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EU and British cargo containers | © Getty Images/marvikk

Special | Brexit

Brexit: Handel mit wichtigsten EU-Märkten schrumpft

Mehrere Monate nach dem Brexit werden die Folgen für den britischen Außenhandel mit dem europäischen Festland sichtbar. Deutsche Anbieter könnten davon profitieren.

Von Peter Buerstedde, Charlotte Hoffmann, Oliver Idem, Marc Lehnfeld, Torsten Pauly, Michał Woźniak | Berlin, Bonn, Dublin, Madrid, Paris, Stockholm

Brexit - und jetzt? Rund elf Monate nach dem vollzogenen Austritt der Briten aus der Europäischen Union (EU) sind die ersten Startschwierigkeiten überwunden. Das befürchtete Chaos an der neuen Zollgrenze zum Jahreswechsel blieb aus. Auf vielen EU-Märkten hat die Bedeutung des Vereinigten Königreichs als Handelspartner seit dem Referendum 2016 jedoch schon abgenommen.

Wie aber hat sich der britische Außenhandel mit den wichtigsten europäischen Handelspartnern in den ersten Monaten mit neuen Handelsregeln entwickelt? Germany Trade & Invest analysiert, welche Auswirkungen sich bereits in einigen Branchen abzeichnen, welche Sektoren gut vorbereitet waren und ob sich deutsche Unternehmen als Beschaffungsalternative positionieren können.

  • Britischer Markt für Dänemark nach Brexit kaum zu ersetzen

    Der dänisch-britische Handel schwächelt nicht erst seit dem Brexit. Allerdings sehen zwei Drittel der dänischen Exporteure kaum Chancen, ihre Verluste woanders wettzumachen.

    Für Dänemarks exportorientierte Unternehmen hat der Brexit erhebliche Folgen: Laut einer Umfrage des Arbeitgeberverbandes Dansk Industri (DI) vom Frühling 2021 schätzten fast zwei Drittel der exportierenden Unternehmen, dass ein rückläufiges England-Geschäft nur schwer durch andere Märkte aufgefangen werden könnte. Vor allem dänische Dienstleister sehen sich vor einer schweren Zukunftsaufgabe: etwa 38 Prozent rechnen sich überhaupt keine Chancen aus, in anderen Ländern die Verluste auf dem britischen Markt wettzumachen.

    Dabei ist der Dienstleistungshandel ein wichtiger Faktor im dänischen Außenhandel: 2020 wurden mit Dienstleistungen knapp 42 Prozent der Exportumsätze generiert. Und ihre Bedeutung an den Gesamtausfuhren ins Vereinigte Königreich ist in den letzten Jahren gestiegen. Von 2013 bis 2018 hat sich der Wert der Dienstleistungsexporte nahezu verdreifacht, das Vereinigte Königreich avancierte zum wichtigsten Auslandskunden. Seitdem sanken die Exporte allerdings wieder. Die Verluste fuhren größtenteils die Bereiche Reisetätigkeit und Bauwesen ein - und das Coronajahr 2020. Bei den Dienstleistungsimporten ist das Bild nahezu identisch.

    Langfristig könnten vor allem kleinere dänische Anbieter aus dem britischen Markt ausscheiden. "Es ist eine klassische Kosten-Nutzen-Rechnung, ob die Bürokratiekosten die Gewinne aus dem Exportmarkt wert sind", glaubt Jakob Hans Johansen, Partner bei der Beratungsfirma Kromann Reumert in London. Gleiches gilt für Warenexporteure. Und mit der Einführung der pflichtmäßigen UKCA-Zertifizierung voraussichtlich ab 2023 dürfte die Kosten-Nutzen-Rechnung ungünstiger werden.

    Investitionsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich

    Indikator

    2016

    2019

    Dänischer Direktinvestitionsbestand im Vereinigten Königreich (in Mio. Euro)

    7.914

    7.439

    Rangstelle beim britischen Direktinvestitionsbestand

    15

    17

    Britischer Direktinvestitionsbestand in Dänemark (in Mio. Euro)

    11.391

    11.579

    Rangstelle beim dänischen Direktinvestitionsbestand

    4

    5

    Dänische Unternehmen in Vereinigten Königreich (Anzahl)

    567

    640 (2018)

    Britische Unternehmen in Dänemark (Anzahl)

    199

    485 (2018)

    Quelle: Eurostat 2021

    Bedeutung des Handelspartners Vereinigtes Königreich schwindet

    Die Rangliste der wichtigsten Warenhandelspartner Dänemarks war lange unverändert: Deutschland und Schweden lagen vor dem Vereinigten Königreich, das Rang 3 belegte. Doch schon Jahre vor dem Brexit setzte die Abwärtsspirale ein.

    In 2011 waren die dänischen Handelsumsätze mit dem Inselstaat nahezu 70 Prozent höher als mit den V4-Staaten (Polen, Slowakei, Tschechische Republik, Ungarn). In den ersten sieben Monaten 2021 verdrängte Polen die Briten laut dem dänischen Statistikamt DST bereits auf Rang 8 der Außenhandelspartner-Rangliste.

    Vor allem bei den Exporten fand der Absturz größtenteils vor dem Referendum 2016 statt. Dänische Ausfuhren wuchsen in den fünf Jahren vor der Volksabstimmung insgesamt sehr langsam - um etwa 5 Prozent. Die Ausfuhren ins Vereinigte Königreich brachen gleichzeitig aber um über ein Drittel ein. Ein Jahr später sorgte die hohe britische Nachfrage nach Windrädern und Schiffen für eine kurzzeitige Trendumkehr. Von 2017 bis 2020 sank der britische Anteil an den Gesamtausfuhren aber wieder von 8 auf 5 Prozent.

