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Rechtsbericht Vereinigtes Königreich Brexit

Anerkennung von Berufsqualifikationen post-Brexit

Das System der europäisch-britischen Anerkennung von Berufsqualifikationen befindet sich im Umbruch. Das Freihandelsabkommen EU-VK gibt lediglich einen Rahmen vor.

Von Karl Martin Fischer | Bonn

Viele Berufe setzen den Nachweis einer bestimmten Qualifikation voraus – die so genannten regulierten Berufe. Eine Übersicht der im Vereinigten Königreich (VK) regulierten Berufe und Berufsbezeichnungen gibt es unter diesem Link. Innerhalb der Europäischen Union gibt es ein Regelwerk zur gegenseitigen Anerkennung von Qualifikationen. So wird verhindert, dass eine in einem Land erworbene Qualifikation im anderen Land von Grund auf neu erworben werden muss. Als Konsequenz des Brexit hat das VK den Zugang zu diesem Regelwerk verloren.

Berufsqualifikationen im Austrittsabkommen

Bürgerinnen und Bürger aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU), die vor dem Ende der Übergangsphase am 31. Dezember 2020 eine Anerkennung ihrer Berufsqualifikation im VK erreicht haben, dürfen diesen Beruf weiterhin im VK ausüben und die Berufsbezeichnung führen. Denn Anerkennungsentscheidungen aus der Zeit vor dem Ende der Übergangsphase behalten ihre Gültigkeit. Das regelt Artikel 27 des Austrittsabkommens zwischen der EU und dem VK vom 12. November 2019. Laufende Verfahren, soweit sie vor dem Ende der Übergangsphase begonnen haben, werden nach den europäischen Regeln durchgeführt und entschieden (Artikel 28 des Austrittsabkommens).

Wie werden aktuelle Anträge auf Anerkennung behandelt?

Das VK hat durch den European Union (Withdrawal) Act 2018 weite Bereiche des EU-Rechts in nationales Recht überführt, wo erforderlich mit einigen Anpassungen. Unter dieses Regime fällt auch die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen. Somit gelten aktuell die European Union (Recognition of Professional Qualifications) Regulations 2015 in der Fassung der Änderung durch die Recognition of Professional Qualifications (Amendment etc.) (EU Exit) Regulations 2019 weitestgehend fort. Die britische Seite beschreibt die aktuelle Handhabung jedoch als vorübergehendes System für die Anerkennung. Mittelfristig plant sie eine umfassende Reform.

Aktuell werden Anträge allerdings noch nach diesem System bearbeitet. Die zuständigen britischen Behörden müssen Anträge auf Anerkennung von EU-Qualifikationen also weiterhin entgegennehmen. Wenn Niveau, Inhalt und Umfang der Qualifikation vergleichbar sind, wird die Anerkennung auch weiterhin erteilt. Die zuständige britische Behörde soll die Antragsteller über die Anforderungen, das Verfahren und die Formalitäten der Anerkennung informieren und das Verfahren so weit wie möglich elektronisch abwickeln. Sie fungiert überdies als einheitliche Ansprechpartnerin für die jeweilige Profession.

Allerdings wurden im Zuge der austrittsbedingten Änderungen einige Erleichterungen der Regulations aus 2015 gestrichen. Dies betrifft insbesondere Vereinfachungen für die gelegentliche und vorübergehende Erbringung regulierter Dienstleistungen im VK. Außerdem wurden zahlreiche Professionen vom Geltungsbereich ausgenommen. Dies betrifft insbesondere viele Heilberufe sowie Architekten, Abschlussprüfer und Notare (u.a.). In solchen Fällen kommt es gegenwärtig darauf an, ob der jeweilige Abschluss in Anhang V der Richtlinie 2005/36/EG gelistet ist. Falls ja, gewährleistet die britische Seite eine „beinahe automatische Anerkennung“, vgl. die Hinweise der britischen Regierung zu Architekten und Gesundheitsberufen.

Was regelt das Freihandelsabkommen zu Berufsqualifikationen?

Artikel 158 des Abkommens über Handel und Zusammenarbeit EU-VK betont zunächst die Souveränität der Vertragsparteien: Das Recht, für das eigene Gebiet Regulierungen der Berufsqualifikationen vorzunehmen, wird durch das Abkommen nicht beeinträchtigt (Absatz 1). Das Abkommen hindert die Vertragsparteien also insbesondere nicht daran, bestimmte Qualifikationsanforderungen für bestimmte Tätigkeiten vorzusehen.

Unter Beachtung dieser Voraussetzung können Berufsverbände oder Behörden, soweit sie für einen bestimmten Tätigkeitsbereich zuständig sind, gemeinsame Empfehlungen für eine gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen verfassen und dem Partnerschaftsrat vorlegen. Anhang 24 enthält unverbindliche Leitlinien für Inhalte solcher Vereinbarungen. Ist der Partnerschaftsrat der Ansicht, dass die Vereinbarung mit den Regelungen des Titels II des Abkommens in Einklang steht, kann er die Vereinbarung durch Beschluss als Anhang zum Abkommen annehmen, mit der Folge, dass die Vereinbarung Teil des Abkommens – und somit verbindlich – wird.

Der Weg zu solchen verbindlichen Regelungen dürfte allerdings einige Herausforderungen enthalten. Dies insbesondere deswegen, weil auf europäischer Seite die Berufe regelmäßig auf der Ebene der Mitgliedstaaten reguliert sind, in Bundesstaaten wie Deutschland in einigen Fällen sogar auf Landesebene. Das Abkommen sieht hingegen eine Vereinbarung auf der Ebene der Vertragsparteien vor, also auf europäischer Ebene. Dass bei solchen Vereinbarungen unterschiedliche Anerkennungsmechanismen zu beachten sind, sieht das Abkommen ausdrücklich vor, siehe zum Beispiel Abschnitt B Ziffer (8) des Anhangs 24. Hier dürfte einiges an Abstimmungsbedarf existieren, und es wird abzuwarten sein, ob es zeitnah zu Ergebnissen kommt. Immerhin haben das britische Architects Registration Board und der Architects Council of Europe eine gemeinsame Taskforce ins Leben gerufen, die mit den Vorbereitungen für eine Vereinbarung beauftragt ist. Die Law Society für England & Wales erklärt ebenfalls, sich mit dem Council of European Bars and Law Societies in Verbindung setzen zu wollen.

Offenbleiben muss derweil bis auf Weiteres die Frage, ob auch bilaterale Anerkennungsvereinbarungen z.B. zwischen britischen und deutschen Behörden oder Kammern möglich sind. Eine ausdrückliche Erlaubnis findet sich nicht, allerdings auch kein ausdrückliches Verbot.

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