Viele Branchen haben sich kräftig erholt. Aber in kaum einem Sektor ist bereits eine Rückkehr zum Vorkrisenniveau in Sicht. (Stand: 20. Januar 2021)
Nach der Aufhebung des Lockdowns ab Mitte Mai 2020 hatte sich die französische Wirtschaft deutlich erholt. Eine zweite Ausgangssperre ab Ende Oktober, die seit Mitte Januar von 18:00 Uhr bis 6:00 Uhr gilt, hat die Wirtschaft bisher weit weniger stark getroffen. Restaurants und Bars sowie Kultur- und Sporteinrichtungen bleiben weiter geschlossen, aber seit Ende November hat der gesamte Einzelhandel wieder geöffnet.
Auswirkungen auf einzelne Branchen
Bei den Auswirkungen der Coronakrise auf verschiedene Wirtschaftsbereiche ergeben sich drei Gruppen:
1. Direkt von administrativen Einschränkungen betroffene Sektoren: vor allem Gastronomie, Veranstaltungswesen, Kultur- und Sporteinrichtungen, Hotellerie, Teile des Personenverkehrs (etwa 5% des BIP) 2. Sektoren, die sich nur leicht erholt haben und weit unter Vorkrisenniveau liegen: Automobilindustrie, Flugzeugbau, Raffinerien (etwa 3%) 3. Sektoren, die sich kräftig erholt haben, aber weiter unter dem Vorkrisenniveau liegen: restliche Sektoren (etwa 92%) |
Bei den Auswirkungen auf einzelne Branchen ergibt sich eine Dreiteilung. Direkt betroffen von administrativen Einschränkungen sind mit Gaststätten und Teilen der Hotellerie und des Personentransports etwa 5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Hier ist der Abstand zum Vorkrisenniveau am stärksten und eine Erholung am engsten mit dem Fortgang der Pandemie und der Impfkampagne verknüpft. Ein Teil der Wirtschaft, zu dem vor allem die Automobilindustrie, der Flugzeugbau und Raffinerien gehören, sind indirekt stark betroffen und hier hinkt die Wirtschaftsleistung dem Vorkrisenniveau ebenfalls noch stark hinterher. Unter den restlichen Branchen hat sich die Mehrzahl seit der Aufhebung des ersten Lockdowns kräftig erholt. Aber auch hier dürfte das Vorkrisenniveau erst mittelfristig wieder erreicht werden.
Wirtschaftsleistung nach Branchen in Frankreich (Abstand zum Vorkrisenniveau in Prozent)
Branche | 3. Quartal 2020 | 4. Quartal 20201 | 1. Quartal 20212 | 2. Quartal 20212 |
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Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | -1,6 | -2 | -1 | -1 |
Industrie | -6,6 | -7 | -4 | -3 |
Nahrungsmittel und Getränke | -1,6 | -4 | -2 | -2 |
Raffinerien und Koks | -29,0 | -12 | -2 | 0 |
Maschinenbau und Fabrikation von elektrischen Geräten | -5,6 | -6 | -3 | -3 |
Transportmittel (Kfz, Luftfahrt, Bahnbau) | -20,7 | -19 | -13 | -10 |
Bauwirtschaft | -5,5 | -5 | -4 | -4 |
Handel und Dienstleistungen | -4,6 | -10 | -6 | -4 |
Einzelhandel und Reparaturwerkstätten | -3,3 | -6 | -4 | -3 |
Transport und Lagerhaltung | -10,5 | -23 | -13 | -11 |
Hotels und Gaststätten | -13,1 | -49 | -40 | -16 |
Telekommunikation und IT | -4,3 | -3 | -3 | -2 |
Banken und Versicherungen | -1,4 | -4 | -3 | -2 |
Öffentliche Verwaltung, Gesundheit, Bildung | -5,1 | -9 | -5 | -4 |
Gesamt | -3,7 | -8 | -5 | -3 |
1) Geschätzter Abstand der Wirtschaftsleistung gegenüber dem 4. Quartal 2019; 2) Prognose vom 15. Dezember 2020Quelle: Statistikamt Insee 2020
Produktion und Absatz von Kfz brechen ein
In der Industrie verläuft die Erholung unterschiedlich. Die Automobilindustrie hatte die Produktion während des ersten Lockdowns Mitte März 2020 einige Wochen lang gestoppt. Gleichzeitig hatten die Hersteller die Produktion einiger Modelle an Auslandsstandorte verlegt. Letztere dürfte 2020 um etwa 40 Prozent unter 1,3 Millionen Fahrzeuge (Pkw und leichte Nfz) gefallen sein (gegenüber 2,2 Millionen 2019). Die Produktion wird sich mit neuen Modellansiedlungen erst langsam erholen und dürfte erst 2024 wieder 2 Millionen erreichen.