    Ein überwiegender Teil des Rückgangs ist auf die sinkenden Öl- und Gasexporte zurückzuführen. Dänemark hat Ende 2020 beschlossen, keine neuen Bohrlizenzen zu vergeben und will die bestehende Förderung bis spätestens 2050 beenden. Die Produktion sinkt allerdings schon seit den frühen 2000er Jahren, genau wie die Exporte. Der Rückgang bei Öl- und Gasausfuhren ins Vereinigte Königreich von 2011 bis 2019 war jedoch fast doppelt so schnell wie insgesamt.

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    Im gleichen Zeitraum verloren auch die Exporte von Nahrungsmitteln, tierischen und pflanzlichen Ölen oder Fertigwaren im zweistelligen Prozentbereich. Stabil entwickelten sich die Maschinenausfuhren. Bei Chemie stieg das Exportvolumen um ein Viertel, bei Getränken und nicht-Brennstoff-Rohstoffen hat es sich sogar fast verdoppelt. Diese drei Warengruppen machen jedoch nur etwa 15 Prozent des Gesamtvolumens aus.

    Immerhin scheinen die dänischen Maschinenbauer seit dem Brexit-Vollzug zum 1. Januar 2021 wieder mehr britische Kunden gewinnen zu können: In den ersten acht Monaten des Jahres konnten sich die Exporte auf die britische Insel mit 1,7 Milliarden Euro im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2020 mehr als verdoppeln. Auch zum Pre-Corona-Jahr 2019 wurde ein Plus von fast einem Fünftel verzeichnet.

    Bei dänischen Importen fehlen manchmal Alternativen

    Bei den dänischen Einfuhren aus dem Vereinigten Königreich konnten im bisherigen Verlauf 2021 nur Brennstoffimporte zulegen - Dänemark ist seit 2018 Nettoimporteur von Erdöl. Deckten Waren "Made in Great Britain" 2011 noch über 6 Prozent der Einfuhren Dänemarks, waren es im bisherigen Verlauf dieses Jahres kaum mehr als 2 Prozent. Im Vergleich zum gleichen Zeitraum der beiden Vorjahre ergibt sich ein Minus von etwa einem Drittel. Die nunmehr geltenden Zollregelungen dürften allerdings nur für einen Teil des Verlustes verantwortlich sein.

    Neben den chaotischen Zuständen in der britischen Logistik, die Lieferungen verzögern, spielt auch der globale Chipmangel eine entscheidende Rolle: Im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum fiel in den ersten acht Monaten 2021 beispielsweise bei Maschinen und Transportmitteln das Importvolumen um nahezu 60 Prozent. In der zweitwichtigsten Produktgruppe - den chemischen Erzeugnissen - betrug das Minus 40 Prozent.

    Deutsche Exporteure profitieren nur geringfügig 

    Von der Schwäche des Konkurrenten konnte Deutschland allerdings nur in wenigen Sektoren profitieren. Die größten Zugewinne beim Importanteil erreichten zwischen 2016 und 2021 China, die USA und Mittelosteuropa. Einige deutsche Vorzeigebranchen konnten ihren Anteil aber auch kräftig ausbauen - vor allem Kfz, Arbeitsmaschinen und Messinstrumente.

    An einigen Lieferkettengliedern aus dem Vereinigten Königreich dürften dänische Firmen trotz Brexit-Querelen zwangsläufig längerfristig festhalten: "Oft stellt der britische Anbieter ein Produkt her, das so spezialisiert ist, dass es bei anderen Anbietern nur schwer zu finden ist", geben DI-Experten zu bedenken. Nahezu 60 Prozent der von ihnen befragten Unternehmen sehen kaum Alternativen zu den englischen Zulieferern.

    Diese Länder profitieren am meisten von britischen Anteilsverlusten beim Import nach Dänemark

    Anteil ausgewählter Herkunftsländer am dänischen Import bei den wichtigsten britischen Exportgütern (nach SITC, in Prozent)

    Von Michał Woźniak | Stockholm

  • Post-Brexit: Mehr Fährverbindungen von Frankreich nach Irland

    Der französische Handel mit dem Vereinigten Königreich hat sich nach der Jahreswende wieder weitgehend normalisiert. Aber manche Auswirkungen des Brexits dürften erst noch kommen.

    In der Entwicklung des Außenhandels zwischen Frankreich und dem Vereinigten Königreich lassen sich die Auswirkungen des Brexits und der Coronakrise nicht sauber trennen. Im Ranking der Zielländer französischer Exporte ist das Vereinigte Königreich bereits 2017 vom fünften auf den sechsten Platz gerutscht. Unter den Herkunftsländern französischer Importe bekleidet der Inselstaat seit 2016 unverändert den achten Rang.

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    Allerdings ist der französische Anteil jeweils leicht geschrumpft. Dies aber vor allem seit Beginn der Coronakrise. Ein Grund ist das große Gewicht, das Flugzeug- und Kfz-Teilen im Handelsaustausch zukommt - 19 Prozent der französischen Exporte auf die Insel und 21 Prozent der Importe von dort. Vor allem der Handel unter Airbusfilialen spielt eine große Rolle. Die beiden Sektoren haben sich noch nicht wieder von der Krise erholt. Die Kfz-Produktion leidet seit Anfang 2021 besonders stark unter Lieferengpässen. Der Handel mit Kfz- und Flugzeugteilen liegt 2021 weiterhin deutlich unter dem Vorkrisenniveau von 2019.

    Im Gegensatz zu den Einfuhren aus anderen wichtigen Lieferländern haben sich die französischen Importe aus Großbritannien in den ersten acht Monaten 2021 gegenüber dem Vorjahr nicht erholt. Hier spielen allerdings erneut Verzerrungen eine entscheidende Rolle: Ende 2020 hatten vor allem auf britischer Seite viele Firmen Lagerbestände aufgebaut, um sich für mögliche Verzögerungen an der Grenze zu wappnen. In der Folge stieg der Außenhandel zwischen Frankreich und dem Vereinigten Königreich Ende 2020 zunächst an, brach jedoch zum Jahresbeginn 2021 wieder ein. 

