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Special Frankreich Wege aus der Coronakrise

Konjunktur und wichtigste Branchen

Die Infektionszahlen steigen wieder kräftig an. Gleichzeitig hat die französische Wirtschaft im 3. Quartal 2021 wieder den Vorkrisenstand erreicht. (Stand: 26. November 2021)

Von Peter Buerstedde | Paris

Der Schul- und Arbeitsbeginn für breite Bevölkerungsschichten Anfang September 2021 hatte zunächst nicht zu einem Wiederaufflammen der Infektionen geführt. Aber nach acht Wochen des Rückgangs ist die Inzidenz je 100.000 Einwohner seit Mitte Oktober erst langsam und seit Mitte November wieder kräftiger angestiegen. In den Krankenhäusern steigt die Belegung mit Covid-19-Patienten von einem niedrigen Niveau deutlich an, ebenso wie die Todeszahlen. Durch Booster-Impfungen für alle, eine striktere Maskenpflicht und mehr Druck auf Ungeimpfte, hofft die Regierung aber härtere Maßnahmen vermeiden zu können.

Angesichts steigender Inzidenzzahlen können ab dem 27. November alle Personen ab 18 Jahren eine Booster-Impfung erhalten. Mit 51,6 Millionen Menschen waren am 23. November rund 76 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft, davon 89 Prozent in der Gruppe ab 75 Jahren und 92 Prozent aus dem Personenkreis ab 65 Jahren. Seit Anfang September haben etwa 36 Prozent der über 64-Jährigen eine dritte Zusatzdosis erhalten und 9 Prozent der Gesamtbevölkerung.

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Bereits seit dem 21. Juli 2021 muss beim Besuch von Kultureinrichtungen und Messeveranstaltungen ein Impfnachweis (Pass sanitaire) vorgezeigt werden. Diese Pflicht ist am 9. August auf die Gastronomie, größere Einkaufszentren, Krankenhäuser, Alters- und Pflegeheime sowie auf den Fernverkehr ausgeweitet worden. In der Praxis wird der Coronapass allerdings nicht immer kontrolliert und auch das Maskentragen erfolgt uneinheitlich. Seit dem 26. November soll wieder eine strikte Maskenpflicht in geschlossenen öffentlich zugänglichen Einrichtungen gelten.

Druck steigt für Impfung

Die Ausweitung des Coronapasses hatte der Impfkampagne einen deutlichen Schub verliehen. Die Impfquote ist deutlich höher als in Deutschland. Seit dem 15. Oktober 2021 übernimmt der Staat nur noch die Kosten für Coronatests für Geimpfte und Menschen mit Symptomen. Dadurch werden sehr viel weniger Tests durchgeführt. Ab dem 29. November sind Tests für den Coronapass nur noch 24 Stunden gültig und nicht wie bisher 48 Stunden. Personen über 65 Jahren müssen sieben Monate nach Infektion oder letzter Impfung eine Booster-Impfung erhalten haben, sonst wird ab 15. Dezember ihr Coronapass ungültig. Gleiches gilt für Personen ab 18 Jahren ab dem 15. Januar 2022.

Wirtschaft hat Vorkrisenniveau wieder erreicht

Die Pflicht zum Vorweisen eines Coronapasses hat die wirtschaftliche Erholung kaum gebremst und der Aufschwung verläuft schneller als erwartet. Laut Statistikamt Insee hat die französische Wirtschaft bereits im 3. Quartal 2021 wieder das Vorkrisenniveau des 4. Quartals 2019 erreicht und damit schneller als Deutschland und andere große europäische Volkswirtschaften. Die Regierung erwartet für 2021 ein Wachstum von 6,5 Prozent. Insee und die Zentralbank (Banque de France) gehen indes von einem Plus nahe 7 Prozent aus.

Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts in ausgewählten Ländern der Europäischen Union (reale Veränderung in Prozent)

Land

2020

2021*)

2022*)

Niederlande

-3,8

4,0

3,3

Deutschland

-4,6

2,7

4,6

Frankreich

-7,9

6,5

3,8

Italien

-8,9

6,2

4,3

Spanien

-10,8

4,6

5,5

Europäische Union

-6,0

5,0

4,3

*) Herbstprognose der Europäischen Kommission (11.11.2021)Quelle: Europäische Kommission 2021

Die Krisenhilfen der Regierung werden weiter schrittweise zurückgenommen. Die meisten Experten schließen eine Pleitewelle angesichts des kräftigen Aufschwungs inzwischen aus. Ein Anzeichen für die Normalisierung der Konjunkturlage ist die wachsende Zahl an Unternehmen, die Rekrutierungsprobleme beklagen. Im 1. Quartal 2021 war die Arbeitslosenquote wieder auf Vorkrisenniveau gesunken. Allerdings könnten Lieferengpässe, die vor allem in der Kfz-Industrie die Produktion bremsen, länger anhalten als zunächst erwartet.

Auswirkungen auf Branchen höchst unterschiedlich

Mit der fortschreitenden wirtschaftlichen Erholung schließt sich die Kluft zwischen den direkt betroffenen Branchen und dem Rest der Wirtschaft immer weiter. Direkt von administrativen Einschränkungen betroffen sind durch die Verpflichtung zum Vorweisen eines Impf-/Testpasses und wegen geringer Touristenzahlen etwa 5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Dazu zählen Gaststätten und Teile der Hotellerie, des Handels sowie des Personentransports. Hier ist der Abstand zum Vorkrisenniveau aber inzwischen stark geschrumpft.

Indirekt betroffen sind mit etwa 2,5 Prozent der Wirtschaftsleistung unter anderem die Automobilindustrie und der Flugzeugbau, die auch stark von Lieferengpässen betroffen sind. Die Mehrzahl der restlichen Sektoren hat sich seit der Aufhebung des ersten Lockdowns kräftig erholt. Die Umsätze in Bereichen wie Bau, Chemie und Lebensmittelindustrie liegen wieder nah an den Vorkrisenergebnissen.

Produktion und Absatz von Kfz fallen zurück

In der Industrie verläuft die Erholung auch aufgrund der Lieferengpässe unterschiedlich. Die Kfz-Produktion ist zwischen 2019 und 2020 von 2,3 Millionen auf 1,4 Millionen Pkw und Nfz zurückgefallen. Mit neuen Modellansiedlungen dürfte sich die Fertigung erst langsam erholen und frühestens 2024 wieder 2 Millionen Stück erreichen. Trotz einer Anhebung der Kauf- und Abwrackprämien ist der Kfz-Absatz 2020 um 25,5 Prozent eingebrochen.

Die Erholung wird 2021 durch Lieferengpässe bei Halbleitern und eine starke Kaufzurückhaltung gebremst. So lagen die Verkäufe (Pkw und leichte Nfz) im Zeitraum Januar bis Oktober 2021 zwar 4,8 Prozent über dem Vorjahreszeitraum, waren aber um 21,9 Prozent niedriger als in derselben Periode 2019.

Chemiesektor mit kräftiger Erholung 

Die Chemieindustrie hat sich seit dem Jahreswechsel auch durch steigende Ölpreise stark erholt. Ihre Auslastung liegt in den meisten Segmenten deutlich über dem Durchschnitt des Jahres 2019.

Im Wohnungsbau geht es wieder aufwärts

Die Baustellen standen während des ersten Lockdowns weitgehend still. Im 1. Quartal 2021 konnte der Tiefbau jedoch den Arbeitsrhythmus von vor der Krise wieder erreichen. Auch der Wohnungsbau hat sich im 2. Quartal 2021 erholt. Die Zahl der fertiggestellten und genehmigten Wohnungen lag in den ersten sieben Monaten 2021 wieder leicht über dem Niveau desselben Zeitraums 2019. Das Bauhandwerk erlebt durch staatliche Hilfen für energetische Sanierungsmaßnahmen einen Boom, der aber durch Engpässe bei Baumaterial gebremst wird. 

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