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Das griechische Gesundheitswesen ist nicht für die Coronapandemie gewappnet. Der private Sektor investiert in den Ausbau der Intensivstationen.
08.05.2020
Von Michaela Balis | Athen
Das griechische Gesundheitswesen ist nach der zehnjährigen Wirtschafts- und Finanzkrise in einem desolaten Zustand. Allein schon deshalb sah sich die griechische Regierung gezwungen, schnell im Kampf gegen das Coronavirus zu handeln. Kurz nach dem Ausbruch der Pandemie legte sie fast die gesamte Wirtschaft still und verhängte eine Ausgangssperre.
Das griechische Gesundheitsministerium ernannte kurzerhand 13 Krankenhäuser zu Referenzkrankenhäusern für Corona-Patienten. Vier Krankenhäuser wurden zu Corona-Infektionskliniken umgerüstet. Zudem wurden sieben Diagnostikzentren zur Abklärung von Corona-Infektionen bestimmt. Etwa 120 Intensivbetten stehen ausschließlich Viruspatienten zur Verfügung. Griechenland bietet allen Einwohnern eine kostenlose Gesundheitsversorgung.
Die größte Hürde in der Coronakrise ist die geringe Anzahl der Intensivbetten. Mit nur sechs Intensivbetten pro 100.000 Einwohnern schneidet Griechenland schlecht ab. Insgesamt zählt Griechenland 4,2 Krankenhausbetten pro 1.000 Einwohner in 277 öffentlichen und privaten Krankenhäusern, gegenüber fünf Betten im europäischen Durchschnitt. Etwa 65 Prozent der Betten befindet sich in öffentlichen Krankenhäusern (Stand: 2017).
Indikator | 2019 |
---|---|
Bevölkerungsgröße (in Mio.) | 10,5 |
Anteil der Bevölkerung über 65 Jahre (in %) | 21,9 |
Anzahl Ärzte pro 1.000 Einwohner (2017) | 6,1 |
Anzahl Krankenhausbetten pro 1.000 Einwohner (2017) | 4,2 |
Gesundheitsausgaben pro Kopf (Euro; 2018) | 1.349,2 |
Dank großzügiger Schenkungen seitens zahlreicher Unternehmen und gemeinnütziger Stiftungen sollen binnen kürzester Zeit insgesamt 1.000 Intensivbetten bereitstehen. Nicht nur die nötige Ausrüstung für Intensivstationen, auch Beatmungsgeräte und medizintechnische Produkte wurden den Krankenhäusern zur Verfügung gestellt. Die griechische Fluggesellschaft Aegean Airlines rüstete Passagierflugzeuge für Frachttransporte um und flog Schutzmasken aus China ein. Auch diese waren ein Geschenk von Verbänden und Stiftungen.
Einige Betriebe stellten ihre Produktion auf die Herstellung von Schutzmasken und -kleidung um. Unternehmen aus der Kosmetikbranche produzieren Desinfektionsmittel anstelle von Parfums. Deutschland ist das wichtigste Lieferland von Medikamenten und Medizintechnik. Deutsche Tochtergesellschaften und griechische Importeure deutscher Produkte sind aktiv auf dem Markt tätig.
Die griechische Pharmaindustrie sorgt für die ununterbrochene Versorgung mit Medikamenten. Einzelne Unternehmen stellen bereits erprobte Medikamente her, die in griechischen Krankenhäusern bei der Bekämpfung des Virus eingesetzt werden. Einem Interview mit dem Präsidenten des Panhellenischen Verbandes der Pharmaunternehmen (PEF), Theodoros Tryfon, zufolge arbeitet eine griechische Forschergruppe an einem Medikament, das Corona-Infizierte heilen soll.
Der Außenhandel für Medikamente und medizintechnische Produkte unterliegt keinen virusbedingten Begrenzungen, es wird problemlos importiert und exportiert. Für einige Medikamente, die wichtig sind bei der Bekämpfung des Coronavirus und seiner Begleiterscheinungen, gilt ein Verbot der sogenannten Parallelexporte. Das bedeutet, dass importierte Pharmaprodukte anschließend und aufgrund höherer Preise nicht wieder an Kunden im Ausland geliefert werden dürfen.
Lariplast, ein griechisches Unternehmen aus Thessalien, wird bis Ende April 2020 Schutzmasken vor Ort produzieren. Nach dem Erwerb von chinesischen Produktionsmaschinen und einer schnellen bürokratischen Abwicklung sollen dort jeden Monat neun Millionen Masken hergestellt werden.
Intransparenz, Verschwendung, ineffiziente und veraltete Strukturen sowie Schattenwirtschaft charakterisierten jahrzehntelang das griechische Gesundheitssystem. Die Reformen, die mit den Hilfspaketen in Griechenlands Wirtschafts- und Finanzkrise einhergingen, sollten Abhilfe schaffen.
Einige Schritte wurden in die richtige Richtung getätigt, diesen standen allerdings massive Kürzungen der öffentlichen Gesundheitsausgaben gegenüber. Die gesamten Gesundheitsausgaben lagen im Jahr 2018 etwa ein Drittel unter dem Niveau von 2010 bei 14,4 Milliarden Euro, so die Studie "Health Statistics 2019" der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Die gesamten Gesundheitsausgaben pro Kopf fielen auf 1.349,2 Euro, nur 29 Prozent der in Deutschland getätigten Ausgaben, so die OECD.