    Auch Airbus, das auf der Insel 25 Betriebe mit 14.000 Mitarbeitern unterhält, hatte Lagerbestände für drei Wochen auf beiden Seiten aufgebaut. Im Endeffekt fielen die Schwierigkeiten bei der Grenzabfertigung dann sehr viel geringer aus als erwartet, wie viele Unternehmen berichten.

    Brexit trifft kleinere Unternehmen, frische Produkte und den Onlinehandel

    Der Brexit dürfte aber durch längere Wartezeiten und höhere Kosten auch seinen Anteil am Rückgang des Handels haben. Vor allem Unternehmen, die frische Produkte vertreiben, oder mit kleineren Handelsvolumina haben laut Pressemeldungen ihre Lieferungen zum Teil aufgegeben. So hat ein Franchisenehmer des britischen Einzelhändlers Marks & Spencer im September 2021 die Schließung von elf Läden in Frankreich verkündet. Grund seien zeitraubende und komplizierte Ausfuhrverfahren für frische Produkte aus dem Vereinigten Königreich. Die restlichen neun Filialen, die einem anderen Franchisenehmer unterstehen, sollen offen bleiben. Betroffen sind auch britische Onlinehändler wie Asos oder Made.com, die von britischen Logistikhubs ihre Geschäfte tätigen und in Frankreich in den letzten Jahren stark gewachsen waren. Sie haben nach Presseberichten mit höheren Kosten durch den Brexit zu kämpfen. Deutsche Anbieter (wie etwa Zalando) könnten hier Marktanteile gewinnen.

    Die anfänglichen Schwierigkeiten beim Export schottischer Fische und Meeresfrüchte, die vielfach in Frankreich verpackt werden, haben sich im Jahresverlauf 2021 gelegt. Aber der Streit über die Vergabe von Fanglizenzen für britische Gewässer zwischen Frankreich und Großbritannien hält an. 

    Teilweise dürften die Auswirkungen auf die Handelsströme und Lieferketten erst in den kommenden Jahren deutlich werden. Dies hängt etwa mit der phasenweisen Einführung von Meldungen und Kontrollen etwa bei Lebensmitteln auf britischer Seite zusammen. Während diese auf Seite der Europäischen Union (EU) seit Jahresbeginn 2021 wirksam sind, hatte die britische Regierung die Einführung zum Teil auf 2022 verschoben.

    Produktionsverlagerungen nach Frankreich denkbar

    Britische Firmen müssen Ursprungsregeln beachten, damit Waren zollfrei in die EU exportiert werden können. Im wichtigen Kfz-Sektor steigt der Anteil der Wertschöpfung, der in der EU oder Großbritannien erbracht werden muss, schrittweise bis 2027 auf 55 Prozent. Die Kfz-Hersteller im Vereinigten Königreich haben, gestützt durch Subventionszusagen der britischen Regierung, in den letzten Monaten Investitionen für neue Modelle und vor allem für Batterien angekündigt, um künftig die Regeln bei Elektroautos erfüllen zu können. So will Stellantis in Ellesmere Port elektrische Lieferwagen produzieren.

    Trotzdem sind Produktionsverlagerungen auf das EU-Festland in den kommenden Jahren zu erwarten, um Verzögerungen an der Grenze zu vermeiden. Bisher sind keine Verlagerungen nach Frankreich bekannt geworden, aber das Land ist gut positioniert, um davon zu profitieren. Nissan, Stellantis und Toyota produzieren auf der Insel und haben große Werke und Zuliefernetzwerke in Nordfrankreich (Nissan über die Allianz mit Renault).

    Zoll und Häfen gut vorbereitet

    Vor der Coronakrise und dem Brexit verkehrten zwischen Frankreich und dem Vereinigten Königreich jährlich etwa 4,5 Millionen Lkw, davon 2,8 Millionen per Fähre und 1,6 Millionen per Eurotunnel. Der französische Zoll hatte in Vorbereitung auf den Brexit ein Online-Anmeldesystem (frontière intelligente) eingerichtet, um die Abwicklung in den Häfen zu beschleunigen und hat Einrichtungen für die Warenkontrolle aufgebaut. Französische Häfen haben Parkplätze ausgebaut, um wartende Lkw aufzunehmen. Dadurch konnten größere Verzögerungen verhindert werden. Die Abwicklung gilt in französischen Häfen bisher als vergleichsweise problemlos.

    Die Reedereien haben seit 2020 ihre Linien zwischen Frankreich und dem englischen Festland zum Teil an geringere Volumina angepasst. Die größte Veränderung betrifft aber neue direkte Fährverbindungen zwischen Häfen in Frankreich und Irland, die  Anfang 2021 eingerichtet worden sind. Dabei geht es darum, die Landbrücke von Irland über das britische Festland und damit Zollkontrollen zu umgehen. Unklar ist, ob diese Verbindungen beibehalten werden, wenn sich der Handel über die sehr viel schnellere Landbrücke wieder stärker eingespielt hat.

    Investitionsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich

    Indikator

    2016

    2019

    Französischer Direktinvestitionsbestand im Vereinigten Königreich (in Mio. Euro)

    69.996

    80.927

    Rangstelle beim britischen Direktinvestitionsbestand

    5

    8

    Britischer Direktinvestitionsbestand in Frankreich (in Mio. Euro)

    71.277

    103.247

    Rangstelle beim französischen Direktinvestitionsbestand

    4

    3

    Französische Unternehmen in Vereinigten Königreich (Anzahl)

    3.789

    3.751 (2018)

    Britische Unternehmen in Frankreich (Anzahl)

    1.176

    1.026 (2018)

    Quelle: Eurostat 2021

    Von Peter Buerstedde | Paris

  • Brexit zwingt Irland zu neuen Wegen im Außenhandel

    Traditionell ist Irland mit der britischen Wirtschaft eng verflochten. Unter der neuen Zollgrenze gehen britische Importe massiv zurück.

