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Branchen | Tschechische Republik | Wasserstoffwirtschaft

Tschechiens Wasserstoffstrategie als Chance für die Industrie

Angesprochen werden vor allem Akteure der Verkehrsbranche, Chemieindustrie und Energiewirtschaft. Auch die Entwicklung der Technologien soll gefördert werden.

Von Miriam Neubert | Prag

Die tschechische Regierung hat am 26. Juli 2021 eine Nationale Wasserstoffstrategie verabschiedet. Diese steht im Kontext der europäischen Wasserstoffstrategie für ein klimaneutrales Europa. „Es wird eine geförderte Branche sein, mit dem Ziel, Wasserstofftechnologien in Industrie, Energiewirtschaft und Verkehr zu bringen“, erklärte Vizepremier und Industrieminister Karel Havlíček, dessen Ressort für das Dokument verantwortlich zeichnet. Statt eines eigenen Förderprogramms kommt finanzielle Unterstützung aus verschiedenen Programmen, die aus Fonds der Europäischen Union (EU) oder nationalen Mitteln finanziert werden.  

Strategie umfasst vier Säulen

Strategisch geht es darum, die Treibhausgasemissionen so zu senken, dass die hochindustrialisierte Volkswirtschaft den Schritt hin zu kohlenstoffarmen Technologien möglichst glatt bewältigen kann. Von der Einführung progressiver Wasserstofftechnologien und einer auf diese ausgerichteten Forschung, Entwicklung und Produktion verspricht sich die Strategie Impulse für Exportpotenzial und Wirtschaftswachstum. Sie ruht auf vier Säulen, deren Aspekte analysiert und in SWOT-Analysen auf Chancen und Risiken abgeklopft werden. Die vier Säulen umfassen 1. die Herstellung, 2. die Nutzung von kohlenstoffarmen Wasserstoff, 3. den Transport von Wasserstoff und 4. die Technologieentwicklung.

Bei der Wasserstoffproduktion setzt Tschechien nicht nur auf die klimafreundliche Herstellung aus erneuerbaren Energien, sondern will auch andere alternative Quellen nutzen: Erdgas mit Auffangen und Bearbeitung des entstandenen Kohlenstoffdioxids (CO2); Pyrolyse und Plasmavergasung von organischen Abfällen; Elektrizität oder Wärme aus Atomkraftwerken.

Zum Einsatz kommen soll Wasserstoff zu Beginn vor allem im Verkehr als wettbewerbsfähige Alternative zu fossilen Treibstoffen. Als perspektivreich gelten der städtische Bustransport, der Straßenverkehr (Lkw und Pkw), die Eisenbahn, aber auch eine Nutzung in der Chemieproduktion. Mit sinkenden Preisen dürfte Wasserstoff dann für die Energiewirtschaft oder Industrie lohnend werden.

Der Bedarf der Wirtschaft an CO2-armem Wasserstoff wird im Jahr 2050 auf 1,7 Millionen Tonnen geschätzt. Die Strategie geht nicht davon aus, dass dies angesichts der heimischen Bedingungen für Sonne und Wind aus nationaler Produktion zu leisten ist. Das macht Importe nötig. Die Vorbereitung der Gasleitungen auf den Wasserstofftransport gelten als essenziell, auch um Tschechiens Stellung als Transitland zu sichern.

Bei Forschung und Entwicklung geht es vor allem um Komponenten für Wasserstofffahrzeuge und -infrastrukturen, um Fahrzeuge (Busse, Lkw, Pkw) und Anlagen zur Erzeugung (Elektrolyse, Pyrolyse). Daraus ergeben sich Chancen für eine Diversifizierung des stark auf den Kraftfahrzeugbau fokussierten verarbeitenden Gewerbes. Einige Unternehmen arbeiten schon länger in dem Bereich. So hat DEVINN aus Mladá Boleslav einen mobilen Wasserstoffgenerator als Energiequelle für netzferne Lagen entwickelt. Leancat Fuel Cell Technology entwickelt Brennstoffzellen und bietet Testequipment für Wasserstoffanwendungen an.

Tschechische Akteure und aktuelle Projekte

Wie viele andere Mitglieder der EU muss Tschechien als stark CO2-emittierende Volkswirtschaft eine klimaneutrale Wirtschaftsform finden. Dieser Paradigmenwechsel, der vonseiten der EU mit Geldern üppig gefördert wird, ruft immer mehr Unternehmen auf den Plan. Mehrere von ihnen haben Mitte Juli 2021 auf einer internationalen Konferenz des Ministeriums für Industrie und Handel Wasserstoffprojekte oder Projektskizzen vorgestellt.

Die zum polnischen Mineralölkonzern PKN Orlen gehörende Gruppe Orlen Unipetrol ist Tschechiens größter Hersteller von grauem, also aus fossilen Brennstoffen gewonnenen, Wasserstoff. Jährlich sind es etwa 80.000 Tonnen. Sie plant eine Produktion grünen Wasserstoffs, der im Verkehrssektor zum Einsatz kommen soll. Aktuell errichtet Orlen Unipetrol auch mit EU-Hilfen Wasserstofftankstellen in sechs tschechischen Städten und arbeitet an einer H2-Wertschöpfungskette in Mitteleuropa. Geplant sind in Tschechien 22 weitere Tankstellen und eine Elektrolysekapazität von 80 Megawatt (MW).

Zu einem Hauptspieler auf dem Markt will der halbstaatliche Energiekonzern ČEZ mit grünem Wasserstoff aus eigenen erneuerbaren Stromkraftwerken werden. Er verfolgt aktuell 15 Projektideen zu Produktion und Einsatz von Wasserstoff und peilt insgesamt über 10 MW an Elektrolysekapazität im Jahr 2025 an.

Vítkovice Cylinders ist ein führender Hersteller von Druckzylindern, der auch Wasserstoffdrucksysteme für den Transport fertigt. Es regt einen strategischen Speicher für Wasserstoff an, der in der EU einzelne Inselsysteme verbinden könnte, um Überschüsse und Nachfrage zu verbinden.

Die Gesellschaft Millenium Technologies ist auf die Plasmavergasung von Abfällen spezialisiert. Sie plant ein Projekt zur materiellen Nutzung nichtrecyclebarer Kunststoffe mit Wasserstoffproduktion.

Eine Wasserstoff-Lkw-Flotte und ein Tankstellensystem in Mitteleuropa - das ist das Projekt Black Horse der Firma Bioway. Dieses von Tschechien, der Slowakei und Polen eingebrachte Großvorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEI) plant allein in Tschechien 40 Wasserstofftankstellen an den TEN-T-Korridoren und die Produktion von 23.000 Tonnen grünem Wasserstoff im Jahr. Es sieht des Weiteren zwischen 2022 und 2030 die Bereitstellung von 2.000 Lkw und 145 Bussen mit Wasserstoffantrieb vor.

Diese und weitere Projekte finden sich in einer Anlage zur Wasserstoffstrategie.

An der Genese der Strategie war auch die Tschechische Wasserstofftechnologie-Plattform HYTEP beteiligt. Diese vereint rund 30 der in diesem Feld engagierten Unternehmen und Forschungseinrichtungen des Landes. Sie tritt schon länger für eine effiziente Nutzung auch der gegenwärtig schon vorhandenen Produktionskapazitäten ein. HYTEP zufolge werden in Tschechien jährlich mehr als 100.000 Tonnen Wasserstoff hergestellt, vorrangig in der petrochemischen und chemischen Industrie.

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