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Special Indien Cloud Computing
Indien steht Chinas Digital Silk Road skeptisch gegenüber. Beim geplanten Aufbau des 5G-Mobilfunknetzes bleiben Firmen wie Huawei, ZTE und Co. möglicherweise außen vor.
08.12.2020
Von Boris Alex | New Delhi
Die Rivalität zwischen Indien und China hat sich in den letzten Monaten verschärft. Der seit Jahrzehnten gärende Grenzkonflikt im Hamalayagebirge ist Mitte 2020 erneut eskaliert, und die Coronapandemie belastet das Verhältnis zusätzlich. Indiens Premierminister Narendra Modi will das Land wirtschaftlich und politisch unabhängiger machen, insbesondere von China. Der östliche Nachbar hat seinen Einflussbereich in den letzten zwanzig Jahren kontinuierlich ausgebaut, und die beiden Regionalmächte sind inzwischen nicht nur beim Außenhandel eng miteinander verflochten.
Dies zeigt sich auch bei der Modernisierung der indischen Infrastruktur. Dort sind chinesische Firmen nicht nur im Hafen-, Flughafen und Straßenbau aktiv, sondern zählen auch beim Ausbau der Telekommunikationsnetze und der IT-Infrastruktur zu den größten Ausrüstern und Lösungsanbietern - sehr zum Leidwesen der indischen Regierung.
Im März 2015 hatten beide Länder noch vereinbart, im Rahmen der Information Silk Road Initiative gemeinsame Projekte in den Bereichen Internet, Raumfahrt und künstlicher Intelligenz zu realisieren. Doch seitdem haben sich die Beziehungen verschlechtert, und Indien versucht, den Einfluss Chinas bei der Digitalisierung des Landes einzudämmen und betrachtet die chinesischen Aktivitäten zur digitalen Seidenstraße - so wie zur Belt and Road Initiative (BRI) insgesamt - mit wachsender Skepsis.
Ungeachtet dessen haben nicht nur chinesische Hersteller von Hardware für den IKT-Sektor, sondern auch Technologiefirmen und -Investoren ihre Präsenz auf dem indischen Markt weiter gefestigt. Indien bleibt insbesondere beim Auf- und Ausbau der physischen Infrastruktur auf chinesische Ausrüstung angewiesen. Am geplanten Rollout des Mobilfunknetzes der 5. Generation (5G) wird der Spagat deutlich: Wegen der niedrigen Erlöse pro Mobilfunkkunde wollen die Provider ihre Investitionen in die Netzinfrastruktur so gering wie möglich halten. Gleichzeitig müssen sie die Auflagen der Regierung hinsichtlich der Datensicherheit erfüllen. Hinzu kommt der politische Wille, sich nicht in eine noch größere Abhängigkeit von China zu begeben beispielsweise durch die Übernahme von Standards.
Aktuell schließt Indien den Einsatz von Ausrüstung der chinesischen Hersteller Huawei und ZTE beim Ausbau des Mobilfunknetzes der 4. Generation (4G) und Aufbau des 5G-Netzes nicht kategorisch aus. Im Juni 2020 klang das noch anders: Damals hatte das Department of Telecommunication angekündigt, dass die staatlichen Telekommunikationskonzerne Bharat Sanchar Nigam Limited (BSNL) und Mahanagar Telephone Nigam Limited (MTNL), aber auch private Provider, keine Ausrüstung der beiden chinesischen Konzerne einsetzen dürfen, nicht einmal zu Testzwecken.
Indien sitzt beim Thema 5G zwischen den Stühlen: Auf der einen Seite üben die USA verstärkt Druck auf die Regierung aus, keine chinesische Technologie beim Netzausbau einzusetzen. Auf der anderen Seite kann sich das Land trotz aller Emanzipationsbestrebungen nicht erlauben, seinen größten Handelspartner China zu brüskieren.
Indien strebt deshalb im Rahmen des Quadrilateral Security Dialogue (QUAD) - einem informellen Forum, dem neben Indien die USA, Japan und Australien angehören - eine gemeinsame Strategie zum Thema 5G an. Die Tatsache, dass die übrigen QUAD-Mitglieder Huawei bereits als Lieferanten ausgeschlossen haben, sendet dabei ein klares Signal in Richtung Beijing.
Indien und Japan streben eine engere Kooperation beim 5G-Netzausbau an. Ende November wurden die ersten Projekte vorgestellt und für Dezember 2020 ist die Unterzeichnung einer Absichtserklärung geplant. Der japanische Elektronikkonzern NEC soll ein Glasfaserseekabel zwischen dem indischen Festland und der Lakshadweep-Inselgruppe verlegen. Japanische Tech-Unternehmen wie Rakuten und SoftBank wollen sich bei Telekommunikationsprojekten sowie im Bereich Künstliche Intelligenz engagieren. Neben dem gemeinsamen Aufbau des 5G-Netzes wollen beide Länder zudem bei der Entwicklung von Mobilfunkstandards der 6. Generation (6G) kooperieren.
Der landesweite 5G-Rollout dürfte Indien 30 Milliarden US-Dollar (US$) kosten, schätzt die UBS Bank. Der Markt für Telkomausrüstung beläuft sich auf 1,6 Milliarden US$ jährlich - 90 Prozent davon sind Importe - und wird durch den Technologie-Upgrade in den nächsten Jahren weiter zulegen. Huawei und ZTE haben einen Marktanteil von 25 Prozent und wollen am indischen Wachstum partizipieren. Ein Ausschluss chinesischer Anbieter würde zusätzliche Investitionskosten von 10 bis 15 Prozent bedeuten, da Hersteller wie Ericsson, Nokia und Samsung preislich höher liegen.
Eine weitere Alternative wäre die lokale Herstellung von Ausrüstung. Indien stellt für Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Bereich 5G bis 2022 rund 30 Millionen US$ an Fördermitteln zur Verfügung. Der Provider Jio - gehört zum Industriekonzern Reliance - hatte Mitte 2020 angekündigt, 5G-Ausrüstung zur Marktreife entwickeln zu wollen. Diese würde zudem auf der selbstentwickelten Netzwerkarchitektur Option 6 basieren und damit einen eigenen Standard für 5G-Ausrüstung in Indien setzen.
China hat auch bei Cloud-Computing, Internet of Things und Big Data seine Präsenz in Indien ausgebaut. Wegen der strengen gesetzlichen Anforderungen zur Lokalisierung von privaten Daten betreiben die Unternehmen zum Teil Datenzentren auf indischem Boden. Aber auch hier versucht Indien, eine weitere Expansion chinesischer Firmen einzudämmen. In die Lücke springen US-Anbieter wie Google, Microsoft und Amazon, die ihr Engagement auf dem Subkontinent hochfahren. Im Juli 2020 hatte Google bekannt gegeben, dass es 10 Milliarden US$ in den Ausbau seiner Cloud-Dienste in Indien investieren will. Kurz davor war Facebook mit 5,7 Milliarden US$ beim Tech-Konzern Jio eingestiegen.
Firmenname | Tätigkeitsfeld |
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Huawei | Ausrüster für den Mobilfunksektor |
ZTE | Ausrüster für den Mobilfunksektor |
Transsion Holding | Produktion von Mobiltelefonen |
Xiaomi | Hersteller von Mobiltelefonen, Produktion durch Auftragsfertiger Foxconn in Indien |