    Der Brexit sorgt für tiefgreifende Veränderungen im irischen Außenhandel. Die neue Zollgrenze durch die Irische See macht den irisch-britischen Handel und die logistische Landbrücke von Irland über das Vereinigte Königreich in die Europäische Union (EU) unattraktiv. 

    Importe aus dem Vereinigten Königreich sinken drastisch

    Die Verschiebungen werden deutlich sichtbar. Irlands Wareneinfuhren aus dem Königreich sind zwischen Januar und August 2021 gegenüber der Vorjahresperiode um 30,9 Prozent eingebrochen. Dieser Rückgang steht dabei ganz entgegen der allgemeinen irischen Handelsentwicklung. Entlang des wirtschaftlichen Erholungskurses nach dem Coronaschock von 2020 stiegen die Einfuhren in diesem Jahr insgesamt um 12,6 Prozent. 

    Die britische Insel bleibt noch das wichtigste Herkunftsland irischer Einfuhren, aber ihr Anteil ist von 27,1 Prozent in 2020 auf 15,8 Prozent in diesem Jahr geschmolzen und liegt nur noch 0,4 Prozentpunkte vor den zweitplatzierten USA. 

    Exemplarisch für den Rückgang steht die Erfahrung der britischen Supermarktkette Marks & Spencer (M&S) mit der Zollgrenze. Die Bürokratie der EU-Zollgrenze macht es dem Einzelhändler nahezu unmöglich, Frischprodukte schnell vom Königreich auf die irische Insel zu exportieren. M&S sah sich deshalb mit Einführung der Zollgrenze gezwungen, rund 20 Prozent seiner Produkte für den irischen Markt zu streichen und stärker auf eine lokale Beschaffung zu setzen. Das dürfte dem britischen Unternehmen allerdings schwerfallen, weil die deutschen Konkurrenten Aldi und Lidl diese Strategie bereits seit Jahren verfolgen und damit über einen erheblichen Wettbewerbsvorteil verfügen.

    Irische Warenimporte wichtiger britischer Güter (in Millionen Euro, Anteil und Veränderung in Prozent)

    Ware

    Importwert*)

    Anteil an britischer Einfuhr

    Veränderung 1. Halbjahr 2021/1. Halbjahr 2020

    Gesamt

    9.729,6

    100,0

    -30,9

    Lebensmittel (SITC-0)

    1.696,4

    17,4

    -31,6

    Mineralische Brennstoffe (SITC-3)

    1.651,4

    17,0

    32,4

    Chemische Erzeugnisse (SITC-5)

    1.583,2

    16,3

    -23,1

      davon medizinische und pharmazeutische Erzeugnisse (SITC-54)

    704,5

    7,2

    26,6

    Eisen, Nicht-Eisen, Metallprodukte (SITC-67-69)

    705,7

    7,3

    -13,6

    Industriemaschinen (SITC-71-74)

    576,6

    5,9

    -25,5

    *) Januar bis August 2021Quelle: Analyse von Germany Trade & Invest auf der Basis von Eurostat-Daten

    Der Einfuhrrückgang betrifft aber nicht nur Lebensmittel. Daten von Eurostat zeigen, dass britische Lieferungen in fast allen größeren Produktkategorien deutlich zurückgegangen sind und mit ihnen auch die britischen Marktanteile in Irland. Gegen den allgemeinen Abwärtstrend stiegen die Importe von medizinischen und pharmazeutischen Produkten, eines der wichtigsten irischen Einfuhrgüter, um 26,6 Prozent sowie Mineralöle um 32,4 Prozent. Die höheren Importe von Mineralölen haben aber vor allem technische Gründen, da der Erdölpreis im Vergleich zum Vorjahr deutlich höher lag.

    Verschiebung britischer Marktanteile bei der irischen Einfuhr (Anteil in Prozent)

    Ware

    Anteil am irischen Import der Gütergruppe

    Veränderung des britischen Anteils ggü. 2020 (in Prozentpunkten)

    Gesamt

    15,8

    -11,3

    Lebensmittel (SITC-0)

    37,3

    -13,1

    Mineralische Brennstoffe (SITC-3)

    49,4

    -7,8

    Chemische Erzeugnisse (SITC-5)

    9,4

    -7,5

      davon medizinische und pharmazeutische Erzeugnisse (SITC-54)

    11,0

    -3,5

    Eisen, Nicht-Eisen, Metallprodukte (SITC-67-69)

    31,8

    -15,7

    Industriemaschinen (SITC-71-74)

    14,4

    -7,6

    Lesehilfe: Lebensmittelimporte aus dem Vereinigten Königreich machten im Betrachtungszeitraum 37,3 Prozent aller irischen Lebensmitteinfuhren aus. Der britische Anteil an den irischen Lebensmitteleinfuhren ist ggü. 2020 um 13,1 Prozentpunkte gefallen.Quelle: Analyse von Germany Trade & Invest auf der Basis von Eurostat-Daten 2021

    Weil irische Unternehmen bei der traditionellen Beschaffung auf dem britischen Markt über die Hürden der Zollgrenze stolpern, können deutsche Lieferanten mit der EU-Binnenmarktzugehörigkeit punkten. Das bestätigt auch Ralf Lissek, Geschäftsführer der Deutsch-Irischen Auslandshandelskammer in Dublin: "Wir erwarten, dass sich irische Unternehmen offen für Alternativen zu britischen Lieferanten zeigen. Das ist eine große Chance für deutsche Exporteure in Irland."

