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Wirtschaftsumfeld | Vietnam | Lieferketten

Lieferkettenprobleme könnten zum Jahresende noch zunehmen

Vietnam erlebt aktuell seine vierte und mit Abstand heftigste Corona-Welle. Die extrem strengen Pandemiemaßnahmen behindern die Wirtschaft insbesondere im Süden des Landes.

Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Hanoi

Seit Ende April 2021 wird Vietnam von einer durch die Deltavariante getriebenen neuen Coronawelle heimgesucht. Der industrialisierte Süden des Landes rund um Ho Chi Minh City (HCMC), die sogenannte "Southern Key Economic Region", ist Epizentrum des Ausbruchs.

Zu Nicht-Pandemiezeiten sind Ho Chi Minh City und die umgebenden Industrieprovinzen Binh Duong, Dong Nai und Long An die Wachstumsmotoren des Landes. 2019 trug die Southern Key Economic Region laut Regierungsangaben gut 45 Prozent zur gesamten Wirtschaftsleistung des Landes bei.

Doch nun beeinträchtigt die Infektionswelle insbesondere die Textil- und Schuhindustrie, zwei der wichtigsten Industriezweige des Landes. Probleme beim nationalen und internationalen Transport erschweren die Produktion und die Exporte.

Viele Fabriken im Süden haben vorübergehend geschlossen

Die Regierung versucht, die Ausbreitung der Pandemie durch strikteste Hygienevorgaben in der Produktion sowie durch großflächige Lockdown-Maßnahmen und provinzübergreifende Bewegungsverbote in den Griff zu bekommen. Produzierende Unternehmen dürfen seit Anfang Juli 2021 in Ho Chi Minh City und den umgebenden Industriezonen und Nachbarprovinzen in aller Regel nur noch dann den Betrieb fortführen, wenn sie das sogenannte "3-in-1-Modell" (arbeiten, essen, schlafen) praktizieren. Das bedeutet, dass die Arbeitgeber ihre Mitarbeiter vollständig auf ihrem von der Außenwelt abgeriegelten Betriebsgelände unterbringen und versorgen müssen. Die Angestellten dürfen das Gelände auch nicht nach Feierabend oder am Wochenende verlassen. 

Die hohen Kosten für die Unterbringung, Verpflegung, höhere Löhne und regelmäßige Covid-19-Tests sowie die Bewältigung logistischer Herausforderungen machen den Betrieben zu schaffen. Nur wenige Unternehmen können die strikten Vorgaben einhalten und finanzieren. Zeitungsberichten zufolge haben deshalb in den südlichen Industriezentren zwischen 70 und 80 Prozent der Betriebe für die Dauer des Lockdowns geschlossen.

Produzierenden Betrieben fehlen Vorprodukte

Die Unternehmen, die den Betrieb weiterlaufen lassen, stehen vor Problemen beim Bezug von Vorprodukten. Straßensperren und ständig wechselnde Anforderungen der lokalen Behörden an erforderliche Passierscheine oder Testvorgaben führen zu Verzögerungen beim Straßentransport. Zusätzlich verzögern sich Zulieferungen von Vorprodukten aus dem Ausland, insbesondere aus China. Betroffene deutsche Unternehmen berichten, dass es nach zwei Monaten Lockdown an allem fehle, selbst an Verpackungsmaterial.

Exporteure leiden unter mangelnden Transportkapazitäten

Auch der Transport von Waren zum Hafen sowie die Abfertigung für den Export sind schwierig. Die Häfen und Zollbehörden der Region leiden unter pandemiebedingtem Personalmangel und arbeiten nur mit Einschränkungen.

Zudem führen Änderungen von Schifffahrtsrouten sowie der weltweite Mangel bei Containerkapazitäten auch in Vietnam zu Engpässen. Diese Probleme dürften sich, so Jürgen Weber vom Logistikunternehmen Logwin, angesichts der nahenden Hochsaison für Schiffsendungen ab September noch verschärfen. Entsprechend seien bis Jahresende noch erhebliche Preissteigerungen bei internationalen Transporten zu erwarten. Dennoch, so die Einschätzung des Branchenkenners, sei die Lage bei lokalen und internationalen Lieferketten grundsätzlich noch stabil, wenn auch mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden. 

Bekleidungs-, Schuh- und Sportartikelexporte brechen ein

Die Produktionsbeschränkungen und -ausfälle in den südlichen Industriezonen des Landes führen zu einem Einbruch bei den Exporten insbesondere von Konsumgütern wie Bekleidung, Schuhe sowie Spielzeug und Sportutensilien. Dies bekommen auch die großen internationalen Sportartikelhersteller zu spüren. So muss sich das Unternehmen Adidas, das Zeitungsberichten zufolge 28 Prozent seiner weltweiten Produktion in Vietnam fertigen lässt, auf erhebliche Liefereinschnitte einstellen. Auch Nike, Abercrombie & Fitch und weitere Sport- und Modelabel werden aus vietnamesischen Fabriken nicht mehr wie gewohnt beliefert.

Die vietnamesischen Ausfuhren von Textilien und Bekleidung lagen im August 2021 nominal 14,9 Prozent unter dem Wert von Juli 2021. Die Schuhexporte brachen nach Angaben des vietnamesischen Zolls sogar um nominal 40,2 Prozent gegenüber dem Vormonat ein. Die Ergebnisse im September könnten teilweise sogar noch schwächer ausfallen.

"Was gerade in Vietnam passiert, wird Deutschland spätestens bei den Weihnachtseinkäufen merken“, so ein deutscher Unternehmensvertreter. Denn alles, was heute nicht produziert und ausgeliefert werden kann, fehlt in sechs bis acht Wochen in deutschen Regalen, und damit pünktlich zu Beginn des Weihnachtsgeschäfts.

Elektronikproduktion im Norden des Landes floriert

Die Elektronikindustrie, der umsatz- und exportstärkste Industriezweig des Landes, bleibt hingegen ein Lichtblick. Die vielfach im derzeit weniger betroffenen Norden des Landes produzierenden Weltkonzerne können ihren Betrieb weitestgehend aufrechterhalten und konnten ihre Ausfuhren im August 2021 teilweise sogar noch steigern. So legten Vietnams bedeutende Exporte von Smartphones und Mobilfunkteilen um nominal 17,5 Prozent gegenüber dem Vormonat zu und erreichten so allein im August 2021 ein Volumen von umgerechnet mehr als 5,5 Milliarden US-Dollar.

Impfungen sollen den Weg aus der Krise ebnen

Nachdem die Impfkampagne mangels verfügbarer Impfstoffe zunächst nur langsam angelaufen war, hat sich das Impftempo auch dank deutscher Impfspenden deutlich erhöht und macht Hoffnung auf eine zeitnahe Überwindung der Krise. Die vietnamesische Regierung hofft, mit einer umfassenden Immunisierung der Bevölkerung spätestens bis Ende 2021 wieder Normalität in Produktion und Alltag einkehren zu lassen. Bereits vorher sollen Unternehmen, deren Mitarbeiter vollständig geimpft sind, wieder in den Regelbetrieb gehen können.

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