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Special | Vietnam | Coronavirus

Auswirkungen der Coronakrise auf ausgewählte Branchen

Trotz niedriger Infektionszahlen kommt es zu deutlichen Umwälzungen der vietnamesischen Wirtschaft. Die IKT- und die Elektronik-Branche profitieren. Der Tourismus leidet.

Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Hanoi

Vietnams Wirtschaft erreichte 2020 ein für vietnamesische Verhältnisse schwaches Wirtschaftswachstum von immerhin noch 2,1 Prozent. Damit zählte das Land zu einer der am stärksten wachsenden Volkswirtschaften weltweit.

Im ersten Quartal 2021 zog die Wirtschaft wieder stärker an und erzielte gegenüber dem Vorjahresquartal einen Zuwachs von real 4,5 Prozent. Internationale Wirtschaftsanalysten erwarten für das Gesamtjahr 2021 ein Wachstum zwischen real 6,5 und real 8 Prozent. 

Nach dem Überwinden einer dritten Corona-Welle sind die Unternehmen des Landes vorsichtig optimistisch. Der Purchasing Managers Index lag im Februar 2021 mit 51,6 Punkten den dritten Monat in Folge im Bereich der Expansion. Unternehmen berichten über steigende Auftragseingänge aus dem In- und Ausland und vertrauen auf die Beherrschbarkeit des Virus im Land.

Dennoch bleibt das Geschäftsumfeld schwierig. Eine nach wie vor volatile internationale Nachfrage und praktische Einschränkungen wie die Unmöglichkeit internationaler Geschäftsreisen erschweren die Gewinnung neuer, vor allem internationaler Aufträge. Dabei sind die einzelnen Branchen sehr unterschiedlich von der Coronakrise betroffen.

Dienstleistungssektor kämpft mit Corona

Während die herstellende Industrie im Land wieder weitestgehend im Normalmodus arbeitet, leiden weite Bereiche des Dienstleistungssektors.

Die Tourismusindustrie ist hart getroffen. Reisedienstleistungen brachen im Jahr 2020 nach Angaben des vietnamesischen Statistikamtes um knapp 60 Prozent ein. Ausländische Touristen dürfen nicht nach Vietnam einreisen. Zwar zieht zumindest der inländische Reiseverkehr wieder an, kann die Ausfälle aber bei weitem nicht abdecken.  

Der Tourismussektor, der 2018 dem Kulturministerium zufolge gut 8 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beitrug, wird wohl erst wieder Vorkrisenniveau erreichen, wenn die Pandemie - sei es aufgrund eines Impfstoffes oder wirksamer Medikamente - beherrschbar wird. Nur in diesem Fall werden ausländische Touristen, insbesondere aus Korea und China, wieder das Land bereisen können und auch wollen.

Der Einzelhandel hat sich nach Einbrüchen zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 wieder erholt. Im Gesamtjahr 2020 legte der Einzelhandelsumsatz um nominal 6,8 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu. 

Textilunternehmen satteln um

Der Produktionsbereich ist bislang weniger von der Krise betroffen. Nach Aufhebung des Lockdowns hat ein Großteil der Unternehmen die Produktion wieder hochgefahren, soweit es die Auftragslage gestattet.

Insbesondere Unternehmen der Schuh- und Bekleidungsindustrie aber klagen über bedeutende Umsatzeinbußen und Auftragsausfälle. Laut Zeitungsberichten geht allein das größte Textilunternehmen des Landes, Vinatex, von der Kündigung von 50.000 Mitarbeitern aus. In der Schuhproduktion kam es bereits zu den ersten großen Entlassungswellen. Allerdings zeichnete sich im ersten Quartal 2021 erstmals seit Beginn der Coronakrise eine Erholung ab. Sowohl der Produktionsindex als auch die Exporte stiegen leicht gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Der Militärputsch in Myanmar könnte der vietnamesischen Textilindustrie zusätzlich Anschub geben. Erste internationale Modeunternehmen ziehen Neubestellungen aus Myanmar ab und müssen sich für den Einkauf umorientieren; Vietnams Textilindustrie dürfte als einer der wichtigsten Textilproduzenten weltweit profitieren.  

Mittelfristig erwarten Branchenbeobachter eine Konsolidierungswelle in Sektoren, die in der Wertschöpfungskette eher am unteren Ende angesiedelt sind. Unternehmen in der Plastik- und Kautschukindustrie, aber auch in der Textilbranche sowie der Holz- und Möbelverarbeitung beginnen zu straucheln. Gerade kleine, wenig effizient arbeitende und finanziell schwach aufgestellte Unternehmen werden Schwierigkeiten haben, eine sinkende nationale und internationale Nachfrage zu kompensieren. Dies dürfte den Weg frei machen für technologisch, finanziell und unternehmerisch besser aufgestellte Unternehmen.

Ausländische Elektronikunternehmen erwägen Umsiedlung nach Vietnam

Die Elektronik- und Zulieferindustrie des Landes könnte einer der Gewinner der Krise werden. Vertreter von Industrieparks im Norden Vietnams berichten, dass große internationale Unternehmen und deren Zulieferer sich mit Hochdruck neue Standbeine jenseits ihrer Produktion in China suchen. 

Für japanische Unternehmen, bereits jetzt einer der wichtigsten Investoren im Land, ist eine Auslagerung der Produktion aus China heraus eine besonders attraktive Option. So kündigte die japanische Regierung Anfang April 2020 an, Umsiedlungen japanischer Unternehmen zurück nach Japan oder in einen der zehn Staaten der ASEAN-Staatengemeinschaft finanziell zu unterstützen. Am 17. Juli 2020 veröffentlichte die Japan External Trade Organization (JETRO) eine Liste der ersten 30 für eine Förderung ausgewählten Unternehmen. Genau die Hälfte plant eine Ansiedlung in Vietnam, darunter Unternehmen aus den Bereichen Elektronik, Automobilzulieferung, Medizintechnik und Chemie.  

Der IKT- Bereich hat durch die Krise an Dynamik gewonnen. Home Office, Sicherheitsabstände in der Produktion und Reisebeschränkungen machen Internet of Things und Industrie 4.0-Lösungen wie Fernwartung, flexible Produktion und 3D-Druck von Ersatzteilen und Komponenten auch attraktiv für Unternehmen, die bislang entsprechende Investitionen scheuten.

Einige große und mittlere Unternehmen, so berichten Brancheninsider, denken über eine Digitalisierung von Unternehmensprozessen wie Personalverwaltung, Einkauf und Vertrieb nach, um mittelfristig kostenoptimierter arbeiten zu können. Inwieweit sich eine Digitalisierung von Unternehmensverwaltung und Produktion durchsetzen kann, wird aber erheblich davon abhängen, wie die Unternehmen es finanziell durch die Krise schaffen.

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