Die Rückkehr zu einem normaleren Leben verspricht neue Impulse. Das Bruttoinlandsprodukt könnte 2021 zwischen 3,3 und 5 Prozent zunehmen. (Stand: 15. April 2021)
Die Besserung an der Infektionsfront, die Mitte März spürbar wurde, setzt sich fort, sowohl beim Rückgang der Neuinfektionen, als auch der Hospitalisierungen. Die Regierung unter Eduard Heger als neuem Premierminister hat daher auf einer Pressekonferenz ab 19. April eine Lockerung der Coronabeschränkungen angekündigt.
Testen bleibt ein wichtiger Bestandteil dieser Öffnung von Handel, Dienstleistungen und Freizeitaktivitäten. Zertifikate über das negative Ergebnis eines Antigen- oder PCR-Tests sind schon länger Pflicht, um etwa an den Arbeitsplatz zu können. Täglich informiert die Regierung über den Verlauf der Corona-Infektionen und den Impfprozess.
Normalisierung wird Konjunktur stützen
Das seit Oktober 2020 herrschende Notstandsrecht läuft am 28. April aus. Monatelang hatten nur Geschäfte des definierten Grundbedarfs auf. Für alles andere blieb nur der Onlinehandel. Das ändert sich ab dem 19. April, wenn alle Läden und Dienstleister wieder öffnen dürfen. Für den Zugang gilt die Regel 15 Quadratmeter Verkaufsfläche pro Person, die Vorlage eines negativen Coronatests und das Tragen einer FFP2-Maske. Auch Zoos, Museen, Bibliotheken oder Kirchen dürfen wieder besucht werden.
Unterkunftsdienstleister sollen mit Ausnahme der Restaurants wieder private Kunden aufnehmen können. Monatelang galt das nur für kurze arbeits- oder gesundheitsbedingte Aufenthalte. Restaurants dürfen Speisen offenbar weiterhin nur zum Abholen anbieten. Die neue Verordnung zu der Lockerung wird auf der Seite des Gesundheitsministeriums veröffentlicht, das alle Verordnungen chronologisch auflistet.
Viele Branchen fielen 2020 zurück
Vor allem in der ersten Coronawelle war die Transport- und Logistikbranche durch die europäischen Anticorona-Maßnahmen, Lieferverknotungen und selbstbestimmte Schließung der Autoindustrie schwer betroffen. Ihre Erlöse nahmen 2020 um 8 Prozent ab. Doch profitiert der Transport auf Straße, Schiene, Wasser seither vom Erholungstakt der Industrie.
Begünstigt durch den Lockdown nahmen die Erlöse der Post- und Kurierdienstleister um 6,5 Prozent zu. Im Lufttransport aber hat Corona die Erlöse fast ausgeschaltet mit Einbußen um 71,4 Prozent. Enorm war der Rückgang auch in anderen von Tourismus und Reisefreiheit abhängigen Branchen wie Reiseagenturen (-61,7 Prozent) und Hotels (-45,2 Prozent). Die Gastronomie verzeichnete ein Minus von 10,6 Prozent.
Unter den Informations- und Kommunikationsdienstleistungen blieb die Computerprogrammierung im Plus. Während die Immobiliendienstleister mehr erlösten als 2019, litt die Bauwirtschaft unter der Unsicherheit. Ihre Umsätze sanken um 12,1 Prozent. Dem Wohnungsbau fehlt die Planungssicherheit, dem Infrastrukturbau eine solide Reserve vorbereiteter staatlicher Projekte.
Industrie mit verbesserter Auftragslage
Es ist das exportorientierte verarbeitende Gewerbe, das nach einem historischen Absturz im 2. Quartal 2020 wieder Gas gab und die Wirtschaft seither mitzieht. Seine Auslastung hat sich im letzten Quartal 2020 unbereinigt auf 82 Prozent erholt und hielt sich im 1. Quartal 2021 auf diesem Wert.
