Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Special l Tunesien l Wege aus der Coronakrise

Konjunktur und wichtigste Branchen

Tunesiens Regierung fociert die Gespräche mit Partnern, um die Herausforderungen zu meistern. Das Infektionsgeschehen im Land bleibt noch gering. (Stand: 30. November 2021) 

Von Peter Schmitz | Tunis

Tunesien erlebte einen turbulenten Sommer 2021. Nachdem das Impfprogramm spät und nur langsam startete, kam es im Juli und August besser in Fahrt. Stand Ende November 2021 sind 45 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Die Inzidenz war bereits Mitte Juli abrupt gesunken, auch der Anteil der positiven Tests ist inzwischen im niedrigen einstelligen Bereich. Ähnlich wie in anderen Ländern ist eine der Herausforderungen die Impfquote weiter zu erhöhen, um eine neue Welle im Verlauf des Herbstes zu verhindern. Ende November 2021 lagen die Infektionszahlen weiterhin um oder unter 100 Neuinfektionen am Tag.

Die Auflagen im Land bleiben gelockert. Weiterhin obliegt es den Gouvernoraten, diese auch zu verschärfen. Landesweit gilt eine Kapazitätsbegrenzung von 50 Prozent in geschlossenen Räumen, bei öffentlichen Veranstaltungen auch im Freien. In öffentlichen Gebäuden und im ÖPNV gilt weiterhin eine Maskenpflicht. Versammlungen und Veranstaltungen sind aber möglich, eigentlich sollte aber die vollständige Impfung der Teilnehmer kontrolliert werden.

Mit dem Auftreten der neuen Omikron-Variante des Coronavirus wurden die Einreisebestimmungen wieder verschärft. Ohne vollständigen Impfnachweis ist es Personen ohne Wohnsitz die Einreise nicht erlaubt.

Nach einem Einbruch des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von mehr als 8 Prozent im Jahr 2020 liegen die Wachstumsprognosen für 2021 bei etwa 3 Prozent, was angesichts des ersten Halbjahres allerdings immer noch optimistisch erscheint. Der Tourismus setzt auf die Zukunft, die sich angesichts der neuen Variante des Virus aber nocheinmal verschieben dürfte. Die wichtigsten Herkunftsländer - zuletzt auch Deutschland - hatten Tunesien von der Liste der Hochrisikogebiete genommen haben. Unter anderem hat TUI Tunesien nach etwa eineinhalb Jahren wieder im Programm. Die Ende November 2021 aufgetrene neue Variante des Virus könnte die Hoffnungen auf wesentliche Erholung im Tourismus aber ausbremsen. 

Industrieentwicklung in Europa im Blick

Sorgen bereiten auch andere Themen. Die schwächelnde Industrieproduktion in Europa wirkt sich auf die Nachfrage nach Zulieferprodukten aus, für Tunesiens exportorientierte Industrie ein sehr wichtiger Faktor. Insbesondere für die europäische Automobilindustrie ist Tunesien seit Jahrzehnten ein wichtiges Glied in der Lieferkette. Gegenüber dem Jahr 2020 dürfte es aber trotzdem einen Zuwachs geben, was auch an einigen Neuansiedlungen und Erweiterungen bestehender Unternehmen liegt. Gute Nachrichten kamen zu Jahresbeginn aus der Textilindustrie. Hier gab es steigende Investitionen. Einer Umfrage zufolge hätten immerhin 87 Prozent der Unternehmen die Produktion aufrechterhalten.

Tourismus setzt auf alte Bekannte und neues Angebot

Offensichtlich war der Einbruch im Tourismus. Tunesien öffnete seine Grenzen Ende Juni 2020 wieder, auch für Touristen. Aber nachdem 2019 etwa 9,5 Millionen Touristen das Land besucht hatten, waren es 2020 nur knapp über 2 Millionen; 2021 werden es wohl nicht mehr werden. Immerhin sind mit den erleichterten Reisebedingungen nun die Aussichten für das kommende Jahr besser. Mit rund 13 Prozent Beitrag zum BIP und 400.000 Arbeitsplätzen spielt der Tourismus eine zentrale Rolle für die Gesamtwirtschaft. Tunesien versucht weiterhin, das touristische Angebot zu diversifizieren. Unterstützung gibt es dabei unter anderem von der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. Ziel ist die Förderung von nachhaltigen Tourismusprojekten, insbesondere im Landesinneren.

Im Dienstleistungsbereich lagen auch die ausländischen Direktinvestitionen im Vergleichszeitraum 2020 bei etwa 6 Millionen Euro, in den ersten drei Monaten 2021 hingegen bei über 11 Millionen Euro. IT-Dienstleitungen gelten als Hoffnungsträger für die Zukunft Tunesiens. Aktuell ist hier immerhin schon ein Lichtblick auszumachen.

Weitere Informationen
  • Informationen zur allgemeinen Wirtschaftsentwicklung finden Sie im Wirtschaftsausblick Tunesien.
  • Trends in weiteren Wirtschaftszweigen zeigt der Branchencheck Tunesien.
  • Für praktische Fragen bietet sich der Kontakt zur Deutsch-Tunesischen Industrie und Handelskammer (AHK Tunesien) an.


Politische Krise sorgt für Unsicherheit

Relativ ungewiss ist, wer die Zukunft des Landes gestaltet. Präsident Kais Saied regiert seit dem 25. Juli 2021 per Dekret, das Parlament bleibt vorerst suspendiert. Immerhin wurde Ende September eine Premierministerin berufen, Mitte Oktober auch eine Regierung vorgestellt. Nun gilt es abzuwarten, wie sich die Entscheidungsprozesse gestalten. Internationale Partner warten auf ihre Ansprechpartner. Noch ist nicht absehbar, ob, wie und wann der politische Prozess wieder in geregelten Bahnen abläuft. Der Präsident möchte eine grundlegende Verfassungsreform mit einer Schwächung des Parlaments, viele Vertreter politischer Parteien wollen dies aus naheliegenden Gründen nicht.  

Doch die Zeit drängt. Die Verschuldung ist auf Rekordniveau. Die Kreditwürdigkeit Tunesiens wurde Mitte Oktober 2021 erneut herabgestuft, Moody's versetzte das Land von B3 nach Caa1, mit einem negativen Ausblick. Fitch hatte Tunesien im Juli von B auf B- herabgesetzt. Eine Delegation des Internationalen Währungsfonds besucht noch im Oktober das Land, um Kontakte mit der neuen Regierung für weitere Gespräche zu knüpfen. Derweil streckt die neue Regierung ihre Fühler nach alternativen Geldquellen aus, die offenbar in einigen arabischen Staaten vermutet werden.

Dieser Inhalt gehört zu

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.