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Vereinigte Arabische EmirateCoronavirus / Bau / Tourismus / Groß- Einzelhandel / Öl, Gas / Luftverkehr, Flughäfen
Wirtschaftsumfeld
Special Vereinigte Arabische Emirate Coronavirus
Die Maßnahmen im Zuge der Coronakrise belasten Unternehmen branchenübergreifend. Bauwirtschaft, Tourismus und Luftfahrt sind stark betroffen. (Stand: 24. Oktober 2020)
Von Heena Nazir | Dubai
Nach einem schwachen Jahr 2020 verbessert sich der Ausblick auf 2021 für einen Großteil der Branchen in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Die Verbraucherausgaben in den VAE stiegen im August gegenüber März 2020 um 63 Prozent, wie aus Statistiken des Bundesamtes für Wettbewerbsfähigkeit (Federal Competitiveness and Statistics Authority; FCSA) hervorgeht. Die Ausgaben in Restaurants stiegen um 75 Prozent. Hotels verbuchten ein Plus um 29 Prozent. Die Erholung ist vor allem auf die Lockerung der Ausgangssperren zurückzuführen.
Bei der Analyse der Wachstumszahlen ist allerdings Vorsicht geboten, da diese von einer schwierigen Lage ausgehen, bei der die Wirtschaftsaktivitäten fast zum Stillstand kommen. Ausgehend von diesem Tiefpunkt scheint der Anstieg für mache Sektoren stark. Ein Basiseffekt, der nicht die Realität der aktuellen Situation widerspiegelt. Vor allem stark betroffene Sektoren wie Bauwirtschaft, Tourismus und Luftfahrt leiden noch immer stark unter der Doppelbelastung durch Covid-19 und dem Ölpreisverfall und sind weit von den Umsatzzahlen der Vorkrisenzeiten entfernt.
Der Fokus auf Cashflow stellt viele Unternehmen auf eine Bewährungsprobe mit Bezug auf langfristige Lieferanten- und Kundenbeziehungen. Besonders große Marken und Unternehmen deren Produkte weiter stark nachgefragt werden, stehen vor dem Problem, dass betroffene Abnehmer auf einer Erhöhung der Kreditvereinbarungen oder längerfristigen Zahlungszielen bestehen. Auf der einen Seite muss die eigene Position geschützt werden, auf der anderen Seite könnten harte Maßnahmen Geschäftsbeziehungen dauerhaft schädigen. Vereinzelt war aus Unternehmerkreisen zu vernehmen, dass Covid-19 auch unbegründet als Vorwand für die Verzögerung von Zahlung genutzt wird. Dem Vernehmen nach, sind auch Banken teilweise langsam bei der Umsetzung der Hilfsmaßnahmen.
Die Bauwirtschaft war lange Zeit einer der Motoren der Wirtschaft der VAE, insbesondere des Emirats Dubai. Die aktuelle Krise wird für den Sektor einschneidende Veränderungen bedeuten. Bereits vor der Pandemie haben sich grundlegende Änderungen angedeutet. Der ungebremste Bau, besonders an Wohnraum, unter einer anhaltend schwächelnden Wirtschaft, führte bereits seit längerem zu einem Missverhältnis von Angebot und Nachfrage.
Im Rahmen der Coronakrise wurde in den gesamten VAE bereits vergebene Bauaufträge neu bewertet. Auftragnehmer müssen sich auf zähe Neuverhandlungen bereits abgeschlossener Verträge einstellen. Es gibt offiziell keine Vorgabe für eine spezifische Kostenreduzierung, aber ein deutlicher Einbruch der Margen muss erwartet werden.
Der niedrige Ölpreis hat direkte Auswirkungen auf das Projektgeschäft in der Öl- und Gasbranche. Die Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) verkündete am 17. März 2020, dass Zulieferer und Projektentwickler ihre Kosten bei bestehenden Aufträgen neu bewerten müssen. Das Staatsunternehmen versucht Kosteneinsparungen von bis zu 30 Prozent zu realisieren. Die Neuvergabe wird sich laut Branchenkennern verzögern.
Die Ölförderkapazität lag Anfang 2020 bei 3,5 Millionen barrel per day. Bis Ende 2020 wird weiterhin ein Ausbau auf 4 Millionen barrel per day angestrebt. Die Projektvergabe wird mit einzelnen Verzögerungen vorangetrieben. Auch der Ausbau der Gasförderung kommt voran, wenn auch vorerst im reduzierten Umfang. Das Dalma Sour Gas Projekt mit über 1,7 Milliarden US-Dollar (US$) wurde wieder neu ausgeschrieben. Der Ausschreibungsprozess für das Projekt zur Erschließung der Felder in Ghasha und Hail soll im Jahr 2021 fortgesetzt werden.
Besonders stark leiden die Branchen Tourismus und Transport. Im Jahr 2019 trugen beide mehr als 10 Prozent zum BIP der VAE bei. Knapp jeder zehnte Arbeitnehmer ist in diesen Branchen beschäftigt. Die Sektoren sind vor allem auf die internationalen Gäste angewiesen, die knapp 80 Prozent aller Reisenden im Land ausmachen.
Die Hotelbranche wurde von der Coronakrise mit am stärksten getroffen. Die kurzfristigen Auswirkungen sind verheerend. Für das Jahr 2020 mussten Hoteliers starke Umsatzeinbrüche in Kauf nehmen. Die durchschnittliche Auslastung ist im 1. Quartal 2020 in den VAE um 60 Prozent und im 2. Quartal sogar um 80 Prozent gefallen. Aus der Not heraus entschieden sich viele Hotels dazu, ihr Haus für einige Monate zu schließen.
Mittel-und langfristig gesehen, geht man in Dubai von einem weiteren starken Wachstum des Tourismussektors aus, der vor allem durch die Expo 2020 (Oktober 2021 bis April 2022) noch mal einen Schub bekommen soll. Die MEED- Projektdatenbank gibt den Wert, der aktuell in Dubai im Bau befindlichen Hotelprojekte, mit 1,2 Milliarden US$ an. Experten rechnen jedoch mit Projektverzögerungen.
Trotz der aktuellen Krise wird der Bau der Etihad Rail weiter vorangetrieben. Der erste Hauptauftrag der Phase 2 (Package A) wurde im März 2019 an ein Joint Venture aus der südkoreanischen SK E&C und der China State Construction & Engineering Corporation für 409 Millionen US$ vergeben. Im Juni folgte die Vergabe von zwei weiteren Teilstrecken (Package B und C) im Gesamtwert von 1,1 Milliarden US$ an ein Konsortium aus der China Railway Construction Corporation und der lokalen Ghantoot Group. Das Package D für 480 Millionen US$ soll ebenfalls an die China Railway Construction Corporation gehen. Eine Zeitplanung für die dritte Phase (etwa 300 Kilometer) gibt es bislang nicht. Zur Phase 3 sollen unter anderem eine Strecke zur omanischen Grenze (bei Al Ain) und Verbindungen in die nördlichen Emirate Ras Al Khaimah und Ajman gehören.