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Zuständige Gerichte

Germany Trade & Invest (Stand: 24.7.2018)

Ist der deutsche Unternehmer gezwungen, seine Forderungen gerichtlich durchzusetzen, muss er den tschechischen Dienstleistungserbringer vor dem zuständigen Gericht verklagen. Bei Gerichtsprozessen zwischen Parteien aus verschiedenen Staaten muss hierzu geklärt werden, ob die Gerichte des einen oder des anderen Staates den Streit entscheiden dürfen.

Das Gericht, vor dem man klagt (oder verklagt wird), muss also international zuständig sein. Die Frage nach dem Ort, an dem in diesem Staat geklagt werden kann bezeichnet man als örtliche Zuständigkeit des jeweiligen Gerichts. Schließlich ist noch zu klären, ob es speziellen Gerichten vorbehalten ist, in dem Fall zu entscheiden (sachliche Zuständigkeit). Dies kann sich beispielsweise nach Art oder Höhe der Forderung richten.

Internationale Zuständigkeit

Bei Streitigkeiten zwischen tschechischen Dienstleistungserbringern und deutschen Dienstleistungsempfängern richtete sich im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Frage der internationalen und örtlichen Zuständigkeit zunächst nach der Verordnung (EG--Europäische Gemeinschaft) Nr.--Nummer 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO, auch Brüssel-I-Verordnung genannt). Die Brüssel-I-Verordnung wurde zum 10.1.2015 durch die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ersetzt werden. Die neue Verordnung sieht unter anderem vor, dass die Vollstreckung eines Gerichtsurteils aus einem EU-Mitgliedstaat in einem anderen EU-Mitgliedstaat ohne besondere Vollstreckbarerklärung durchgeführt werden kann. Gerichtsstandsvereinbarungen werden dabei auch weiterhin grundsätzlich zulässig sein. Darunter versteht man eine Vertragsklausel, die bestimmt, an welchem Ort oder vor welchem Gericht bei Streitigkeiten geklagt werden darf.

Es ist also möglich, mit einer Gerichtsstandsvereinbarung die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts vertraglich zu bestimmen. Auch wenn gemäß Artikel 25 EuGVVO nicht nur schriftliche Gerichtsstandsvereinbarungen möglich sind, ist eine ausdrückliche schriftliche Vereinbarung zwischen den Parteien jedoch ratsam. Auch bei Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung kann sich deren Unwirksamkeit bei bestimmten Angelegenheiten, zum Beispiel Versicherungs- und Verbraucherverträgen, ergeben.

Fehlt eine Gerichtsstandsvereinbarung im Vertrag, sind nach Artikel 4 EuGVVO grundsätzlich die Gerichte des Wohnsitzstaates des Beklagten international zuständig. Für juristische Personen wie zum Beispiel eine GmbH wird (mangels Wohnsitzes) auf den satzungsmäßigen Sitz, die Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung abgestellt.

Denkbar sind im Ergebnis also Fälle, in denen bei Streitigkeiten deutscher Dienstleistungsempfänger mit tschechischen Dienstleistern vor einem tschechischen Gericht zu klagen wäre:

  1. Eine (wirksame) Gerichtsstandsvereinbarung sieht dies ausdrücklich vor oder
  2. beim Fehlen einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung lässt sich die internationale Zuständigkeit des tschechischen Gerichts ggf.--gegebenenfalls direkt aus der EuGVVO ableiten.

In diesen Fällen stellt sich für den deutschen Dienstleistungsempfänger die Frage, nach der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit des tschechischen Gerichts.

Örtliche und sachliche Zuständigkeit

Die tschechische Gerichtsverfassung ist vierstufig gegliedert mit einem Zweiinstanzenzug. Eine gesonderte Finanz-, Arbeits- oder Sozialgerichtsbarkeit wie in Deutschland gibt es nicht. Unterste Ebene des Gerichtsystems bilden in Zivil- und Strafsachen die 75 Bezirksgerichte (Okresní soud), die 10 Prager Stadtbezirksgerichte (Obvodní soud) und das Stadtgericht (Městský soud) in Brno (Brünn).

Die zweite Ebene besteht aus den 8 Landgerichten (Krajsky soud) und dem Hauptstadtgericht (Městský soud) in Prag.