    Irischer Export könnte 2022 leiden

    Etwas milder ist der Brexit-Effekt beim irischen Export. War das Vereinigte Königreich 2019 noch der zweitgrößte Absatzmarkt für irische Waren nach den USA, ist das Königreich 2020 auf den vierten Platz zurückgefallen. Allerdings zeigt die Handelsstatistik auch eine Erholung im Laufe dieses Jahres. So konnten die irischen Exporte auf die britische Insel zwischen Januar und August 2021 wieder um 11 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode zulegen, was die Briten immerhin wieder auf den dritten Rang befördert. Allerdings drohen 2022 Störungen im Export, wenn die britische Zollverwaltung ab Januar die Zollanforderungen erhöht. 

    Handel mit Nordirland steigt rasant

    Während der Handel mit dem Vereinigten Königreich unter den Folgen der Zollbürokratie rückläufig ist, wächst der mit Nordirland sehr stark. Zwischen Januar und August 2021 ist der irische Außenhandel mit Nordirland um 53,9 Prozent gestiegen, mit Großbritannien hingegen um 8,7 gefallen. Der Grund: Das im Zuge des Brexits verhandelte Nordirland-Protokoll sichert eine grüne, offene Grenze zwischen Irland und dem nördlichen Partner. Nordirland bleibt damit sowohl Teil des EU-Binnenmarktes als auch Landesteil des Vereinigten Königreich. Dafür überschreitet der Warenverkehr zwischen Nordirland und Großbritannien in der irischen See eine Zollgrenze. Deshalb sind innerhalb des Königreichs Zollformalitäten beim Warenverkehr einzuhalten. 

    Britische Landbrücke für EU-Transporteure uninteressant

    Große Verschiebungen erlebt der irische Außenhandel auch auf den Lieferwegen in Richtung Festlandeuropa. Traditionell nutzten Spediteure vor dem Brexit die sogenannte Landbrücke, also die Transportroute durch das Vereinigte Königreich über den walisischen Hafen Holyhead nach Dublin. Im Vergleich zur Direktfährverbindung über die See von Irland zum Beispiel nach Frankreich ist der Weg über die Landbrücke rund einen Tag schneller. 

    Die neue Zollgrenze erschwert den Weg über die britische Insel. Logistiker scheuen das Risiko von Staus und Verzögerungen an der britischen-europäischen Zollgrenze so sehr, dass viele lieber die Direktfährverbindung nutzen.

    Am Hafen von Dublin sind die Folgen besonders spürbar. Ende Oktober berichtete der Hafenbetreiber, dass das Umschlagvolumen mit Großbritannien von Januar bis September 2021 um 21,2 Prozent eingebrochen und mit der EU um 36,3 Prozent gewachsen ist. Insgesamt bedeutet das für den Dubliner Hafen aber einen Umschlagrückgang um 3,3 Prozent. Insgesamt erwarten die irischen Hafenbetreiber, dass das Umschlagvolumen erst 2023 wieder das Rekordniveau von 2019 übertreffen wird.

    Der südirische Hafen in Rosslare hingegen profitiert schon jetzt von den neuen Direktverbindungen mit über 30 wöchentlichen An- und Abfahrten im Verkehr mit dem europäischen Festland. Sowohl DFDS, Stena Line als auch Brittany Ferries haben die Zahl ihrer Verbindungen deutlich erhöht, das Umschlagvolumen mit der EU hat sich mehr als versiebenfacht. Deshalb investiert der staatliche Hafen rund 35 Millionen Euro in den Ausbau der Infrastruktur.

    Investitionsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich

    Indikator

    2016

    2019

    Irischer Direktinvestitionsbestand im Vereinigten Königreich (in Mio. Euro)

    13.414

    27.284

    Rangstelle beim britischen Direktinvestitionsbestand

    12

    11

    Britischer Direktinvestitionsbestand in Irland (in Mio. Euro)

    74.046

    41.060

    Rangstelle beim irischen Direktinvestitionsbestand

    3

    4

    Irische Unternehmen in Vereinigten Königreich (Anzahl)

    621

    908 (2018)

    Britische Unternehmen in Irland (Anzahl)

    2.275

    3.259 (2018)

    Quelle: Eurostat 2021

    Von Marc Lehnfeld | Dublin

  • Niederländischer Handel geht wegen Brexit 2021 deutlich zurück

    Der Brexit könnte die niederländische Wertschöpfung laut öffentlichem Analyseinstitut CPB in den nächsten drei bis sechs Jahren um jährlich 0,4 Prozent schmälern.

    Vor allem der niederländische Export in das Vereinigte Königreich ist aufgrund des britischen Austritts aus der Europäischen Union (EU) betroffen. Die Ausfuhren auf die britische Insel sollen mittelfristig um 1,4 Prozent geringer ausfallen.

    Für niederländische Unternehmen ergibt sich aus dem Brexit aber die Chance, neue Marktanteile in anderen EU-Ländern zu generieren. Da auch britische Exporte in andere EU-Länder zurückgehen, könnten niederländische Firmen Anbieter aus dem Vereinigten Königreich ersetzen. Höhere Absätze im EU-Binnenmarkt dürften die geringeren britischen Abnahmen um bis zu 44 Prozent kompensieren, hat CPB im Frühjahr 2021 geschätzt.

    Niederländischer Logistiksektor zeigt sich gut vorbereitet

    Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus dem EU-Binnenmarkt und die damit verbundenen Grenzkontrollen seit Beginn des Jahres haben in den niederländischen Häfen zu keinen größeren logistischen Verwerfungen geführt. Dies liegt an der guten Vorbereitung und Zusammenarbeit vieler Akteure.