In einer Auswahl der wichtigsten Branchen (darunter Automobilindustrie, Elektrik- und Elektronikbranche, Metallerzeugung und -verarbeitung) lag der Auftragseingang in der 2. Jahreshälfte 2020 über dem Niveau des jeweiligen Vorjahresmonats. Am ausgeprägtesten war das laut vorläufigen Angaben des Slowakischen Statistikamts im Dezember mit einem Plus von über 11 Prozent der Fall (konstante Preise). Produktion und Umsätze folgten diesem Trend. Bergbau, Petrochemie, Chemieindustrie und Energiewirtschaft produzierten 2020 sogar insgesamt mehr als im Jahr davor.
Die Rezession reicht jedoch tief. So schrumpften die Industrieumsätze 2020 um 9,4 Prozent, darunter in der für das Land zentralen Fahrzeugbranche um 12,1 Prozent. Diese hat aber im 2. Halbjahr begonnen, Terrain gutzumachen, was auch andere Branchen anstieß. Fast ein Drittel der Industrieproduktion und der Exporte entfällt auf Autos und ihre Teile. Volkswagen Slovakia hat drei Werke in der Slowakei und will bis 2023 massiv investieren. Hinzu kommen die Werke von Stellantis, Kia und Jaguar Land Rover.
BIP fiel 2020 weniger stark als gefürchtet
Die hohe Abhängigkeit vom Export und von der Kraftfahrzeugindustrie hatte die kleine Volkswirtschaft im globalen Umfeld der Pandemie zunächst besonders getroffen, kam ihr aber bei der Erholung entgegen. Anziehende Auslandsnachfrage und privater Verbrauch überraschten im 2. Halbjahr und dämpften den Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) 2020 auf -5,2 Prozent. Das war glimpflicher als erwartet.
Da ein Teil der Verluste aus der ersten Coronawelle bereits 2020 wettgemacht worden sind, hat das Finanzministerium das für 2021 prognostizierte Wirtschaftswachstum für 2021 auf 3,3 Prozent zurückgenommen. Auch lastet die zweite Welle 2021 auf dem Verbrauch der Haushalte, den die Regierung zurückgehen, die Zentralbank nahezu stagnieren sieht. Bei den Anlageinvestitionen ist die Zentralbank deutlich optimistischer (+5,9 Prozent) als das Finanzministerium. Dieses sieht als treibende Kraft die Nettoexporte. Nach Abklingen der Pandemie könnte das BIP 2022 um 5,6 bis 6,3 Prozent wachsen, auch dank der Aufbaugelder der Europäischen Union.
Prognose zu wichtigen wirtschaftlichen Kennziffern (reale Veränderung zum Vorjahr in Prozent)*
| 2020 | 2021 | 2022 |
---|
Bruttoinlandsprodukt | -5,2 | 3,3 | 6,3 |
Privater Konsum | -1,2 | -3,3 | 6,8 |
Bruttoanlageinvestitionen | -11,9 | 0,8 | 11,9 |
Exporte von Waren und Dienstleistungen | -7,2 | 10,6 | 4,8 |
Importe von Waren und Dienstleistungen | -8,5 | 8,8 | 5,3 |
*) 2020: vorläufige Angaben; 2021 und 2022: Prognose Quelle: Slowakisches Statistikamt; Finanzministerium der Slowakischen Republik (März 2021)
Die Covid-19-Krise traf den slowakischen Arbeitsmarkt in einem vergleichsweise günstigen Moment, da die Arbeitslosenrate auf einen Niedrigstand von 5,8 Prozent gefallen war. Infolge der Pandemie ist sie 2020 auf 6,7 Prozent gestiegen. Im 4. Quartal erreichte sie 7 Prozent. Kurzarbeitsregelungen haben bislang massivere Entlassungen verhindert und wirken 2021 fort. Die Regierung rechnet mit einer Arbeitslosenquote von 7,1 Prozent und damit, dass in der 2. Jahreshälfte 2021 bereits wieder neue Arbeitsplätze entstehen könnten.
Zum Thema Coronavirus bietet die AHK Slowakei Antworten auf die wichtigsten Fragen aus Unternehmenssicht und informiert über die aktuelle Lage und Hilfen für Unternehmen.
Von Miriam Neubert
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Bratislava