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Special Indien Seidenstraße
Indien hat neue Hürden für chinesische Investoren errichtet. Darunter leidet auch die Start-up-Szene. Der Zugang zu Risikokapital aus China wird für die Unternehmen schwieriger.
08.12.2020
Von Boris Alex | New Delhi
Die indische Start-up-Szene zählt zu den dynamischsten weltweit. Seit 2015 hat sich die Zahl der Unternehmen auf fast 40.000 verdoppelt. Die Investitionen legten allein 2019 um 37 Prozent auf 14,5 Milliarden US-Dollar (US$) zu, so die Berechnung des indischen IT-Verbands National Association of Software and Services Companies (NASSCOM). Das Interesse internationaler Investoren und Risikokapitalgeber an den Start-ups ist in den letzten Jahren rasant gewachsen. Im 3. Quartal 2020 verdoppelten sich die Venture Capital (VC) Investments gegenüber der Vorperiode auf 3,6 Milliarden US$, so die Angaben von KPMG.
Auch die Investitionen aus China sind seit 2015 kontinuierlich gewachsen, und chinesische Technologieunternehmen und VC-Fonds halten inzwischen eine Reihe von Beteiligungen an indischen Start-ups und Einhörnern (Unicorn) - also Firmen mit einer Marktbewertung von mehr als 1 Milliarde US$. Die Start-ups haben in den letzten fünf Jahren Risikokapital aus China in Höhe von 4 Milliarden bis 5 Milliarden US$ erhalten - 2019 waren es insgesamt 641 Millionen US$. Chinesische Investoren sind mittlerweile an 18 der insgesamt 30 Unicorns beteiligt, so eine Studie von Gateway House vom April 2020.
Zu den größten Investoren zählen die Technologiekonzerne Alibaba und Tencent, die mit ihren frühen Engagements Start-ups wie das Fintech-Unternehmen Paytm, den Fahrdienstvermittler Ola und den Online-Händlern Flipkart und BigBasket mit zu ihrem rasanten Aufstieg verholfen haben. Die chinesischen Investoren sind damit auch in eine Marktlücke gestoßen, da es in Indien trotz der rasant wachsenden Zahl von Start-ups noch verhältnismäßig wenige heimische VC-Firmen gibt. Nur fünf Prozent des Risikokapitals stammt aus indischen Quellen.
Sektor | Firmenname | Chinesische Investoren | Investitionssumme (Mio. US$) *) |
---|---|---|---|
Fintech | Paytm | Alibaba Group | 550 |
Fahrdienstplattform | Ola Cab | Tencent Holdings, | 500 |
Online-Einzelhandel | Flipkart | Steadview | 300 |
Online-Einzelhandel | BigBasket | Alibaba Group, | 250 |
Fantasy-Sport-Plattform | Dream 11 | Steadview | 150 |
Mobile Plattform | Hike Messenger | Tencent | 150 |
Gastgewerbe | Oyo Hotels | Didi Chuxing, | 100 |
Lern-App | BYJU'S | Tencent | 50 |
Allerdings könnten die chinesischen Investitionen in indische Start-ups nach den im April 2020 beschlossenen Beschränkungen für Foreign Direct Investment (FDI) aus Staaten, mit denen Indien eine Landgrenze hat, zurückgehen. Die Entscheidung der Regierung, insgesamt 118 chinesische Applikationen wegen Sicherheitsbedenken aus den indischen App-Stores zu nehmen, darunter auch Apps von Baidu, Tencent, ByteDance und Alibaba, drückt zusätzlich auf die Stimmung bei den chinesischen Investoren.
Im Jahr 2019 machten Apps von chinesischen Tech-Konzernen über 50 Prozent aller Downloads in den indischen Stores von Apple und Google aus. Beispielsweise war der Webbrowser UC Browser der Alibaba-Tochter UCWeb bis zu seinem Verbot in Indien nach Google Chrome der am häufigsten auf Smartphones installierte Browser. Die seit Ende Juni 2020 ebenfalls verbotene Videoplattform TikTok des Konzerns ByteDance wurde in Indien 600 Millionen Mal heruntergeladen.
Die Alibaba Group, die seit 2015 insgesamt 2,6 Milliarden US$ in indische Start-ups investiert hat, kündigte Ende August 2020 an, seine Investitionen für sechs Monate auf Eis zu legen. Schlechte Nachrichten für den Lieferdienst Zomato: Eigentlich wollte Ant Financial - gehört zur Alibaba Group - 2020 insgesamt 150 Millionen US$ in das Start-up investieren, hält aber nun die noch ausstehenden 100 Millionen US$ erst einmal zurück. Im ersten Halbjahr 2020 sanken die Investitionen aus China um 16 Prozent auf 166 Millionen US$, was aber in erster Linie der COVID-19-Krise geschuldet war.
Dennoch sorgen Indiens Maßnahmen in der Start-up-Szene für Unruhe. Zum einen befürchten die Firmen, dass durch die Genehmigungspflicht für chinesische Investitionen der Zugang zu frischem Risikokapital erschwert und verzögert wird. Start-ups mit chinesischer Beteiligung sind darüber hinaus besorgt, dass sie künftig stärker unter die Lupe genommen werden und Sicherheitsauflagen erfüllen müssen oder Auskunfts- und Offenlegungspflichten hinsichtlich ihrer Finanzstruktur auferlegt bekommen. Dies könnte dann auch abschreckend auf Investoren aus nicht sanktionierten Ländern wirken.