    Unter anderem haben sich die großen Häfen und Reedereien, weitere Logistikunternehmen, der Branchenverband TLN (Transport en Logistiek Nederland), der Zoll, weitere öffentliche Institutionen und die Datenaustauschplattform Portbase zusammengeschlossen und die gemeinsame Homepage Get Ready for Brexit eingerichtet, die laufend aktualisiert wird. Die Internetseite ist auch auf Deutsch verfügbar.

    Häfen sind Transitdrehscheibe für britische Produkte

    Der niederländische Logistiksektor leidet unter dem abnehmenden britischen Außenhandel mit anderen EU-Ländern. Der Hafen Rotterdam, das benachbarte RoRo-Terminal in Hoek van Holland, sowie die Häfen in Amsterdam und in Zeeland sind für den britischen Handel mit dem Kontinent von zentraler Bedeutung. Daher sichert nicht nur der Direkthandel mit dem Vereinigten Königreich viele niederländische Arbeitsplätze. Auch der Transit mit britischen Waren hat in den Niederlanden große wirtschaftliche Bedeutung.

    So haben Reexporte aus anderen Ländern 2019 fast die Hälfte (48,4 Prozent) der gesamten niederländischen Warenausfuhr ins Vereinigte Königreich ausgemacht. Nur 51,6 Prozent aller Güterausfuhren auf den britischen Markt stammten 2019 auch aus niederländischer Erzeugung. Von der niederländischen Einfuhr aus dem Vereinigten Königreich waren 2019 ebenfalls 34,7 Prozent für den Weitertransport in andere Länder und nur 65,3 Prozent für den eigenen Binnenmarkt bestimmt.

    Warenaußenhandel sinkt seit 2019

    Der britisch-niederländische Güteraustausch ist seit dem Brexit-Referendum 2016 bis 2018 zunächst noch gewachsen, danach aber zurückgegangen. Der Grund ist, dass sich die Unternehmen schon vor dem offiziellen EU-Austritt nach Beschaffungsalternativen umgeschaut haben, weil die künftigen Handelsregelungen bis Ende 2020 unklar waren. Hinzu kam 2020 die Coronakrise.

    Insgesamt war der bilaterale Außenhandel 2020 nominal um 8,9 Prozent geringer als 2016. Dabei ist der niederländische Export ins Vereinigte Königreich um 9,6 Prozent und damit noch stärker als der Import von dort (-7,5 Prozent) eingebrochen. Insgesamt war der niederländische Außenhandel 2020 trotz der Coronabeeinträchtigungen um 14,8 Prozent höher als 2016.

    Der Abwärtstrend hat sich noch verstärkt, seit Großbritannien den EU-Binnenmarkt am 1. Januar 2021 offiziell verlassen hat. In den ersten sechs Monaten war der niederländisch-britische Warenaustausch um 9 Prozent niedriger als im 1. Halbjahr 2020. Im Vergleich zum 1. Halbjahr 2019 lag der Einbruch sogar bei 27,9 Prozent. Wie schon im Gesamtjahr 2020 war der Einbruch bei den niederländischen Ausfuhren im 1. Halbjahr 2021 gegenüber demselben Vorjahreszeitraum (-12 Prozent) deutlich höher als bei der Einfuhr (-3,2 Prozent).

    Niederländischer Warenexport ins Vereinigte Königreich (in Milliarden Euro, Veränderung in Prozent)

    Segment (SITC-Position)

    1. Halbjahr 2021

    1. Halbjahr 2021/1. Halbjahr 2020

    1. Halbjahr 2021/1. Halbjahr 2019

    Insgesamt, darunter

    18,8

    -12,0

    -28,0

      Nahrungsmittel/lebende Tiere (0)

    2,4

    -13,2

    -18,4

      Erdöl (33)

    0,9

    27,9

    -43,8

      Chemische Erzeugnisse (5)

    3,2

    -38,5

    -45,8

      Maschinen (71-74)

    1,5

    41,2

    -3,9

      Straßenfahrzeuge (78)

    0,6

    -53,0

    -66,1

      Fertigerzeugnisse

    2,6

    2,0

    -12,9

    Quelle: Eurostat 2021

    Niederländischer Warenimport aus dem Vereinigten Königreich (in Milliarden Euro, Veränderung in Prozent)

    Segment (SITC-Position)

    1. Halbjahr 2021

    1. Halbjahr 2021/1. Halbjahr 2020

    1. Halbjahr 2021/1. Halbjahr 2019

    Insgesamt, darunter

    10,5

    -2,6

    -27,4

      Nahrungsmittel/lebende Tiere (0)

    0,6

    -23,6

    -29,4

      Erdöl (33)

    3,0

    4,4

    -40,4

      Chemische Erzeugnisse (5)

    2,1

    2,3

    -7,4

      Maschinen (71-74)

    0,8

    10,9

    -17,5

      Straßenfahrzeuge (78)

    0,3

    -48,4

    -77,3

      Fertigerzeugnisse

    1,0

    -8,2

    -20,1

    Quelle: Eurostat 2021

    Vereinigtes Königreich ist viertgrößter Handelspartner

    Trotz der jüngsten Rückgänge bleibt der britische Markt für die niederländischen Unternehmen von strategischer Bedeutung. Im Jahr 2020 haben die Niederlande 6,1 Prozent ihres Warenaußenhandels mit dem Vereinigten Königreich abgewickelt. Bedeutender waren nur Deutschland (19,1 Prozent), die Volksrepublik China (9,6 Prozent) und Belgien (9,3 Prozent).