Die Regierung hatte mit zusätzlichen Kauf- und Verschrottungsprämien geholfen, die in der Krise aufgelaufenen Lagerbestände abzuschmelzen. Trotzdem ist der Absatz 2020 um 25,5 Prozent eingebrochen. Hier soll die Erholung 2021 etwas schneller verlaufen, mit Wachstumsprognosen von 10 bis 20 Prozent. Die Verkäufe von Elektroautos haben sich 2020 gegenüber 2019 verdreifacht und 11,2 Prozent Marktanteil erreicht. Der Druck auf die Hersteller steigt weiter, mehr Elektrofahrzeuge zu verkaufen, während PSA (jetzt gemeinsam mit FCA) und Renault auch intern Strategiewechsel verfolgen.
Airbus als Herzstück der französischen Luftfahrtindustrie hat Anfang Oktober die Entscheidung zu Beginn der Krise, die Produktion auf 60 Prozent zu drosseln, bekräftigt. Die Auslieferungen lagen zum Jahresende etwas höher als zunächst erwartet. In der zweiten Jahreshälfte 2021 will das Unternehmen die Produktion wieder schrittweise erhöhen.
Die französische Regierung gibt Impulse mit vorgezogenen Rüstungsordern und einem Hilfsfonds für notleidende Zulieferer. Die Industrie soll bis 2030 ein Wasserstoffflugzeug entwickeln und Air France im Gegenzug für einen staatlich garantierten Kredit die Flotte erneuern. Diese Maßnahmen dürften allerdings erst in ein paar Jahren greifen.
Die Chemieindustrie leidet noch unter der schwachen Entwicklung in der Kfz- und Luftfahrtindustrie. Die Lage ist aber durchmischt. So übersteigt die Auslastung bei Primärkunststoffen sowie Seifen und Reinigungsmitteln, die in der Krise besonders gefragt waren, Ende 2021 das Vorkrisenniveau. Bei Farben und Lacken ist die Lücke gering. Ein größerer Abstand besteht noch in der Basischemie und bei Parfums. Die Auslandsaufträge, die in der Krise eingebrochen waren, haben sich seit September 2020 wieder deutlich erholt.
Sanierungsmaßnahmen treiben Hochbau an
Der Bausektor hatte während des ersten Lockdowns die Baustellen weitgehend geschlossen. Seitdem hat er jedoch den Arbeitsrhythmus von vor der Krise wieder erreicht. Der Tiefbau hat sich schneller erholt, weil er schon vor der Krise mit dem Metroausbau im Großraum Paris alle Hände voll zu tun hatte. Zudem waren die vornehmlich staatlichen Auftraggeber bereit, Mehrkosten durch Arbeitsschutzmaßnahmen zumindest teilweise zu übernehmen. Der Hochbau, der stärker für private Bauherren tätig ist, hat es schwerer. Weil 2020 weniger Genehmigungen erteilt wurden, werden weniger neue Wohnungen gebaut. Trotz kräftiger Zuwächse bei energetischen Sanierungsmaßnahmen erwartet der Verband FFB 2020 einen Einbruch von 14,8 Prozent. Im Jahr 2021 erwartet er ein Plus von 11 Prozent.
Völlig ungewiss ist die Lage in der Gastronomie, die weiter geschlossen ist, und in der Hotellerie, die unter dem Einbruch des in- und ausländischen Tourismus leidet. Nach Schätzungen des Marktforschungsunternehmen Food Service Vision sind die Umsätze in der Gastronomie 2020 um rund 22 Milliarden Euro oder 35 Prozent zurückgegangen. Bei einer schnellen Impfkampagne und einem Aufschwung des Sektors ab dem ersten Quartal erwartet das Unternehmen 2021 ein Plus von 21 Prozent.
Weil der einheimische Tourismus einen Teil des Rückgangs im Sommer auffangen konnte, ging der Erlös pro Zimmerkapazität in der Hotellerie 2020 weniger stark zurück als in anderen europäischen Ländern. Nach den Marktforschern von MKG hatte der Sektor in Frankreich ein Minus von 61,3 Prozent zu beklagen gegenüber 63,8 Prozent in Deutschland, 76,7 Prozent in Italien oder 75,2 Prozent in Spanien. Vor allem Hotels, die nicht Teil von Ketten sind, gelten Anfang 2021 als konkursgefährdet. Einige Ketten haben Sozialpläne angekündigt. Daher erwarten Unternehmer 2021 Übernahmen und Konsolidierungen im Sektor.
E-Commerce weitet sich aus
Der Onlinehandel hat 2020 auch in Frankreich stark zugelegt. So stiegen die Onlineverkäufe von Spielzeug um 27 Prozent gegenüber 2019, während der Gesamtmarkt um 1,5 Prozent zurückging. Noch stärker ist das Wachstum bei Lebensmitteln. Die großen Einzelhandelsketten haben den Onlineverkauf 2020 um 46,5 Prozent gesteigert. Dabei entfielen 92 Prozent auf das in Frankreich beliebte Drive-In-Format (Online-Bestellung und Abholung im Hypermarkt).
Von Peter Buerstedde
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Paris