Der Investitionsbedarf in der indischen Kreislaufwirtschaft wird bis 2030 auf 65 Milliarden US$ geschätzt. Abfallbehandlungs- und Recycling-Anlagen werden dringend benötigt.
Indien ist noch weit von einer modernen Kreislaufwirtschaft entfernt. Einer Schätzung des Ministry of Housing and Urban Affairs (MoHUA) zufolge werden zwar 60 Prozent des städtischen Abfalls behandelt. Das entspräche einer Verdreifachung gegenüber dem Stand von 2016. Allerdings ist die Entsorgungskette in Indien sehr lang und kleinteilig. Laut MoHUA wird in 94 Prozent der rund 84.500 Stadtbezirke der Müll an der Haustüre eingesammelt und knapp 70 Prozent der Bezirke verfügen über ein Mülltrennsystem. Zwei Drittel der kommunalen Ausgaben im Abfallsektor fließen in die Sammlung und den Transport. Für Müllbehandlung und Recycling sowie die Entsorgung von Sondermüll fehlen aber meist die finanziellen Mittel.
Die Regierung setzt daher auf ein stärkeres Engagement des Privatsektors sowie auf internationale Investoren. In der Abfallwirtschaft gibt es keine Beschränkungen für ausländische Direktinvestitionen sowie ein beschleunigtes Genehmigungsverfahren im Rahmen des Automatic Route- Prozesses. Das MoHUA beziffert den Investitionsbedarf bis 2030 auf insgesamt 65 Milliarden US-Dollar (US$).
Verbot von Einwegplastikprodukten geplant
Insbesondere beim Kunststoffabfall besteht dringender Handlungsbedarf. Auch wenn Indien mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 11 Kilogramm (kg) pro Jahr noch weit hinter den Industrieländern zurückliegt - die Plastikberge wachsen rasant. Bis 2031 soll sich der jährlich anfallende Kunststoffmüll auf 31 Millionen Tonnen (t) mehr als verdreifachen, schätzt das Central Pollution Control Board (CPCB). Etwa 40 Prozent des Plastikmülls werden nicht gesammelt und recycelt schätzt die Federation of Indian Chambers of Commerce & Industry (FICCI). Der Industrieverband beziffert das Geschäftspotenzial allein in diesem Segment auf 2 Milliarden US$ pro Jahr.
Indien setzt beim Plastikmüll allerdings nicht nur auf Recycling, sondern auch auf Vermeidung. Einwegkunststoffprodukte wie Trinkhalme, Plastiktüten und -besteck sind in einigen Städten inzwischen verboten. Auch kleinvolumige PET-Flaschen stehen auf der Liste von Produkten, die aus den Regalen verschwinden sollen. Die Wirtschaft wird über eine erweiterte Herstellerverantwortung (Extended Producer Responsibility, EPR) stärker eingebunden. Ziel ist es, bis 2025 PET zu 100 Prozent und weitere 157 Kunststoffe zu 75 Prozent zu recyceln oder wieder zu verwerten.
Elektronikhersteller für Entsorgung zuständig
In Indien fielen 2016 etwa 2 Millionen t Elektroschrott an, inzwischen dürfte das Volumen bei 5 Millionen t liegen, schätzt ASSOCHAM. Zwar sind die Elektronikhersteller seit Oktober 2017 dazu verpflichtet, eine Rückhol- und Entsorgungsinfrastruktur für Elektroschrott aufzubauen, doch bislang ist wenig passiert. Nach wie vor werden 95 Prozent von Kleinstbetrieben im informellen Sektor unter zum Teil gesundheitsgefährdenden Bedingungen zerlegt und weiterverarbeitet beziehungsweise entsorgt. Im Jahr 2017 gab es in ganz Indien gerade einmal 215 authorisierte Recycling-Betriebe für Elektroschrott. ASSOCHAM beziffert das Geschäftspotenzial für die Behandlung von Elektroschrott auf 3 Milliarden US$ pro Jahr.
Auch beim Kfz-Recycling will Indien Quoten einführen. Bis 2025 dürften 22,5 Millionen Fahrzeuge (Pkw, Nfz, Zwei- und Dreiräder) das Ende ihrer Nutzungsdauer erreichen. Die Regierung will beispielsweise für Fahrzeuge ab Baujahr 2000 eine Recycling-Quote von 90 Prozent einführen. Dazu sollen im ganzen Land Wiederverwertungsstationen eingerichtet werden. Die HDFC Bank schätzt den Markt für Kfz-Recycling auf jährlich 6 Milliarden US$.
Die Hälfte des Sonderabfalls landet auf Deponien
Bei der Behandlung von Sonderabfall hat Indien ebenfalls große Defizite. Nur knapp die Hälfte der 2018 angefallenen 7,5 Millionen t wurden behandelt, der Rest landete auf Deponien. Es gibt zurzeit etwa 1.100 authorisierte Recycler für Sonderabfall in Indien. Viel zu wenig, um das wachsende Müllaufkommen zu bewältigen. Allein das Medizinabfallvolumen soll bis 2022 auf 775 t täglich zulegen - 2018 waren es noch 550 t.
Die Energiegewinnung aus Müllverbrennung ist in Indien ein großes Thema. Landesweit gibt es rund 200 Waste-to-Energy-Anlagen mit einer Kapazität von 330 Megawatt (MW). Zurzeit befinden sich weitere sechs Werke in der Planung.
Unternehmen der Kreislaufwirtschaft in Indien
Unternehmen | Geschäftsfelder | Umsatz (Mio. US$) *) |
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BVG India | Dienstleister für die kommunale Abfallwirtschaft | 271,6 |
SPML Infra | Dienstleister für die kommunale Abfallwirtschaft, Bau von Abfallbehandlungsanlagen | 184,1 |
Ramky Enviro Engineers | Dienstleister für die kommunale Abfallwirtschaft, Recycling, Müllverbrennung | 182,8 |
A2Z Green Waste Management | Behandlung von Festmüll und Sonderabfall | 48,5 |
Antony Waste Handling Cell | Dienstleister für die kommunale Abfallwirtschaft | 39,2 |
IL&FS Environmental Infrastructure and Services | Dienstleister für die kommunale Abfallwirtschaft, Sonderabfall, Elektroschrott | 20,4 |
Jindal ITF Urban Infrastructure | Dienstleister im Bereich Wasser/Abwasser, Abfallbehandlung | k.A. |
3R Management | Dienstleister für die kommunale Abfallwirtschaft | k.A. |
ECO Credible Enviro Solutions | Elektroschrott- und Sondermüllbehandlung | k.A. |
Kankyo Cleantech | Behandlung von Festmüll, Müllverbrennungsanlagen | k.A. |
*) Finanzjahr 2017/18 (1. April bis 31. März)Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2020