Die wirtschaftliche Lage soll sich 2021 gegenüber dem Vorjahr wesentlich verbessern. Das Vorkrisenniveau dürfte trotzdem frühestens 2023 erreicht werden. (Stand: 12. April 2021)
Spanien ist von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie stärker betroffen als alle anderen 27 Mitglieder der Europäischen Union (EU). Das Statistikamt INE errechnete im April 2021, dass die spanische Wirtschaftsleistung 2020 um real 10,8 Prozent eingebrochen ist. In der Eurozone lag der reale Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) hingegen bei 6,8 Prozent. Mit 5,6 Prozent Wachstum soll laut der Europäischen Kommission 2021 in Spanien eine Trendwende einsetzen. Auch bei einem erwarteten weiteren Zuwachs von 5,3 Prozent im Jahr 2022 wäre das Vorkrisenniveau noch nicht wieder erreicht.
In der Krise wird deutlich, wie stark Spanien von Tourismuseinnahmen abhängt. Auch die kleinteilige Struktur der Wirtschaft erweist sich als Nachteil. Kleinen Unternehmen und Selbstständigen fehlen oft die Mittel, um eine anhaltende Krise bewältigen zu können. Zudem sind sie meist vollständig auf den Inlandsmarkt angewiesen.
Schwächen des Landes wie ein geringes Produktivitätswachstum, die hohe Schulabbrecherquote und Ausbildungsdefizite treten in der Krise ebenfalls stärker hervor. Als Pluspunkte schlagen ein Digitalisierungsschub und die hohe Flexibilität der Menschen zu Buche.
Im Jahresverlauf 2020 erwies sich die Landwirtschaft als sehr robust. Die Industrie litt kurzfristig stark unter den umfangreichen Einschränkungen und Versorgungsengpässen im Frühjahr. Ihr gelang danach ein kraftvoller Umschwung. Der Dienstleistungssektor zeigt sehr unterschiedliche Tendenzen.
Gemessen am Tiefpunkt im Frühjahr 2020 zeigt sich in nahezu allen Zweigen eine spürbare Verbesserung. Wird jedoch das Jahr 2019 zum Vergleich herangezogen, reichen die Zahlen fast nirgendwo an dessen Niveau heran.
Ausmaß der Krise wird nach dem Auslaufen der Hilfen sichtbar
Noch federn Kurzarbeit und Avale für Unternehmen einen Teil der Lasten ab. Nach dem Ende der Kurzarbeitsregelungen und wenn die Rückzahlung gewährter Hilfen ansteht, könnte sich die Krise noch einmal verschärfen. Im März 2021 waren 3,95 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet. Hinzu kamen 744.000 Kurzarbeiter. Diese stammten zumeist aus den Sektoren Gastronomie und Hotellerie.
Im 4. Quartal 2020 lag der Konsum der spanischen Haushalte um 8,3 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Die Sparneigung ist noch wesentlich stärker als in der Krise von 2008 bis 2013. Die sprunghaft gestiegene Sparquote beinhaltet allerdings auch die Chance auf Nachholeffekte nach der Pandemie.
Der Tourismus ist besonders hart getroffen. Der Branchenverband Exceltur schätzt, dass die Einnahmen des Sektors 2020 das Vorjahresresultat um 106,4 Milliarden Euro unterschritten. Das entspräche einem Einbruch des Geschäfts mit in- und ausländischen Kunden um etwa zwei Drittel. Für das schwach begonnene neue Jahr geht der Verband von 58 Milliarden Euro weniger Einnahmen aus als vor der Krise.
Die Erwartungen für die Reisebranche sind mit Blick auf den Sommer gemischt. In einigen wichtigen Quellmärkten kommen die Impfkampagnen langsamer voran als geplant. Das könnte für einen Dämpfer sorgen und den dringend benötigten Aufschwung hemmen. Umgekehrt besteht bei einer hohen Nachfrage das Risiko, dass sich das Coronavirus durch Kontakte und Mobilität wieder stärker verbreitet.
Schlussquartal 2020 klar unter dem Vorjahresniveau
In den Monaten Oktober bis Dezember 2020 lag die spanische Wirtschaftsleistung um 9,1 Prozent unter dem Wert des Vorjahreszeitraums. Viele Indikatoren verfehlten die Vorjahresmarke deutlich. Die Ausrüstungsinvestitionen blieben um 4,6 Prozent unter dem Niveau des 4. Quartals 2019 zurück. Bei den Bauinvestitionen betrug der Rückgang 17,5 Prozent. Die Ausfuhren verzeichneten ein Minus von 20,6 Prozent, bei den Einfuhren waren es 14,1 Prozent.
Das Haushaltsdefizit schnellte 2020 gemäß der Herbstprognose der Europäischen Kommission 2020 auf 12,2 Prozent hoch. Dazu trugen sowohl die außergewöhnlichen Kosten der Pandemie als auch fallende Einnahmen bei.
Entsprechend positiv wurde die Einigung auf das große Hilfspaket der EU vom 21. Juli 2020 aufgenommen. Auf Spanien entfallen laut einer Pressemitteilung der Regierung insgesamt rund 140 Milliarden Euro. Laut neuesten Zahlen von Januar 2021 erhält Spanien 79,8 Milliarden Euro Zuschüsse und überholt Italien knapp als größtes Empfängerland. Im Oktober 2020 stellte die Regierung einen Plan vor, wie das Geld verteilt werden soll.
Die Zielrichtung ist ein "grüneres" und digitaleres Spanien. Die Versteigerung von Fotovoltaik- und Windenergiekapazitäten im Januar 2021 wurde bereits zu einem großen Erfolg. Unternehmen boten für dreimal mehr Megawatt als verfügbar waren. Erneuerbare Energien ragten innerhalb der spanischen Volkswirtschaft bereits 2020 positiv heraus.
Schwacher Jahresbeginn für die Automobilindustrie
Die Kfz- und Kfz-Teileindustrie in Spanien bewegt sich weiterhin in einem unsicheren Umfeld. Die Wirtschaftszeitung Expansión berichtete im Dezember 2020 von einer inoffiziellen Schätzung, nach der die Neuzulassungen 2021 um 20 Prozent steigen werden. Eine Reform der Zulassungssteuer verteuert seit Januar 2021 den Erwerb von Fahrzeugen. Dadurch wurden offenbar Käufe vorgezogen. Im Dezember 2020 lagen die Neuzulassungen auf dem Niveau von Dezember 2019. Das neue Jahr begann dagegen mit einem Minus von 51,5 Prozent im Januar und 38,4 Prozent im Februar.
Da wichtige Zielmärkte für spanische Kfz Anfang 2021 unter massiven Einschränkungen aufgrund der Pandemie litten, ist die weitere Entwicklung der Exporte ungewiss. Im Vorjahr hatten die Ausfuhren verhindert, dass die Produktion noch stärker zurückging.
Die Bauinvestitionen lagen im 4. Quartal 2020 um 11,5 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Auf mittlere Sicht versprechen Infrastrukturprojekte und der Bedarf an mehr Wohnungen sowie Logistikgebäuden positive Zahlen. Ungeachtet der Krise nahmen 2020 die Investitionen in Einzelhandelsimmobilien stark zu. Die Investitionen in Büroflächen halbierten sich hingegen. Dennoch entstand ein Überangebot an Büroraum, das viele Eigentümer zu Preisabschlägen zwang.
Von Oliver Idem
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Madrid