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Wirtschaftsumfeld
Special Hongkong Coronavirus
Wegen Corona bleiben Einkäufer aus und Messen finden nicht statt. Im Zuge des Handelskonfliktes mit den USA wandert Produktion teilweise aus China ab. (Stand: 7. Dezember 2020)
Von Roland Rohde | Hongkong
Die Sonderverwaltungsregion (SVR) ist eine wichtige Handelsdrehscheibe. Nach Angaben des halbstaatlichen Trade Development Council existierten in Hongkong 2019 rund 100.000 Ex- und Importgesellschaften mit etwa einer halben Million Angestellten. Zudem besitzen Hongkonger Investoren auf dem benachbarten chinesischen Festland, insbesondere in der südlichen Provinz Guangdong, Zehntausende von Fabriken.
Damit war die ehemalige britische Kolonie sowohl direkt als auch indirekt Teil der Lieferkettenproblematik, wie sie sich im Zuge der Coronakrise ergab. Allerdings handelt es sich dabei um Schwierigkeiten, die schon seit Monaten weitgehend behoben sind. China berichtete für den Herbst 2020 von regen Exportauftragseingängen. Allerdings wachsen die Bäume auch nicht in den Himmel. In den Hauptabnehmermärken für chinesische Waren wütet nämlich nach wie vor das Coronavirus.
Aktuell leidet der Sektor darunter, dass internationale Einzelhandelsketten ihre Einkäufer nicht wie sonst üblich nach Hongkong schicken können. Physische Messen finden gar nicht mehr statt, sodass viele Veranstalter auf Online-Formate ausweichen mussten. Das ist jedoch kein vollwertiger Ersatz, denn Stoffe und Materialien müssen befühlt und Waren vor Ort in Augenschein genommen werden. Da aber alle Marktteilnehmer unter den gleichen Einschränkungen leiden, muss man sich vorübergehend mit digitalen Messen begnügen.
Auf die gegenwärtigen Entwicklungen haben Fabrikanten und Handelshäuser der SVR nur einen geringen Einfluss. Doch bei mittelfristigen Trends dürften sie ein Wörtchen mitzureden haben. Bereits seit Jahren – verstärkt durch den Handelskrieg zwischen China und den USA – haben sie Fertigungsschritte aus der Volksrepublik nach Südostasien verlagert. Handelshäuser wie Li & Fung halfen ihren Kunden in den Vereinigten Staaten und in Europa aktiv dabei, die Abhängigkeit von chinesischen Lieferungen zu reduzieren.
Mit jeder neuen Krise wird sowohl Abnehmern als auch Produzenten erneut vor Augen geführt, wie wichtig die Diversifizierung ihres Länderrisikos ist. Firmen werden insbesondere kritische Kernkomponenten künftig nicht mehr nur von einem Lieferanten beziehen. Die Hongkonger South China Morning Post erwartet daher, dass sich der Verlagerungsprozess auch 2020/21 fortsetzen wird, zumal der Handelsstreit zwischen den USA und China mit hoher Wahrscheinlichkeit weiterköcheln dürfte.
Der Großteil der Wahlbeobachter geht davon aus, dass es unter dem künftigen US-Präsidenten Joe Biden keine fundamentalen Änderungen geben wird. Schließlich wird der Konflikt von einer breiten Mehrheit der US-Abgeordneten beider Parteien mitgetragen. Nur an der Oberfläche geht es um Zölle. Im Kern handelt es sich aber um einen Wettstreit um Zukunftstechnologien und Vormachtstellungen. Verbesserungen dürfte es jedoch zumindest bei der Tonalität und Vorhersehbarkeit geben. Auch könnten sich in Einzelfragen pragmatische Lösungen ergeben. Zusätzlichen Rückenwind verspricht man sich in Hongkong vom asiatisch-pazifischen Freihandelsabkommen RCEP.
Allen Verlagerungstendenzen zum Trotz wird China in vielen Branchen auf absehbare Sicht der mit Abstand wichtigste Beschaffungsmarkt bleiben. Dadurch wird auch Hongkong seine Funktion als Handels- und Logistikdrehscheibe beibehalten. Die Mehrheit der Unternehmen hat bisher lediglich Teile ihrer Fertigung verlagert, dem Reich der Mitte aber nicht endgültig den Rücken gekehrt. Dafür sind die dortigen Standortbedingungen zu gut. Sowohl eine breit aufgestellte industrielle Basis als auch eine entsprechende Zulieferstruktur sind vorhanden. Selbst Vietnam, das in den letzten Jahren einen starken Zufluss von Investitionen erlebt hatte, kann da nicht mithalten.
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