Zwischen dem Obersten Gericht (Nejvyšší soud) der Tschechischen Republik (Straf-, Zivil- und Handelskammer) und der zweiten Ebene steht das Obergericht (Vrchní soud) in Prag mit seiner Zuständigkeit für Böhmen beziehungsweise in Olomouc (Olmütz) mit seiner Zuständigkeit für Mähren.

Daneben wurde zum 1.1.2003 das Oberste Verwaltungsgericht (Nejvyšší správní soud)  in Brünn als höchste verwaltungsgerichtliche Instanz ins Leben gerufen. Das ebenfalls in Brünn angesiedelte Verfassungsgericht (Ústavní soud) zählt nicht zum System der ordentlichen Gerichtsbarkeit im engeren Sinne, obgleich dorthin gerichtete Verfassungsbeschwerden gegen Gerichtsentscheidungen möglich sind, soweit Grundrechte oder Grundfreiheiten betroffen sind.

Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts (Místní příslušnost soudů) bestimmt sich in Tschechien nach den §§ 84-89a der tschechischen Zivilprozessordnung (Občanský soudní řád, Gesetz Nr. 99/1963 Sb., im Folgenden abgekürzt ZPO). Danach ist grundsätzlich der Gerichtsstand des Beklagten maßgebend (bei einer natürlichen Person ist der Wohnsitz, beim Kaufmann die Lage der Geschäftsräume und bei einer Firma der Firmensitz entscheidend), mithin ist regelmäßig das Bezirksgericht (Okresní soud), in dessen Bezirk sich Wohnsitz, Geschäftsräume oder Firmensitz des Beklagten befinden, zuständig.

Abweichend von diesem Grundsatz regelt § 88 die Fälle, in denen zwingend ein anderes Gericht örtlich zuständig ist (sogenannte ausschließliche örtliche Zuständigkeit) und § 87 die Fälle, in denen man freiwillig eine andere Zuständigkeit wählen kann. Eine von der gesetzlichen Regel abweichende Vereinbarung des Gerichtsstandes ist zwischen Kaufleuten nach § 89a grundsätzlich möglich, soweit kein ausschließlicher Gerichtsstand nach § 88 gegeben ist.

Nicht zu verwechseln ist diese Vereinbarung über die Zuständigkeit eines an und für sich sachlich oder örtlich nach nationalem Recht unzuständigen Gerichts mit einer Gerichtsstandsvereinbarung für internationale Verfahren, wie sie etwa auch im tschechischen IPR-Gesetz (Zákon o mezinárodním právu soukromém, Gesetz Nr. 91/2012 Sb.) vorgesehen ist.

Die sachliche Zuständigkeit des Gerichts (Věcná příslušnost soudů) richtet sich in Tschechien nach den §§ 9-12 ZPO. Weitere Einzelheiten finden sich auf den Seiten des sogenannten Europäischen Justiziellen Netzes zur gerichtlichen Zuständigkeit in Tschechien.

Rechtsmittel

In Tschechien kann Berufung (Odvolání, §§ 201ff. der tschechische Zivilprozessordnung (Občanský soudní řád, Gesetz Nr.--Nummer 99/1963 Sb., zuletzt geändert durch Gesetz Nr. 293/2013 Sb.) grundsätzlich gegen Urteile eingelegt werden, falls der Streitwert 10.000 (ca. 364 Euro) übersteigt. Die Berufungsfrist beträgt dabei 15 Tage und wird ab dem Tag der Zustellung der Gerichtsentscheidung an gerechnet. In der Berufungssache entscheidet jeweils das Gericht der nächsthöheren Instanz; das angefochtene Urteil ist bis zur Entscheidung des Berufungsgerichts weder rechtskräftig noch vollstreckbar.

Gegen Gerichtsbeschlüsse kann in Tschechien grundsätzlich im Wege der Beschwerde vorgegangen werden. Neben den ordentlichen Rechtsmitteln der Berufung und der Beschwerde sieht die tschechische Rechtsordnung die außerordentlichen Rechtsbehelfe der Wiederaufnahmeklage (bei nachträglich auftauchenden Tatsachen, Entscheidungen oder Beweisen und bereits rechtskräftiger Gerichtsentscheidung, Žaloba na obnovu řízení a pro zmatečnost, §§ 228-235i), der Nichtigkeitsklage (bei grundsätzlich fehlerhafter Gerichtsentscheidung) und der Revision (Dovolání, §§ 236-243g) vor.

Germany Trade & Invest (Stand: 24.7.2018)

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