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Auch in der Pandemie setzen US-Firmen auf recycelte Kunststoffe

Unternehmen errichten in den USA neue Fabriken für Kunststofferzeugnisse. Trotz gestiegener Preise dürfte sich die Nachfrage 2021 wieder in einigen Branchen beleben.

Von Heiko Steinacher | San Francisco

Insgesamt hat Covid-19 die Kunststoffbranche nicht ganz so stark getroffen wie zunächst befürchtet. Denn für Schutzausrüstung und Laborverbrauchsmaterialien sowie in der Krisenzeit stark begehrte Unterhaltungs- und Haushaltselektronik wird viel Kunststoff benötigt. Die erhöhte Nachfrage nach Onlineshopping und Essen zum Mitnehmen trieb außerdem den Verpackungsbedarf in die Höhe.

Kurzfristig geschieht das oft zu Lasten der Umwelt. Zumal auf Rohöl basierende Materialien nun billiger sind, sodass es recycelte Kunststoffe auf dem Markt schwerer haben. Bis die durch die Pandemie stark gebeutelte US-Rohölproduktion wieder ihr Vorkrisenniveau erreicht, dürfte es aber noch ein bis zwei Jahre dauern. Das betrifft auch die nachgelagerte Wertschöpfung, wie Kunststoffe. Außerdem stehen viele Anbieter noch durch massive Ausfälle im Zuge der Wintereinbrüche in weiten Teilen der USA unter Druck: Diese haben zu erheblichen Verzögerungen beim Wiederanfahren von Raffinerien, Petrochemie-Komplexen und Polymer-Produktionslinien geführt.

Versorgungsengpässe treiben Kunststoffpreise nach oben

Polyethylen (PE) hoher Dichte und Blasformharze sind in den USA derzeit schwer zu bekommen. Kunststoffgranulat für Spritzguss ist laut einem Bericht des Branchenportals PlasticsToday von Mitte April 2021 praktisch nicht vorhanden. Demgegenüber steht eine anhaltend hohe Nachfrage nach Kunststoffverbindungen sowohl im US-Gesundheitswesen als auch für Konsumgüter. Zudem erholen sich wichtige Nachfragerbranchen wie die Automobilindustrie. Diese zählt zu den Großkunden von Polykemi: Wie erst vor wenigen Tagen verlautete, will das schwedische Unternehmen für 11,8 Millionen US-Dollar (US$) bei Charlotte, North Carolina, eine Fabrik für Kunststoff-Compounds bauen.

Die Knappheit an Kunststoffen wirkt sich auf die Preise aus: Polyethylenterephthalat-Harz (PET) hat sich in den USA in den neun Folgemonaten nach dem Rekordtief im Juni 2020 wieder um 17 Prozent verteuert. Bei PE und Polypropylen (PP) gab es allein im 1. Quartal 2021 Preisanstiege im zweistelligen Prozentbereich. Erst wenn 2022 wieder mehr neue Anlagen in Betrieb gehen, dürfte der Preisdruck nachlassen, erwartet Joel Morales vom Analysehaus IHS Markit.

Noch viel Potenzial bei Recyclingkunststoff vorhanden

Ob 2021 die US-Nachfrage nach Recyclingkunststoff steigen wird, ist schwer zu sagen. Das Potenzial dafür wäre groß, zum Beispiel bei wiederverwendbarem PET: Laut einem Bericht des Wirtschaftsmagazins Forbes von Mai 2020 kommen in den USA pro Kopf jährlich etwa 290 PET-Flaschen in Umlauf, mehr als doppelt so viele wie in der Europäischen Union (EU). Bei der Sammel- und Recyclingquote ist das Bild aber genau umgekehrt: In den USA werden nur circa 30 Prozent aller Kunststoffflaschen gesammelt (in der EU rund 60 Prozent), während etwa 70 Prozent auf Deponien landen (30 Prozent).

Manche US-Konzerne haben hohe Summen in Forschungs- und Entwicklungsprojekte investiert, darunter Coca-Cola in das chemische Recycling von PET-Verpackungen. Auch kleinere Unternehmen investieren, um die immer strengeren Recyclinganforderungen erfüllen zu können: Zum Beispiel hat der US-Kunststoffproduzent PolyQuest angekündigt, das PET-Recycling in seinem Werk in Darlington, South Carolina, ausbauen zu wollen.

Nexus Fuels hat sich im Jahr 2021 bereits eine 20-Millionen-US$-Finanzspritze von Cox Enterprises gesichert. Das US-Start-up wandelt Kunststoffabfälle durch thermo-chemisches Recycling wieder in seine ursprünglichen Bestandteile um. Partner wie Shell und Chevron Phillips entwickeln daraus neue Produkte.

Danimer Scientific will an seinem Stammsitz in Bainbridge, Georgia, 700 Millionen US$ in eine neue Anlage zur Fertigung des Biokunststoffs Polyhydroxyalkanoat (PHA) investieren. Grund: die steigende Nachfrage nach PHA-Produkten seitens multinationaler Großunternehmen. Mit einigen hat das US-Biotechnologieunternehmen Partnerschaften geschlossen, darunter mit dem Nahrungsmittelkonzern Nestlé und dem Spirituosenhersteller Bacardi.

Auch Recyclingmaterialien könnten bald teurer werden

Im Landesmaßstab gesehen sind diese Investitionen aber viel zu wenig. In Kalifornien müssen PET-Flaschen bereits bis 2022 zu 15 Prozent aus recyceltem Kunststoff bestehen (2025: 25 Prozent; 2030: 50 Prozent). Zumindest im Golden State dürfte daher die Nachfrage danach bereits im 2. Halbjahr 2021 steigen. Solange die USA aber nicht mehr Kunststoffe einsammeln und wiederverwerten, dürfte das knappe Angebot die Preise in die Höhe treiben: „PET-Ballen und lebensmitteltaugliches Granulat würden sich dadurch in den nächsten Jahren verteuern“, sagt Rob Stier vom Preis-Informationsdienst S&P Global Platts.

Das könnte deutschen Exporteuren Chancen eröffnen, trotz gestiegener Frachtkosten und Verzögerungen bei der Abfertigung an US-Seehäfen. Unternehmen wie die 2016 von Borealis übernommene mtm plastics aus Thüringen liefern auch in der Coronazeit Recyclinggranulat aus Kunststoffabfall in die USA. Hersteller von Spritzgieß- und Extrusionsanlagen betonen, dass die Maschinen nur geringfügig – wenn überhaupt – angepasst werden müssten, um solche Produkte verwenden zu können, was das Marktpotenzial von Sekundärkunststoffen noch unterstreicht.

Rohrhersteller hoffen auf staatliches Infrastrukturprogramm

Auch kommen in den USA immer mehr Kunststoffrohre zum Einsatz. Das – in Verbindung mit dem billionenschweren Infrastruktur-Investitionsprogramm, das US-Präsident Joe Biden plant – lässt die Herzen vieler Ausrüster höher schlagen. Um seine Präsenz an der US-Ostküste zu verstärken, wird Pipeline Plastics Holdings für 4,6 Millionen US$ ein Werk in Fair Bluff, North Carolina, hochziehen: Das US-Unternehmen spezialisiert sich auf die Herstellung von PE-Vollwandrohren, die im Infrastrukturbau eingesetzt werden. Einen besonders großen Bedarf an Kunststoffen zöge der von Biden geplante Ausbau der Elektromobilität nach sich.

Darüber hinaus führen hohe Holzpreise dazu, dass im US-Wohnungsbau statt Bauholz zunehmend Kunststoffe verwendet werden.

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