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Special | Vietnam | Seidenstraße
Chinesische Unternehmen sind bislang beim Aufbau der vietnamesischen digitalen Infrastruktur nur am Rande vertreten.
08.12.2020
Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Hanoi
Die digitale Seidenstraße verläuft, zumindest offiziell, noch nicht durch Vietnam. Große chinesische Namen, wie ZTE oder Huawei, die in der Vergangenheit durchaus im Land vertreten waren, sind abgesehen von dem Bereich Endgeräte nicht mehr im Markt sichtbar.
Vietnam ist stark darauf bedacht, seine Unabhängigkeit gegenüber dem nördlichen Nachbarn zu wahren. Ein zunehmend aggressives Agieren Chinas im Südchinesischen Meer belastet die Beziehungen zwischen beiden Ländern. In der vietnamesischen Bevölkerung hat China keinen guten Ruf. Chinesische Produkte und Projekte gelten als qualitativ minderwertig.
Der vietnamesischen Regierung allerdings ist klar, dass Vietnam China technologisch und militärisch unterlegen ist. Auch wirtschaftlich ist Vietnam in weiten Bereichen auf die VR China angewiesen. Die Regierung ist im Verhältnis zur VR China daher grundsätzlich auf Ausgleich bedacht. Auf der anderen Seite ist sie bestrebt, in Bezug auf die digitale Infrastruktur möglichst unabhängig von chinesischen Technologien zu bleiben.
In den Handelskonflikt zwischen der VR China und den USA, der sich zunehmend auf den Technologiebereich ausweitet, will Vietnam allerdings weder hineingezogen werden noch eindeutig Stellung beziehen.
Beobachter gehen davon aus, dass sich chinesische Digitalunternehmen durchaus im Land engagieren, wenn auch möglicherweise vermehrt über in Drittländern ansässige Tochter- und Verbundunternehmen. Denn der vietnamesische Digitalmarkt bietet angesichts einer nach wie vor im Aufbau begriffenen digitalen Infrastruktur starke Wachstumschancen.
Vietnam ist durch fünf große Kabelsysteme an globale Datenströme angebunden. Ein sechstes Kabelsystem soll 2022 in Betrieb gehen. Chinesische Unternehmen sind in zwei der sechs Betreiberkonsortien vertreten.
Der Asia-Pacific Gateway verbindet das Land mit unter anderem China und Hongkong. Vier der zwölf Parteien des Betreiberkonsortiums sind chinesische Unternehmen. Kabelbetreiber ist das japanische Unternehmen NEC. Der Asia-Pacific Gateway ist störungsanfällig. Immer wieder kommt es zu Unterbrechungen und/oder Ausfällen. Dies macht sich unmittelbar für die mehr als 60 Millionen Internetnutzer in verlangsamten Verbindungen im internationalen Datenverkehr bemerkbar.
Ein neues Netz ist im Aufbau und soll bis 2022 fertiggestellt werden. Das Asia Direct Cable (ADC) wird China (Provinz Guandong), Hongkong, Japan, die Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam verbinden. Im Betreiberkonsortium sind neben Unternehmen aus dem gesamten Asien-Pazifikraum mit China Telecom und China Unicom auch wichtige chinesische Telekommunikationsunternehmen vertreten. Verlegen wird das 9.400-Kilometer-Hochleistungsseekabel das japanische Unternehmen NEC.
Beim Aufbau des vietnamesischen 5G-Netzes bleiben chinesische Unternehmen, vor allem Huawei und ZTE, außen vor. Zwar hatte noch 2010 ZTE in Zusammenarbeit mit Ericsson den vietnamesischen Mobilfunkbetreiber Vinaphone beim Aufbau des 3G-Netzes unterstützt. Huawei kooperierte mit Viettel bei der Installation von 3G-Basisstationen. Bereits beim Übergang zu 4G aber haben sich alle vier Telekommunikationsanbieter des Landes mit Ericsson, Nokia und Samsung europäischen beziehungsweise koreanischen Kooperationspartnern zugewandt.
Der wichtigste vietnamesische Telekommunikationsbetreiber, das zum Militär gehörende staatliche Telekommunikationsunternehmen Viettel, arbeitet mit Ericsson und Nokia zusammen und will das 5G-Netz ab Ende 2020 flächendeckend auf Gesamtvietnam ausweiten.
Politische Gründe spielen zumindest nach offiziellen Aussagen keine Rolle bei der Wahl europäischer Anbieter, vielmehr verweisen Verantwortliche auf die langjährige Zusammenarbeit vietnamesischer und europäischer Akteure. Allerdings dürfte, so Beobachter, diese Begründung eher vorgeschoben sein. Gerade das Militär ist Beobachtern zufolge darauf bedacht, chinesischen Akteuren kein Einfallstor in das eigene Kommunikationsunternehmen und damit in die eigene Informationsinfrastruktur zu geben.
Das bedeutet aber nicht, dass vietnamesische Telekommunikationsunternehmen jede Zusammenarbeit mit chinesischen Unternehmen ablehnen. In Myanmar betreibt Viettel in Kooperation mit dem myanmarischen Militär (Tatmadaw) mit Mytel den drittwichtigsten Mobilfunkanbieter des Landes. Mytel kooperiert seit August 2019 nach Meldungen der Economic Intelligence Unit mit Huawei beim Aufbau des 5G-Netzes.
Der vietnamesische Datenzentrenmarkt ist bislang noch überschaubar. Dem Ministerium für Information und Kommunikation zufolge betrieben Mitte 2020 elf ausschließlich lokale Unternehmen, unter anderem FPT, Viettel und CMC, insgesamt 27 Datenzentren mit 270.000 Servern. Der Staat sichert Datenzentren gegen ausländische Investitionen ab. So wird deren Betrieb ab Inkrafttreten des neuen Investitionsgesetzes ab Januar 2021 zu den sogenannten Conditional Business Lines zählen. Insofern dürften in noch zu erlassenden Umsetzungsrichtlinien Beteiligungsgrenzen für ausländische Investoren vorgesehen werden.
Das Marktforschungsunternehmen TechSci Research prognostiziert für den vietnamesischen Cloud-Computing-Markt 2020 bis 2025 ein jährliches aggregiertes Wachstum von mehr als 15 Prozent. Die Umsätze lagen 2019 bei 181 Millionen US$ und sollen 2025 knapp 430 Millionen US$ erreichen.
Nach Angaben des Ministeriums für Information und Kommunikation decken vietnamesische Branchenunternehmen lediglich 20 Prozent des Marktes ab. Einen wesentlichen Teil des Marktes besetzen bislang ausländische Cloud-Betreiber wie IBM, Microsoft, Amazon Web Services, NTC Cloud Computing oder auch das deutsche Unternehmen SAP Asia. Als bislang einziges großes chinesisches Unternehmen bietet Alibaba seit 2020 Cloud-Dienstleistungen in Vietnam an.