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Special Russland Konnektivität

Wie man Solar-Wechselrichter in ostsibirische Dörfer verkauft

Nordhessische Wechselrichter werden in hybriden Stromgeneratoren in abgelegenen sibirischen Dörfern verbaut. Die Marktnische erklärt Jan Stottko, Sales Manager bei SMA.

Von Lukas Latz | Berlin

Herr Stottko, in welchem Segment des russischen Solarmarktes ist SMA aktiv?

In Sibirien gibt es viele Dörfer, die fernab eines guten Straßennetzes liegen und nicht in das Stromnetz angeschlossen sind. Dort sorgen Dieselgeneratoren für den Strom. Diese Dieselgeneratoren werden nun vielerorts zu hybriden Anlagen umgerüstet: Diesel und Solar.

Das rechnet sich?

In den Sommermonaten kann Solarenergie den Strombedarf der Dörfer vollständig decken. Mit den Dieselgeneratoren produzieren Sie Strom für einen Preis zwischen 30 und 40 Eurocent pro Kilowattstunde. Mit den Solaranlagen sind Sie da natürlich deutlich drunter. Innerhalb von fünf bis sechs Jahren amortisiert sich die Investition in die Umstellung auf hybride Stromgeneration.

Trotzdem klingt das nach einer kleinen Nische. Wie viele Dieselgeneratoren gibt es denn in Russland?

Es gibt keine Statistik darüber. Experten von der Universität Tomsk, mit denen ich mal gesprochen habe, gehen von rund 30.000 Dieselgeneratoren aus. Das halte ich für realistisch: eine Zahl im niedrigen fünfstelligen Bereich.

Wie sind Sie an die Aufträge gekommen?

Durch Zufall, Kontakte und viel Engagement. Eine jakutische Firma hat mal an unsere Zentrale geschrieben, weil sie ein Produkt von uns hatten und es nicht funktioniert hat. Ich bin dann dort hingefahren und habe den Wechselrichter zum Laufen gebracht. Dadurch haben wir einen Kontakt zu dem jakutischen Energieversorger Sachaenergo aufgebaut. Wenn man einen Endkunden hat, der unsere Lösung versteht, ist das schon mal gut.

Aber der Energieversorger bestellt nicht direkt bei Ihnen?

Nein. Der Energieversorger gibt einem Unternehmen den Auftrag, eine Ausschreibung für ein neues Projekt zu schreiben. Und wir sprechen dann mit diesen unabhängigen Planern.

Und in der technischen Dokumentation der Ausschreibung wird dann ein Wechselrichter nahegelegt, dessen Standards dem Produkt von SMA sehr ähnlich sind?

Ja. Das wird teilweise dann sehr detailliert ausgeschrieben, sodass eigentlich nur ein Produkt darauf passen kann. Das funktioniert in Deutschland auch so. Wenn man will, dass die Produkte eingeplant werden, muss man mit den richtigen Menschen sprechen.

Sie haben Kunden in mehreren ostsibirischen Provinzen: in Jakutien, Altai und Zabaikale. Das muss ja eine sehr kleinteilige Arbeit sein, wenn Sie dort überall ein lokales Netzwerk aufbauen?

Das sind eben Kontakte, die über die Jahre gewachsen sind. Auf dem russischen Markt gehen wir nicht aktiv raus und suchen nach neuen Kunden. Wir leben da eher von unserem Bestand. Da kommt auch mal was dazu. Es wächst, aber es expandiert nicht wahnsinnig. Wenn man da mehr machen würde, würde man auch mehr Erfolg haben. Man hat halt bestimmte Ressourcen und man muss schauen, was man damit macht.

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Was muss ein Wechselrichter technisch können, um in der sibirischen Provinz zu funktionieren? Braucht es besonderen Schutz vor Kälte?

Nein, das würde teuer und kompliziert werden. Man muss auf das Prinzip setzen: „Keep it simple, sexy, stupid“. Elektronik wird im Regelfall deshalb in Container eingebaut, in denen die Temperaturen für den Betrieb der Technik sichergestellt werden – man vermeidet Elektronik ungeschützt aufzustellen. Wenn ich im Hybrid-Business bin, habe ich Anlagen, die wirklich remote sind. Man kann immer lokal Leute ausbilden. Aber wenn etwas Komplizierteres kaputtgeht, muss immer ein Spezialist kommen und die sind dann in der Regel mehrere tausend Kilometer entfernt.

Man braucht ein einfaches Wartungskonzept?

Ja. Bei großen Batteriespeichern kommt man um das zentrale Wechselrichtersystem nicht herum. Man kann da bisschen gegensteuern mit Ausbildung und Ersatzteilpaketen. Man kann auch an der Redundanz weiterarbeiten. Das wird gerne gemacht. Im Zweifelsfall muss es dann eben ein Workaround geben, aber den gibt es eigentlich immer.

Die Dieselgeneratoren?

Ja, genau.

Welche Qualität hat das Stromnetz in den Dörfern?

Wenn man es mit Deutschland vergleichen würde, wäre es nicht gut. Man darf aber nicht vergessen: auch bei solchen Anlagen gibt es in Russland Qualitätsnormen. Die Elektroversorger sind verpflichtet, diese Normen einzuhalten. Weil die Dörfer zu Sowjetzeiten deutlich größer waren, ist das Stromnetz oft noch auf die doppelte bis dreifache Bevölkerungszahl ausgelegt. Die Übertragungskapazität ist daher kein Problem. Es gibt viele Leitungen und viele Transformatoren. Man hat ganz viel Blindleitung auf dem Netz. Die Wechselrichter müssen auf diese Bedingungen parametriert werden.

Auf dem russischen Solarmarkt gelten ja Regeln, wonach ein Großteil der Technik in Russland hergestellt sein muss…

Das gilt nur für die Solaranlagen, die an das allgemeine Stromnetz angeschlossen sind. Die hybriden Solar-Diesel-Generatoren, für die wir liefern, unterliegen diesen Regeln nicht.

Bekommen Sie etwas von Korruption auf dem russischen Markt mit?

Wir haben auch immer mal wieder ein unlauteres Angebot bekommen. Wir sollten etwa im Vorhinein Geld bezahlen, um einen Auftrag zu bekommen. Das ist nicht mit unserer Compliance kompatibel. Von so etwas lässt man die Finger. Es ist eine Straftat und man bekommt den Auftrag trotzdem nicht.

Ohne Bestechungen kann man auch erfolgreich sein?

Ja, natürlich. Nicht alle sind korrupt in Russland. Es gibt viele staatliche Institutionen und Energieversorger, mit denen man sauber arbeiten kann.

Wie ist Ihr Geschäft von Sanktionen betroffen?

Wir brauchen von den Abnehmern eine Gewährleistung, dass unsere Technik nicht auf die Krim, ans Militär oder an den Öl- und Gassektor geliefert wird. Dafür ist es wichtig, lange und vertrauensvolle Beziehungen zu den Kunden zu haben. So wissen wir auch wirklich, wo unsere Produkte hingehen.

Also ist es schwierig, neue Kunden zu gewinnen?

Ja. Sanktionen machen es psychologisch irgendwie schwieriger. In Russland gibt es ja auch eine konstante Propaganda gegen den Westen. Ich glaube nicht, dass diese Propaganda so gut wirkt. Aber einfacher wird es auch nicht.

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