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Taiwan hat die Coronakrise bisher gut in den Griff bekommen. Die Regierung hatte die Wirtschaft mit einem umfassenden Hilfspaket unterstützt. (Stand: 23. November 2020)
Von Alexander Hirschle | Taipei
Die taiwanische Wirtschaft leidet teilweise auch unter den Auswirkungen der Coronakrise. Trotz sehr geringer Infektionszahlen kann sich die Insel nicht gänzlich von den internationalen Entwicklungen abkoppeln. Tourismus und Einzelhandel vermeldeten temporär Umsatzeinbußen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) soll offiziellen Schätzungen zufolge leicht zurückgehen, aber dennoch weiter im grünen Bereich bleiben.
Die Regierung hatte zur Unterstützung der Konjunktur ihre ursprünglichen Hilfsmaßnahmen Anfang April deutlich nachgebessert. Zunächst waren im Rahmen eines Konjunkturpakets Hilfsgelder von rund 2 Milliarden US-Dollar (US$) geplant, um die Folgen der Krise für lokale Firmen abzufedern. Darüber hinaus sollten 1,3 Milliarden US$ aus laufenden Budgetmitteln zugeschossen werden.
Mittlerweile jedoch wurde das Gesamtpaket auf satte 35 Milliarden US$ aufgestockt. Die Summe entspricht mehr als 5 Prozent des taiwanischen BIP. Übergeordnetes Ziel der Maßnahmen ist der offiziellen Lesart zufolge, die Liquidität der Unternehmen zu gewährleisten, die Arbeitslosenrate niedrig und den Transportsektor des Landes am Laufen zu halten. Mit 23 Milliarden US$ wird der Löwenanteil des Pakets Kredithilfen umfassen, die von der Zentralbank und von staatlichen Finanzinstituten bereitgestellt werden.
Auch hat die Zentralbank im Zuge der verschärften Krise Ende März 2020 den Leitzins um 0,25 Basispunkte auf 1,125 Prozent gesenkt - die erste Reduzierung seit mehr als drei Jahren. Damit unterschritt der Zinssatz sogar den Tiefststand, den er zuletzt während der Finanzkrise 2008 erreicht hatte. Die obersten Währungshüter betonten dabei, dass diese Maßnahme nicht zwingend die Konjunktur ankurbeln soll. In erster Linie seien sie zu der Entscheidung gelangt, um die finanziellen Belastungen für Firmen und Haushalte geringer zu halten. In der nächsten Sitzung Mitte Juni beließ die Zentralbank den Leitzins dann auch auf dem bisherigen Niveau. Dies wurde damit begründet, dass die bisherigen Maßnahmen ihre Ziele erreicht hätten und es nicht zu einem starken Konjunkturabschwung oder Kreditengpass in der taiwanischen Wirtschaft gekommen sei.
Wenig überraschend fokussieren sich Kernelemente des Hilfspakets auf die besonders stark betroffenen Branchen wie Tourismus, Luftfahrt, Einzelhandel und Gastronomie. Diese tragen bisher die Hauptlast der Coronaauswirkungen in Taiwan und mussten in den vergangenen Monaten Umsatzeinbrüche von bis zu 50 Prozent verbuchen.
Zur Ankurbelung des Konsums werden seit Juli Einkaufsgutscheine für Taiwaner und Ehepartner von taiwanischen Staatsangehörigen im Nettowert von knapp 60 US$ pro Person verteilt. Im November wurde diese Maßnahme auch auf Ausländer mit langfristiger Aufenthaltsgenehmigung sowie auf Diplomaten und offizielle Vertreter ausgeweitet. Etwa 10 Millionen US$ werden für Einzelhändler und Restaurants zur Optimierung ihrer digitalen Aktivitäten bereitgestellt. Zahlreiche Firmen waren aufgrund ausbleibender Gäste darauf angewiesen, ihre Geschäfte auf Online-Vertrieb umzustellen, ohne jedoch die nötige Erfahrung in diesem Segment aufzuweisen.
Reiseagenturen, Hotels und Freizeitparks können Presseangaben zufolge Hilfskredite beantragen, deren maximale Höhe vom Umfang ihrer geschäftlichen Aktivitäten definiert wird. Fluggesellschaften werden jeweils bis zu 1,6 Milliarden US$ an Kreditvolumen erhalten können, auch Zinszahlungen sollen subventioniert werden.
Einzel- und Großhändler, Restaurants sowie Lagerhäuser können unter bestimmten Bedingungen neben anderen Geschäften Subventionen für Lohnzahlungen von monatlich bis zu 660 US$ pro Beschäftigtem beantragen. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, einen Erlass von 30 Prozent auf die Stromrechnungen zu erhalten.
Im Hilfspaket der Regierung sind übergreifend etwa 280 Millionen US$ Lohnsubventionen aus dem Budget des Ministry of Transportation and Communications für den Tourismus- und Logistiksektor vorgesehen sowie 1,3 Milliarden US$ für das produzierende Gewerbe und weitere Dienstleistungsbranchen, die über das Ministry of Economic Affairs laufen sollen.
Das Gesundheitsministerium will wiederum rund 420 Millionen US$ bereitstellen - unter anderem um Menschen, die unter Quarantäne gestellt worden sind, zu unterstützen und medizinische Materialien bereitzustellen. In Landwirtschaft und Fischerei werden fast 300 Millionen US$ zur Verfügung gestellt, um die Folgen für die Betriebe des Sektors abzufedern. Gewährt werden die Mittel größtenteils in Form von weichen Krediten, aber auch über Subventionen für Luftfracht- und Verschiffungskosten.
Im November erklärte das Wirtschaftsministerium, dass die Nachfrage von Seiten der verarbeitenden Industrie nach Regierungsunterstützung im 3. Quartal 2020 deutlich zurückgegangen sei. Dies habe in erster Linie an der wieder anziehenden Exporttätigkeit gelegen, so Ministerin Wang Mei-Hua in den lokalen Medien. Auch die Situation auf dem Arbeitsmarkt hat sich stark verbessert. Im Oktober sank die Arbeitslosenrate offiziellen Angaben zufolge den sechsten Monat in Folge auf 3,8 Prozent. Auf der anderen Seite benötigt die Konferenz- und Ausstellungsbranche nach Einschätzung des Ministeriums voraussichtlich bis März 2021 Fördergelder.
Übergreifend soll sich Taiwan nach den Vorstellungen der Regierung in den kommenden Jahren auf die Entwicklung von Bereichen wie 5G-Telekommunikation, Künstliche Intelligenz und Lieferkettenumstrukturierungen fokussieren. Mit Hilfe dieser Wachstumsmotoren erhofft sich der Think Tank National Development Council in seinem Mitte Juli 2020 veröffentlichten National Development Plan 2021-2024 für die kommenden Jahre ein Wachstum des BIP in einer Bandbreite von 2,6 bis 3,4 Prozent pro Jahr.
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