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Wirtschaftsumfeld | Türkei | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten

Arbeitsmarkt

Ausländische Unternehmen in der Türkei stufen das Ausbildungsniveau als gut ein. Dennoch ist die Personalsuche teils schwierig. 

Von Katrin Pasvantis | Istanbul

Die Türkei hat mit rund 85 Millionen Menschen eine ähnlich hohe Bevölkerungszahl wie Deutschland. Allerdings ist das Durchschnittsalter mit 34 Jahren (2022) deutlich jünger. Gleichzeitig liegt das Lohnniveau beträchtlich unter dem in Deutschland. Die Lohnkostenvorteile sind jedoch geringer als an manchen osteuropäischen Standorten. Ein wichtiger Faktor sind die hohen Lohnnebenkosten. Sie begünstigen die Verbreitung von Schattenwirtschaft mit illegaler Beschäftigung. Die Einkommen weisen große regionale Unterschiede auf.

Allgemeine Arbeitsmarktdaten 2022

Bevölkerung (in Mio.)

85,3

Erwerbspersonen (Bevölkerung älter als 15 Jahre und jünger als 65 Jahre, in Mio.) 1)

58,1

Erwerbstätige (in Mio.) 1)

31,4

Arbeitslosenquote, offizielle (in %, nach ILO Definition) 2)

10,4

Analphabetenquote (in %) 3)

2,4

Universitätsabschluss (in %) 4)

23,9

1 Ende 4. Quartal 2022, saisonbereinigt; 2 Dezember 2022; 3 Anteil an der Bevölkerung ab 6 Jahren; 4 Anteil an der Bevölkerung ab 25 Jahren.Quelle: Türkisches Statistikamt TÜIK 2023; ILOSTAT Datenbank 2023

Die Türkei zählt als Schwellenland zu den wachstumsstarken Volkswirtschaften in Europa. Allerdings treffen die ausufernde Inflation und der Kursverlust der Türkischen Lira seit Ende 2021 das Land und seine Beschäftigten hart. Die Gehaltserhöhungen fangen die Verluste nur teilweise ab, die Reallöhne sinken. Das starke Wirtschaftswachstum des Vorjahres hat sich 2022 halbiert und könnte weiter nachlassen. Der Internationale Währungsfonds erwartet in seiner Frühlingsprognose für das Gesamtjahr 2023 ein reales Plus von nur noch 2,7 Prozent.

Jugendarbeitslosigkeit bleibt Herausforderung

Trotz des Wirtschaftswachstums bleibt die Arbeitslosenquote in der Türkei hoch. Im 1. Quartal 2023 lag sie bei 10 Prozent. Nur etwa die Hälfte der Bevölkerung im Alter zwischen 15 und 64 Jahren ging im März 2023 einer offiziellen Beschäftigung nach. Der Anteil der Frauen auf dem Arbeitsmarkt nimmt zwar zu, ist aber gering. Ihr Anteil an den Erwerbstätigen betrug im März 2023 rund 31 Prozent. Bedenklich ist die hohe Anzahl beschäftigungsloser junger Menschen zwischen 15 und 24 Jahren. Im März 2023 ging jede fünfte Person in dieser Altersklasse weder einer Ausbildung nach noch war sie in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt. Die Übertragung der Wirtschaftsdynamik auf den Arbeitsmarkt dürfte daher auch in den kommenden Jahren eine der größten Herausforderungen für die türkische Regierung darstellen.

Trend zum hybriden Arbeiten hält an

Umfragen zufolge haben während der Coronapandemie in der Türkei etwa die Hälfte der Arbeitgeber von Büroangestellten ein hybrides Arbeitsmodell eingeführt. Viele Unternehmen setzen heute weiter auf den Wechsel zwischen Homeoffice und Büro, wobei die Zeit im Homeoffice häufig weniger geworden ist.  

Branchen wie Tourismus, Restaurant- und Gastgewerbe sowie der Einzelhandel, die für die Beschäftigung in der Türkei von großer Bedeutung sind, haben nach der Aufhebung der Coronaschutzmaßnahmen seit 2022 wieder einen Anstieg verzeichnet. Die Tourismusbranche spricht bereits von einem Fachkräftemangel.

Personalsuche ist schwierig

Wenngleich ausländische Unternehmen das Bildungsniveau der Arbeitskräfte in der Türkei meist als gut bezeichnen, bestehen im Ausbildungssystem erhebliche Defizite, insbesondere hinsichtlich der praktischen Berufsbildung. Es gibt zahlreiche Internetportale für die Personalsuche wie kariyer.net, Yenibiris, Secretcv, Indeed oder eleman.net. Für die Suche nach Büroangestellten ("Beyaz Yaka“, beziehungsweise "weiße Kragen“) könnte Linkedin Talent Solutions nützlich sein und für Arbeiter ("Mavi Yaka“ beziehungsweise "blaue Kragen“) die türkische Arbeitsagentur İşkur. Außerdem veranstaltet die Deutsch-Türkische Industrie- und Handelskammer üblicherweise jährlich eine Jobbörse in Istanbul. Die nächste Veranstaltung ist am 25. November 2023 geplant.

Bei der Besetzung hochrangiger Führungspositionen beziehungsweise unternehmenskritischer Positionen bietet es sich an, mit Personalvermittlungsagenturen zusammenzuarbeiten. Diese verfügen über eigene Datenbanken und können deshalb Stellen meist schneller besetzen. Außerdem bewerben sich Kandidaten auf diesem Level weniger über Internetportale oder Stellenanzeigen. Zu den Agenturen zählen unter anderem Adecco, Doğa İnsan Kaynakları, FMC Human Resources, Human Kapital, KRM, Manpower, Michael Page und Randstad.

Zuwanderung belastet Arbeitsmarkt

Die verstärkten Migrationsbewegungen setzen den Arbeitsmarkt erheblichen Belastungen aus. Einerseits lässt sich ein Trend der Abwanderung von Inländern aus den östlichen in die westlichen Provinzen beobachten. Dieser ist zum Teil auf politische Spannungen in Südostanatolien zurückzuführen. Die verheerenden Erdbeben im Südosten der Türkei im Februar 2023 haben zusätzlich zu einer Migrationswelle in die Städte im Westen des Landes geführt. Andererseits steigt die Zahl der Flüchtlinge weiter an. Aktuell leben etwa 4 Millionen registrierte Geflüchtete aus Ländern wie Syrien, Afghanistan, Pakistan und dem Irak in der Türkei.

Zuwanderer bieten ihre Arbeitskraft häufig weit unter den sonst üblichen Löhnen an. Daher kommt es zu Konflikten mit örtlichen Beschäftigten, die sinkende Einkommen und ein geringeres Lohnniveau befürchten. Laut dem türkischen Statistikamt TÜIK (Türkiye İstatistik Kurumu) arbeitete im 1. Quartal 2023 in der Türkei jeder vierte Beschäftigte unangemeldet. Ohne Berücksichtigung der Landwirtschaft waren es rund 16 Prozent.

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