Dieser Inhalt ist relevant für:
IsraelCoronavirus / Unternehmensdienstleistungen, übergreifend / Branchen / Tourismus / Öl, Gas
Wirtschaftsumfeld
Special Israel Coronavirus
Die Corona-Krise beschädigt die israelische Industrie. Dienstleister erholen sich nur langsam. Hotels kämpfen ums Überleben. Die Aussichten für Erdgasexporte verschlechtern sich. (Stand: 11. Mai 2020)
Von Wladimir Struminski | Jerusalem
Selbst auf dem Höhepunkt der Krise durfte die Industrie ihre Tätigkeit in weitaus größerem Umfang als das Handels- und Dienstleistungsgewerbe aufrechterhalten. Zum einen waren sogenannte essenzielle Industriezweige wie die Nahrungsmittel- und die Rüstungsindustrie im Rahmen berechtigt, ja verpflichtet, in vollem Umfang weiterzuarbeiten. Zum anderen konnten auch nichtessenzielle Industrieunternehmen in begrenztem Umfang tätig bleiben.
Die ab Ende April/Anfang Mai in die Wege geleiteten, weiteren Lockerungen erlauben es der Industrie mit durchaus spürbarem, aber begrenztem Schaden davonzukommen. Indessen sind die behördlichen Einschränkungen der Produktion nicht das einzige Problem des verarbeitenden Gewerbes. Vielmehr sieht sich die Industrie auch schwächerer Nachfrage nach ihren Produkten gegenüber, als es vor der Krise der Fall war. Das gilt sowohl für den einheimischen Markt, als auch für das Exportgeschäft, in dem die Industrie mehr als 40 Prozent ihres Umsatzes erzielt.
Deshalb bleibt ein großer Teil der Industrie auch nach der weitgehenden Beendigung der Ausgangs- und Arbeitssperre auf Regierungsbeihilfen zum Ausgleich entgangener Umsätze angewiesen. Ein solcher Ausgleich wurde bisher nicht zugesagt, und es ist unklar, inwieweit der Staat sich ihn, vor allem bei einer langen Rezession, leisten kann.
Hinzu kommt, dass die meisten Sparten der israelischen Industrie, im Vergleich zu anderen Industrieländern, ineffizient sind. Ihnen wird es nach der Krise noch schwerer als bisher fallen, sich auf dem Weltmarkt zu behaupten oder aber dem Importdruck auf dem Binnenmarkt zu widerstehen.
Dienstleistungsbranchen, deren Umsatz von der physischen Präsenz der Kunden abhängig sind, wurden von der Krise schwer getroffen. Zwar konnten die meisten Dienstleister während der erzwungenen Stilllegung die Belastung durch Personalkosten stark senken, haben sie doch alle oder nahezu alle Mitarbeiter entlassen oder für die Dauer der Betriebsschließung in unbezahlten Urlaub geschickt.
Allerdings liefen andere Kosten, zumal die Lokalmiete, weiter. Zudem wird trotz der einsetzenden Lockerung der Freizügigkeitsbeschränkungen nur ein langsames Erholungstempo erwartet.
Selbst in krisenfreien Zeiten zeichnet sich das Dienstleistungsgewerbe durch hohe Unternehmensfluktuation aus. Im Jahr 2018 wurden 9 Prozent der Handels- und Kfz-Reparaturbetriebe geschlossen, während es sich bei 9,3 Prozent um in diesem Jahr neugegründete Betriebe handelte. Im Informations- und Kommunikationssektor lagen die entsprechenden Zahlen bei 9,5 Prozent (Schließungen) beziehungsweise 12,6 Prozent (Gründungen) und im Bewirtungs- und Gaststättengewerbe 12,7 beziehungsweise 13,8 Prozent.
Ein längeres Ausbleiben von Kunden droht viele Firmen auszulöschen und den Gründungseifer neuer Investoren zu dämpfen. So kann der Überschuss der Existenzgründungen im Dienstleistungssektor schnell einer Schrumpfung der Unternehmenszahl weichen.
Publikumsorientierte Dienstleistungsbranchen sind wichtige Arbeitgeber. Im Jahr 2018 entfielen auf Handel und Kfz-Reparaturen, Informations- und Kommunikationsdienste sowie Bewirtung und Gaststätten insgesamt 24,7 Prozent aller Arbeitsplätze. Eine länger anhaltende Krise dieser Branchen würde den allgemeinen Beschäftigungsstand in der Wirtschaft stark senken und zu einer Beschleunigung der durch die Epidemie verursachten Rezession beitragen.
Das Einreiseverbot für Ausländer und die einheimischen Freizügigkeitsbeschränkungen haben das Hotelgewerbe nahezu zum Erliegen gebracht. In der zweiten Märzhälfte und im April blieben 95 Prozent der Hotels geschlossen. Im Mai ist dann eine vorsichtige Öffnung des Hotelgewerbes angelaufen, doch sind die Erholungsaussichten der Branche getrübt.
So entfielen 2019 auf ausländische Gäste 48,2 Prozent aller Hotelübernachtungen. Diese werden aber voraussichtlich bis Herbst 2020 wegen des umfassenden Einreiseverbots für Ausländer gar nicht, und auch danach nur sehr begrenzt nach Israel kommen. Auch 2021 droht, ein Krisenjahr zu bleiben.
Deshalb müssen die Hotels, die insgesamt über 60.000 Betten verfügen, versuchen, mit Hilfe einheimischer Gäste über die Runden zu kommen. Das aber wird nicht einfach sein, zumal die Zahl der Inlandsübernachtungen ab 2016 stagnierte – hauptsächlich weil Israelis wegen der hohen einheimischen Hotelpreise in hellen Scharen Low-Cost-Urlaub im Ausland machten. So fragt sich, ob israelische Hoteliers die Preise kräftig senken können oder aber lieber geschlossen bleiben, um ihre Verluste zu minimieren. So oder so müssen viele von ihnen um ihre Existenz bangen, nachdem die Zahl der Hotels in den Jahren 2015 bis 2019 um 17 Prozent auf 429 gestiegen ist.
Zu den durch die Krise gefährdeten Wirtschaftsbranchen gehört die Erdgaswirtschaft. Um seine bisher schon entdeckten Offshore-Vorkommen voll zu nutzen, müsste Israel einen Großteil seiner Erdgasreserven exportieren. Bisher liefen nur Lieferungen an die Nachbarländer Ägypten und Jordanien an, wobei Ägypten israelisches Erdgas auch in seine eigenen LNG-Exporte integrieren wollte. Angesichts des durch die Krise entstandenen Überangebots auf dem Weltmarkt ist unklar, inwiefern die israelischen Exporte über Ägypten wie geplant abgewickelt werden können.
Auch die größte israelische Exporthoffnung – die Erdgasausfuhr nach Europa über eine für israelisches und zypriotisches Erdgas bestimmte Unterseepipeline – könnte an der Krise Schaden nehmen. Bereits vor Ausbruch der COVID-19-Epidemie war unklar, ob die Europäische Union bereit sei, die für mehrere Milliarden Euro zu bauende Pipeline zu finanzieren. Die nun gesunkene Energienachfrage könnte die Realisierungschancen des Projekts weiter schmälern.