Dieser Inhalt ist relevant für:
Italien / ChinaSeidenstraße / Digitale Wirtschaft / Tiefbau, Infrastrukturbau / Internet-, Telekommunikationsdienste
Branchen
Special Italien Seidenstraße
Huawei und ZTE sind in den Ausbau der 5G-Infrastruktur in Italien stark involviert. Ein kompletter Ausschluss scheint trotz des zunehmenden Drucks aus den USA unwahrscheinlich.
08.12.2020
Von Oliver Döhne | Mailand
Huawei und ZTE haben aktiv an allen fünf 5G-Pilotprojekten des italienischen Wirtschaftsministeriums mitgewirkt. Huawei kooperierte dabei in Mailand mit Vodafone sowie in Matera und Bari mit TIM und Fastweb. ZTE arbeitete in Aquila und Prato mit Wind Tre und Open Fiber zusammen.
Auch beim Ausbau des Ultrabreitband-Glasfasernetzes des Unternehmens Open Fiber ist Huawei schon von Anfang an dabei. So basiert das in 270 Städten installierte Backbone-Netzwerk Zion auf einer Huawei OTN-Architektur. Branchenkennern zufolge sind 20 bis 30 Prozent des Netzes (ohne Core Netzwerk) in Italien von Huawei. ZTE hatte sich in Italien in der Anfangsphase auf Endgeräte konzentriert, wendet sich aber nun immer mehr Netzwerken und Infrastruktur zu.
Offiziell hat sich Italien bezüglich Huawei und ZTE beim 5G-Netz-Ausbau nicht klar positioniert. Im Jahr 2019 empfahl das Parlamentarische Komitee für die Sicherheit der Republik (Copasir) einen kategorischen Ausschluss der chinesischen Technologielieferanten. Dem widersprach der Direktor des italienischen Geheimdienstes (DIS).
Innerhalb der Regierung sind die Positionen unterschiedlich. Während die Demokratische Partei eher vorsichtig ist, steht die Fünf-Sterne-Bewegung, zu der auch Wirtschaftsminister Stefano Patuanelli gehört, den chinesischen Anbietern pragmatisch gegenüber. Als Kompromiss verordnete die Regierung eine "Golden Power"-Option, die in strategischen Sektoren einen staatlichen Eingriff (Auflagen, Veto) bei der Beschaffung aus außereuropäischen Quellen oder bei Firmenübernahmen durch außereuropäische Käufer vorsieht.
Auf Druck der USA (offiziell aus "industriellen" Gründen) schloss Netzbetreiber TIM im Juli 2020 Huawei von der Ausschreibung für das 5G-Core Netzwerk aus. Anfang August soll die Regierung laut Start Magazine Huawei mit einer diskret gehaltenen Verordnung, unter Auflagen und Kontrolle, die Tür wieder geöffnet haben. In einer weiteren Wendung kaufte sich der US-Fonds KKR im September bei TIM ein, was von einigen Analysten als geopolitischer Schachzug gegen China gedeutet wurde.
Der zweite große Netzbetreiber Vodafone verkündete zwar den Ausschluss von Huawei für Core Network-Ausrüstung im britischen Heimatmarkt, schloss aber eine Zusammenarbeit in anderen europäischen Ländern nicht aus. Pressemeldungen zufolge scheint Vodafone wenig bereit zu sein, mit Nokia und Ericsson zusammenzuarbeiten.
Das Ergebnis dieses Tauziehens um eine Beteiligung von Huawei ist momentan schwer absehbar. Da das Unternehen aber sowohl in der Entwicklung als auch über zahlreiche Partnerschaften, Forschungszentren und lokale Initiativen in Italien gut vernetzt ist und von vielen Marktteilnehmer geschätzt wird, ist ein kompletter Ausschluss eher unwahrscheinlich. Dieser Pragmatismus hat offenbar auch rechtliche Gründe. Ein offizieller Ausschluss könnte lange und kostspielige Prozesse zur Folge haben.
Das Thema Sicherheit und Transparenz aufgreifend, eröffnete Huawei am 1. Oktober 2020 in Rom ein Zentrum für Cybersecurity und Transparenz, wo unter anderem Quellcodes einsehbar und Simulationen von Cyberangriffen möglich sind. ZTE eröffnete bereits ein Jahr vorher, ebenfalls in Rom, sein erstes europäische Cybersecurity-Zentrum. In Aquila hatte ZTE schon Anfang 2018 ein Innovationszentrum für 5G eingerichtet.
Huawei kooperiert mit Retelit, einem der größten italienischen Anbieter von Dateninfrastruktur. Retelit besitzt 15 Datenzentren in Bozen, Mailand, Bergamo, Bologna, Udine, Rom, Bari (Cable landing station), Brescia, Modena, Neapel, Genua, Viterbo, Savona, Turin, Treviso, Verona, Bari-Modugno und Trient. Zudem zählt Retelit neben Open Fiber zu den wichtigsten Akteuren beim Glasfasernetzausbau und nennt ein Netz von 17.000 Kilometern sein Eigen. Huawei ist über das AAE 1 (Asia-Africa-Europe 1)-Konsortium am Unterseedatenkabel zwischen Marseilles und Hongkong beteiligt. Außerdem ist Retelit Entwicklungspartner der rein europäischen Cloud Gaia X.
Auch die Firma Siportal, die das Glasfasernetz in Sardinien und Sizilien ausbaut, ist eine Partnerschaft mit Huawei eingegangen. Schwerpunkt der Partnerschaft ist die FTTH (Fiber to the home)-Technologie. Retelit, Open Fiber und Sirti sahen sich dem Vorwurf des Verbands der europäischen Kabelhersteller Eurocable ausgesetzt, Kabel und Glasfasern zu Dumpingpreisen aus China gekauft zu haben.
ZTE hat unter anderem Abkommen mit Tiscali, Vodafone, Open Fiber, Linkem und TIM abgeschlossen. Weitere Kooperationen bestehen mit der Universität von Aquila und der privaten Universität LUISS in Rom. Zurzeit läuft bei ZTE Italien ein 500 Millionen Euro-Investitionsprogramm.
Sektor | Firmenname | Tätigkeitsfeld |
---|---|---|
5G-Netz-Aufbau | ZTE, Huawei | IT-Infrastruktur, Netzwerke |
Cloud, Data Center | Huawei | Multicloud-Plattform |
Ähnlich wie beim 5G-Ausbau sitzt Italien momentan auch bei Satelliten und Space-Projekten zwischen den Stühlen. Gemeinsam mit China arbeitet Italien an einem zweiten Seismo-Elektromagnetischen Satelliten (Cses 2), der unter anderem auf drohende Erdbebengefahren aufmerksam machen soll. Auch an der geplanten chinesischen Weltraumstation Tiangong 3 soll Italien mitarbeiten und ein Modul entwickeln. Der Wunsch Italiens, auch am neuen US-geführten Mondprojekt Artemis mitzuwirken, gerät damit zunehmend in Konflikt. Hier geht der aktuelle Trend zu einer Begrenzung und eng definierten Aktivitäten in der Zusammenarbeit mit China zugunsten des Artemis-Projekts.
Dieses Fragment können Sie in folgenden Kontexten finden: