Vorhang auf für die Wasserstoffwirtschaft. Als alternativer Kraftstoff soll blauer und grüner Wasserstoff in Zukunft eine Lösung für eine CO2-arme Wirtschaft bieten.
Wasserstoffwirtschaft wird Emissionen senken und die Konjunktur beleben
Wasserstoff (H2) spielt eine Schlüsselrolle für die Klimaschutzziele der kanadischen Regierung. Bisher halten umfangreiche Energievorkommen (fossile wie erneuerbare) die Energiepreise für Industrie und Verbraucher niedrig. Dazu hindern zuweilen geringes politisches Engagement sowie eine starke Lobby in den Erdgas, Öl und Kohle produzierenden Provinzen die Entwicklung eines lokalen Markts für H2 und den Aufbau der nötigen Infrastruktur. Dies soll sich nun entscheidend wenden. Kanadas Klimaziele unter der liberalen Regierung sind ambitioniert. Die Provinzen, manche zähneknirschend, kämpfen mit CO2-Steuern und dem Druck, eigene Pläne für Emissionsreduzierungen für ihre Regionen vorzulegen.
Wasserstoff wird ein Teil der Lösung für Kanadas Klimaschutzziele bis 2050
Seine Treibhausgasemissionen (THGE) will Kanada bis 2030 um 30 Prozent unter den Wert von 2005 absenken. Bis 2050 will das Land CO2-neutral werden. Neben Investitionen in grünen Strom und energieeffiziente Gebäude sowie die Elektrifizierung des Verkehrs soll Wasserstoff zukünftig vor allem eine führende Rolle im kanadischen Transportsektor einnehmen. Mit fast 30 Prozent der THGE ist der Transportsektor ein kritischer Bereich zur Realisierung der Klimaschutzziele.
Seit kurzem gewinnt die Idee einer diversifizierten lokalen Wasserstoffwirtschaft wieder an Zugkraft. Die regulatorischen Voraussetzungen und die Marktbedingungen entwickeln sich heute zu Gunsten von H2 als wettbewerbsfähigen Treibstoff in Kanada. Angetrieben wird dies durch die Klimaschutzziele der Regierung, die Einführung einer CO2 Steuer 2019, die Förderung von ZEV Fahrzeugen sowie sinkende Herstellungskosten für H2. Niedrige Strompreise in Provinzen wie Quebec, British Columbia, Manitoba und Ontario (Wasserkraft, Atomkraft) bieten ideale Voraussetzungen für die Produktion von grünem Wasserstoff mittels Elektrolyse. Dazu bieten Alberta, British Columbia und Saskatchewan durch ihre Erdgasgewinnung gute Chancen für blaue H2-Produktion.
Lokaler Markt für Wasserstoff steckt in den Kinderschuhen
Jedoch, das bestätigt das kanadische Ministerium für Energie und natürliche Ressourcen (NRCan), lebt Kanadas H2 und Brennstoffzellensektor maßgeblich von der Nachfrage auf den Auslandsmärkten. In Kanada existiert bisher kein attraktiver Markt für Wasserstoff als Treibstoff. Und ohne eigenen Abnehmermarkt bleibt auch die lokale Verteilungs- und Betankungsinfrastruktur auf der Strecke.
Während unter anderem Unternehmen wie Mercedes, Loop Energy oder Ballard in Kanada Brennstoffzellen produzieren, werden im kanadischen Transportsektor Brennstoffzellenfahrzeuge (FCEV) bisher kaum genutzt. Beispielsweise fahren in Kanada keine Busse mit H2. Unternehmen wie Walmart und Canadian Tire nutzen bereits FCEV Transportfahrzeuge in ihren Logistikzentren, jedoch sind nach Angaben von NRC insgesamt nur etwa 550 Fahrzeuge dieser Art in Betrieb. Der Verkauf von Brennstoffzellenautos im Konsumsektor ist ebenfalls zu vernachlässigen. Bei insgesamt zwei Tankstellen (Vancouver, Quebec City) und einer angekündigten dritten für Montreal ist das nicht verwunderlich.
Deshalb dürfte die öffentliche Förderung für den Ausbau von FCEV-Transportflotten des öffentlichen Nahverkehrs (Schul- und Linienbusse) sowie des Fernverkehrs ein Teil der neuen Wasserstoffstrategie des Bundes werden.
Bemühungen H2 in der Vergangenheit als alternativen Treibstoff zu etablieren, verliefen im Sand. Weder regional noch auf Bundesebene gab es eine koordinierte Entwicklung für den Aufbau eines neu ausgelegten Energiesystems, so Corporate Knights (CK) - ein kanadisches Forschungs- und Medienunternehmen für "sauberen" Kapitalismus. Die Zeit ist also reif für eine umfassende Wasserstoffstrategie.
Wasserstofffahrplan in Kürze erwartet
Sowohl die Bundesregierung Kanadas als auch einzelne Provinzen des Landes arbeiten aktuell an Wasserstoffstrategien. Die des Bundes war für den Sommer angekündigt. Durch die anhaltende Beurlaubung des kanadischen Parlaments bis Ende September wird die Ausarbeitung nun in den kommenden Wochen erwartet. Seit drei Jahren sitzt Ottawa in Zusammenarbeit mit der Industrie bereits an seiner Wasserstoffstrategie. Diese soll unter anderem bis 2050 einen etwa 4 Milliarden großen H2-Sektor mit 100.000 neuen Jobs und einem landesweiten Netzwerk an Wasserstofftankstellen hervorbringen. Als Hauptanwendungsfelder für H2 gelten Wärme für Industrie und Gebäude, die Energieerzeugung sowie die Nutzung als Treibstoff für Lkw, Busse, Züge, und Schiffe, dort wo Batterien nicht praktikabel sind.
Alberta und British Columbia werden ihre Strategien im Herbst 2020 verabschieden, nachdem British Columbia eine H2-Studie bereits 2019 abschloss. Bei der Gewinnung und Nutzung von Wasserstoff dürften regional unterschiedliche Prioritäten gesetzt werden.
British Columbias Energieminister Ralston versprach auf der f-cell+HFC Leitmesse in Vancouver kürzlich, dass British Columbia nur CO2-arme Wasserstoffstrategien - das heißt H2-Gewinnung aus erneuerbaren Energien oder aus Erdgas mit CO2-Abscheidung und -Speicherung - unterstützen werde. Bis 2050 will die Provinz allein durch die Nutzung von Wasserstoff 30 Prozent seiner gesamten CO2-Einsparziele erreichen. Die Provinz an der Westküste ist seit Jahren eine der global führenden Regionen in der Kommerzialisierung von Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologien, die von dort nach Asien (Fokus), Europa und in die USA exportiert werden.
Alberta gab im Mai 2020 seine Wasserstoffstudie in Auftrag. Die Provinz will vor allem ihre reichen Erdgasvorkommen für die Produktion von blauem Wasserstoff kommerzialisieren. Produziert und genutzt wird H2 in der Provinz bereits für die Erdölraffinerie. Der Vorteil Albertas könnte neben seinem Rohstoffreichtum auch in der vorhandenen Energieinfrastruktur liegen und eine Kommerzialisierung für den Export nach Europa oder Asien beflügeln.
Von Daniel Lenkeit
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Toronto