    Niederländischer Warenexport nach Handelspartnern (Anteil in Prozent)

    Land

    2020

    2016

    Deutschland

    23,4

    24,2

    Belgien

    10,3

    10,8

    Frankreich

    8,6

    8,8

    Vereinigtes Königreich

    7,6

    9,6

    USA

    4,5

    3,6

    Sonstige

    45,6

    43,0

    Quelle: Eurostat 2021

    Niederländischer Warenimport nach Handelspartnern (Anteil in Prozent)

    Land

    2020

    2016

    China

    17,5

    15,8

    Deutschland

    15,1

    15,3

    Belgien

    8,0

    8,4

    USA

    7,6

    7,6

    Vereinigtes Königreich

    4,3

    5,3

    Sonstige

    47,5

    47,6

    Quelle: Eurostat 2021

    Dienstleistungshandel ist Anfang 2021 eingebrochen

    Der niederländisch-britische Austausch von Dienstleistungen hat sich in der Übergangszeit zwischen dem Brexit-Referendum 2016 und dem Austritt aus dem EU-Binnenmarkt Ende 2020 zunächst weiter dynamisch entwickelt. So war der Handel 2020 um ein Drittel (32,6 Prozent) höher als 2016.

    Allerdings ist es im 1. Quartal 2021 zu einem starken Einbruch gekommen. Von Januar bis März 2021 waren die niederländischen Dienstleistungsimporte aus dem Vereinigten Königreich um 10,5 Prozent und die Exporte dorthin sogar um 16,2 Prozent niedriger als in den ersten drei Monaten 2020. Dieser Rückgang ist allerdings nicht nur reinen Brexiteffekten, sondern teilweise auch der Coronakrise geschuldet. Diese hatte sich im 1. Quartal 2020 statistisch noch kaum niedergeschlagen.

    Niederländischer Dienstleistungsaußenhandel mit dem Vereinigten Königreich (in Milliarden Euro)

    2017

    2018

    2019

    2020

    Import

    19,4

    21,6

    27,9

    24,9

    Export

    23,5

    24,6

    28,4

    25,9

    Summe

    42,9

    46,2

    56,3

    50,8

    Saldo

    4,1

    3,0

    0,5

    1,0

    Quelle: CBS 2021

    Amsterdam ist attraktive Standortalternative zu London

    Die traditionell enge wirtschaftliche Verflechtung zeigt sich auch daran, dass niederländische Direktinvestitionen im Vereinigten Königreich 2019 den zweiten Rang unter allen Ländern belegt haben. Umgekehrt war der britische Bestand an Direktinvestitionen in den Niederlanden 2019 der dritthöchste weltweit. Allerdings haben sich die Bestände insgesamt seit dem Brexit-Referendum 2016 verringert.

    Die Niederlande und insbesondere Amsterdam könnten vom Brexit profitieren, da britische Finanz- und andere Dienstleister eine Präsenz in der EU suchen. Die niederländische Hauptstadt gilt dabei neben Frankfurt, Paris, Dublin und Luxemburg als attraktivste Alternative.

    Investitionsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich

    Indikator

    2016

    2019

    Niederländischer Direktinvestitionsbestand im Vereinigten Königreich (in Mio. Euro)

    247.725

    168.493

    Rangstelle beim britischen Direktinvestitionsbestand

    2

    2

    Britischer Direktinvestitionsbestand in den Niederlanden (in Mio. Euro)

    418.098

    356.456

    Rangstelle beim niederländischen Direktinvestitionsbestand

    4

    3

    Niederländische Unternehmen in Vereinigten Königreich (Anzahl)

    594

    597

    Britische Unternehmen in den Niederlanden (Anzahl)

    1.996

    1.897 (2018)

    Quelle: Eurostat 2021; Companies House 2021

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Spanische Großunternehmen waren früh auf den Brexit vorbereitet

    Spanische Unternehmen nutzten die Zeit unter anderem für Käufe britischer Partner. In Spanien überwiegt die Erwartung, dass die Schwierigkeiten nach dem Brexit vorübergehen werden.

    Spanische Unternehmen haben die Zeit seit dem britischen Austrittsreferendum im Juni 2016 genutzt, um sich auf das Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union vorzubereiten. Vor allem größere Unternehmen stellten die Weichen durch die Übernahme von Partnern im Vereinigten Königreich, die verstärkte Kooperation mit britischen Akteuren oder die Verlegung von Unternehmenssitzen.

    Nach dem erfolgten Brexit zeichnet sich ab, dass vor allem kleinere Unternehmen mit neuer Bürokratie zu kämpfen haben. Insgesamt wird die jetzige Phase als vorübergehende Umstellungsphase betrachtet, bis alle Regeln festgelegt und implementiert sind. Entsprechend dürfte das Vereinigte Königreich weiterhin ein wichtiger Wirtschaftspartner Spaniens bleiben.

    Lebensmittelindustrie spürt Brexit-Auswirkungen

    In den ersten Wochen nach dem Brexit registrierte die Wirtschaftszeitung Cinco Días gleich mehrere Problemfelder. Verzögerungen in der Abfertigung betrafen besonders verderbliche Agrarprodukte und Lebensmittel. Wegen der üblichen knappen Lieferfristen traten auch Schwierigkeiten bei Kfz-Teilen auf. Manche kleinen spanischen Unternehmen zahlten lieber vermeidbare Zölle, als immer wieder aufwendige Ursprungsnachweise zu erbringen. Die Auswirkungen auf den Lebensmittel- und Getränkesektor hielten länger an. Die britische Food & Drink Federation registrierte 11,8 Prozent weniger Importe aus Spanien im 1. Halbjahr 2021. 

    Dabei hatte sich der spanisch-britische Außenhandel bis einschließlich 2019 positiv entwickelt. Danach mischten sich die Folgen der Coronapandemie und wachsende Unsicherheiten über den Brexit und dämpften die Entwicklung. Spanien lieferte 2019 vor allem Fahrzeuge, Transportmittel sowie Nahrungsmittel und Getränke ins Vereinigte Königreich. Die wichtigsten Importgüter Spaniens waren chemische Erzeugnisse, Fahrzeuge und Ausrüstungsgüter.

    Spanische Konzessionäre im Vereinigten Königreich rechnen damit, dass ihr Geschäft schwieriger werden könnte. Sie befürchten Protektionismustendenzen bei neuen Ausschreibungen. Cinco Días brachte im Mai 2021 das Beispiel der geplanten Heathrow Southern Railway vom Flughafen in den Süden Londons. Spanische Branchenvertreter rechnen damit, besonderes Augenmerk auf die Lieferketten und die Logistik legen zu müssen. Zudem gehen sie davon aus, mit höheren Local-Content-Anforderungen konfrontiert zu werden.

    Investitionsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich

    Indikator

    2016

    2019

    Spanischer Direktinvestitionsbestand im Vereinigten Königreich (in Mio. Euro)

    35.361

    63.333

    Rangstelle beim britischen Direktinvestitionsbestand

    9

    9

    Britischer Direktinvestitionsbestand in Spanien (in Mio. Euro)

    65.711

    77.546

    Rangstelle beim spanischen Direktinvestitionsbestand

    3

    3

    Spanische Unternehmen in Vereinigten Königreich (Anzahl)

    427

    793 (2018)

    Britische Unternehmen in Spanien (Anzahl)

    1.249

    1.410 (2018)

    Quelle: Eurostat 2021

    Eine Reihe großer spanischer Unternehmen kaufte vor dem Brexit britische Partner auf. Die gesamten spanischen Investitionen im Vereinigten Königreich belaufen sich auf 78 Milliarden Euro. Laut der Wirtschaftszeitung Expansión wurde die Last-Minute-Einigung Ende 2020 mit großer Erleichterung aufgenommen. Entsprechend äußerten sich unter anderem Vertreter des Energiekonzerns Iberdrola, der Bank Santander, des Infrastrukturkonzerns Ferrovial und des Telekommunikationsunternehmens Cellnex.

    Spanien profitierte in der Zeit nach dem Brexit-Referendum von einem massiven Anstieg der Investitionen aus dem Vereinigten Königreich. Im Jahr 2018 entfielen alleine 6,5 Milliarden Euro auf größere Transaktionen. Die Gelder flossen unter anderem in den Energie- und Immobiliensektor sowie die Papier- und Keramikindustrie.

    Kleine spanische Unternehmen auf der Insel mit teils großen Schwierigkeiten

    Laut der Tageszeitung El Mundo zieht der Schinkenhändler Jamonería Enrique Tomás vom Londoner Flughafen Luton nach Frankreich. Der Grund liegt in den neuen bürokratischen Anforderungen. Vorher habe man Schinken einfach auf einen Lkw laden und ins Vereinigte Königreich fahren können. Nun sorgen Kontrollen und Formalitäten für Verzögerungen. Da das Unternehmen seine Mitarbeiter in Spanien ausbildet, leidet es auch darunter, dass der Wechsel zwischen den Ländern nicht mehr so einfach ist wie zuvor.

    Das spanische Restaurant Barrafina in London verwendet üblicherweise 50 bis 60 Prozent spanische Zutaten. Diese haben sich mittlerweile stark verteuert. Alternativen auf der britischen Insel sind ebenfalls knapp und kostspielig. Geringere Margen, Bürokratie und eine schlechte Vorhersagbarkeit belasten das Restaurant. Zunächst seien die Probleme überschaubar gewesen, verschärften sich jedoch zunehmend. Von den benötigten Zutaten fehle immer wieder etwas anderes.

    Vielfältige Brexit-Konsequenzen in Spanien

    Die spanische Tourismusbranche hofft, dass nach der Coronakrise wieder mehr als die 3,2 Millionen britischen Gäste des Jahres 2020 kommen werden. Ein Unsicherheitsfaktor ist die Kursentwicklung des britischen Pfundes gegenüber dem Euro. Bei einem ungünstigen Verlauf könnte Spanien gegenüber kostengünstigeren Destinationen an Boden verlieren.

    Cinco Días berichtet, dass durch die Kombination aus der Coronapandemie und dem Brexit Briten viel weniger Immobilien in Spanien kaufen als früher. Auf sie entfielen im 2. Quartal 2021 noch 9,5 Prozent der Transaktionen. Gegenüber dem Spitzenwert im 4. Quartal 2015 brach ihr Anteil an den Gesamtkäufen um 60 Prozent ein. Der Tageszeitung El País zufolge sorgt außerdem ein Dekret von 1978 für Verzögerungen. In 1.560 Gemeinden in "strategischen Zonen" benötigen britische Käufer nach dem Brexit eine Genehmigung des spanischen Verteidigungsministeriums.

    Für Unruhe sorgt auch, dass tausende Finanzierungsverträge spanischer Unternehmen nach britischem Recht geschlossen wurden. Nach dem Brexit muss die spanische Justiz Urteile von der Insel nicht mehr automatisch anerkennen. Entsprechend werden die ersten Präzedenzfälle mit Spannung erwartet.

    Einen Sonderfall stellt das britische Überseegebiet Gibraltar dar. Es ist britisch und proeuropäisch geprägt. Dort stimmten 96 Prozent der Referendumsteilnehmer gegen den Brexit. Gibraltar ist unter anderem durch 10.000 spanische Grenzpendler eng mit Spanien verflochten. Noch laufen Verhandlungen über den künftigen Status. Damit sind auch viele praktische Fragen zur Gesundheitsversorgung, der Geltung von Führerscheinen und der Anerkennung von Titeln verbunden. 

    Von Oliver Idem | Madrid

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