Nicht-EU-Ländern auf dem Westbalkan ist Chinas tatsächliches Engagement in der Mehrheit der 3SI-Länder bei Verkehrsinfrastruktur aber nicht sonderlich ausgeprägt. Und auch die chinesischen Direktinvestitionen in den 3SI-Ländern bleiben weit hinter denen in Westeuropa zurück.

Zu den wenigen Ausnahmen bei Baukontrakten gehört die Bahnstrecke Budapest–Belgrad. Den zweigleisigen Ausbau der ungarischen Teilstrecke realisiert ein ungarisch-chinesisches Konsortium. Das Vorhaben wird überwiegend durch Kredite der Eximbank of China finanziert. Ungarn gehört zu den 3SI-Ländern mit den intensivsten Beziehungen zu China. Dies zeigt sich auch im Telekommunikationssektor: Der ungarischen Regierung sind chinesische Firmen willkommene Partner beim 5G-Netzaufbau.

Immer mehr mittel- und osteuropäische EU-Länder gehen aber auf Distanz zu China. Der Grund liegt nicht allein in der zunehmenden Enttäuschung, dass trotz verschiedentlicher Versprechungen chinesische Investitionen größeren Umfangs in der Region ausgeblieben sind. Bei einem Teil der 3SI-Länder wachsen auch Sicherheitsbedenken, konkret beim Einsatz chinesischer Telekommunikationstechnologie. So wollen Polen und Rumänien den Huawei-Konzern vom Ausbau der Mobilfunknetze auf 5G-Standard ausschließen. Viele 3SI-Länder unterstützen daher auch die US-amerikanische Initiative Clean Network, deren Teilnehmer sich zum Ausschluss chinesischer Zulieferer beim 5G-Ausbau verpflichten, oder das Blue Dot Network, den vage skizzierten amerikanischen Gegenentwurf zu Chinas Seidenstraßeninitiative.

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