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NeuConnect: Erster deutsch-britischer Interkonnektor geplant

Mit "NeuConnect" werden Deutschland und die britische Insel 2026 erstmals durch ein Stromkabel verbunden sein. Das britische Geschäft mit Interkonnektoren brummt schon heute.

Von Marc Lehnfeld | London

Bei ihrem letzten Amtsbesuch im Königreich Anfang Juli 2021 sprach die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Premierminister Boris Johnson auch über die erste direkte Stromverbindung zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich. Von dem Interkonnektor „NeuConnect“ können beide Länder profitieren.

Das Großprojekt umfasst ein 720 Kilometer langes Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungskabel (HGÜ-Kabel), das von der Isle of Grain (östlich von London) durch die Nordsee bis zum niedersächsischen Wilhelmshaven führt. Der Interkonnektor kann laut Projektgesellschaft 1,4 Gigawatt Strom in beide Richtungen transportieren und damit Strom für circa 1,5 Millionen Haushalte bereitstellen. 

Deutsch-britischer Interkonnektor "NeuConnect"
Deutsch-britischer Interkonnektor "NeuConnect" | © GTAI

Planungen für deutsch-britisches Stromkabel kommen voran

Das Projekt würde Aufträge im Wert von rund 1,1 Milliarden Euro auslösen. Seit 2019 ist NeuConnect mit möglichen Auftragnehmern im Gespräch, überwiegend für zwei Konverterstationen und die Stromkabelverbindung am Meeresboden und an Land.

Das Projekt soll per EPC-Vertrag (Engineering, Procurement and Construction) an einen Generalunternehmer vergeben werden, der aber noch nicht bekannt ist. "Wir rechnen mit einer finalen Investitionsentscheidung zum Ende des Jahres und beauftragen dann die Zulieferer", erklärt Torsten Garmatz, Projektmanager bei NeuConnect. "Entwickelt sich das Projekt nach Plan, ist mit einer Inbetriebnahme im Jahr 2026 zu rechnen." Das Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren ist auf der britischen Landseite bereits abgeschlossen, die Offshore Genehmigungen für die Niederlande und das Vereinigte Königreich werden im Oktober 2021 erwartet. Auf deutscher Seite wird mit einer Entscheidung im Frühjahr 2022 gerechnet. 

Das Projekt wird von der Europäischen Kommission als "Project of Common Interest" (PCI) eingestuft und vom Investorenkonsortium bestehend aus Meridiam, Allianz Capital Partners und Kansai Electric Power vollständig privat finanziert. Über das durch den britischen Netzregulierer Ofgem genehmigte "cap and floor"-Verfahren operiert der Interkonnektor auf Basis einer staatlichen Mindestvergütung (floor), allerdings sind auch die Maximaleinnahmen gedeckelt (cap). 

Weitere Interkonnektorenprojekte auf der Insel geplant

NeuConnect ist zwar die erste deutsch-britische Stromverbindung, aber nicht der erste britische Interkonnektor. Aktuell werden bereits sechs Interkonnektoren mit einer Kapazität von 6 Gigawatt betrieben. Sie sind außerdem ein wichtiger Bestandteil im britischen Stromnetz.

Im letzten Jahr wurden 5,4 Prozent des britischen Strombedarfs durch Nettoimporte gedeckt. Im 1. Quartal 2021 stieg der Anteil auf 7 Prozent - der höchste Wert seit 2015. Für den Anstieg ist auch die Inbetriebnahme des 1 Gigawatt starken britisch-französischen Interkonnektors IFA2 verantwortlich. Mit dem geplanten Anschluss des 1,4 Gigawatt starken North Sea Link Interkonnektors mit Norwegen profitiert der britische Energiemarkt ab Oktober 2021 zusätzlich von günstigeren Strompreisen norwegischer Wasserkraft.

Entwicklung der britischen Nettostromimporte
Entwicklung der britischen Nettostromimporte | © GTAI

Der steigende Strombedarf im Land lockt außerdem neben NeuConnect weitere Investoren an: In Bau befindet sich derzeit unter anderem der "Viking-Link"-Interkonnektor nach Dänemark mit einer Kapazität von 1,4 Gigawatt, dessen Inbetriebnahme Ende 2023 vorgesehen ist. Zudem geplant ist das Kabel "Greenlink", das mit einer Leistung von 500 Megawatt Wales und Irland verbinden soll und nach Baustart in 2022 schon 2024 ans Netz gehen könnte. In beiden Projekten gehört Siemens Energy zu den Generalunternehmern. 

Wie bedeutend die Interkonnektoren für die britische Energiewirtschaft sind, wurde erst vor kurzem deutlich, als am 15. September 2021 die 2 Gigawatt starke britisch-französische Verbindung IFA1 nach einem Feuer ausfiel. Zwar waren schon zehn Tage nach dem Vorfall wieder 50 Prozent der Kapazität verfügbar. Die alte Kapazität wird die Stromverbindung aber erst nach den Reparaturen Ende März 2022 erreichen. Der Ausfall belastet das ohnehin unter Druck stehende britische Stromnetz, das in diesem Winter den Wegfall der Kernkraftwerke Dungeness B und Hunterston B verkraften muss. Dann müssen Kohlekraftwerke die Lücken schließen.

Vom Nettoimporteur zum Stromlieferanten Europas?

Interkonnektoren als Autobahnen für das europäische Stromgeschäft auf der britischen Insel sind aber nur die kurz- bis mittelfristige Perspektive auf die Projekte. Nach Einschätzung der Analysten von Cornwall Insight könnte das Vereinigte Königreich seine Rolle in 2038 vom Nettostromimporteur zum Exporteur drehen.

Möglich macht das vor allem der starke Ausbau der britischen Offshore-Windkapazitäten, die sich von 10 Gigawatt im Jahr 2019 bis 2030 auf 40 Gigawatt vervierfachen sollen. Laut Cornwall Insight könnten ab 2040 rund 50 bis 100 Terawattstunden Strom in Richtung Europa fließen. Abhängig ist die Prognose aber von vielen Faktoren, unter anderem davon, in welchem Umfang der britische Offshore-Windstrom andererseits in Wasserstoff für den Export fließen könnte.

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