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Wirtschaftsumfeld | Estland | Start-ups

„Besser als das Silicon Valley“

Die Start-up-Szene in Estland boomt. Das Land zählt die meisten Unicorns je Einwohner in der Welt. Die Rahmenbedingungen gelten als exzellent.

Von Barbara Kussel | Bonn

„Wir erwarten, dass Investoren sich in diesem Jahr mit insgesamt 1 Milliarde Euro bei unseren Gründern engagieren werden“, prognostiziert die Regierungsinitiative Startup Estonia. Größter Brocken dabei ist die jüngste Finanzierungsrunde des estnischen Start-ups Bolt Technology, die dem Unternehmen im August dieses Jahres 600 Millionen Euro frisches Kapital eingebracht hat.

Bereits 2020 hatten die jungen Unternehmen in Estland einen Rekord von 440,8 Millionen Euro an Investitionen eingesammelt. In den ersten sechs Monaten 2021 sind weitere 223,4 Millionen Euro hinzukommen, ebenfalls ein Rekord, was die Halbjahreswerte betrifft, berichtet die Initiative Startup Estonia, die für das 1. Halbjahr 2020 Engagements in Höhe von 142,7 Millionen Euro gesehen hatte.

Zwei neue Einhörner in diesem Jahr

Zu den Investoren, die sich im August 2021 bei Bolt engagiert haben, gehören unter anderem Sequoia, Tekne sowie Ghisallo, die neu in das Unternehmen eingestiegen sind. Bolt, ein Mobilitätsdienstleister und Uber-Konkurrent, der in vielen deutschen Städten E-Tretroller verleiht, will die 600 Millionen Euro unter anderem in seinen Lebensmittel-Lieferdienst investieren. Nach Angaben von Bolt bewerten Investoren das 2013 gegründete Unternehmen nach der letzten Finanzierungsrunde mit 4 Milliarden Euro. Damit ist Bolt das größte Unicorn in Estland. Um ein Unicorn, ein Einhorn, zu werden, müssen Start-ups von Investoren mit mindestens 1 Milliarde US-Dollar bewertet werden, und das, bevor sie an die Börse gehen.

Estland mit nur 1,3 Millionen Einwohnern, aber mehr als 1.200 Start-ups gehört zu den Ländern mit den meisten jungen Unternehmen pro Einwohner in Europa. Mit sieben Unicorns nimmt das Land einen Spitzenplatz (Unicorns per Capita) in der Welt ein, heißt es in einer Mitteilung von Startup Estonia, je nachdem wie man zähle sogar Platz eins.

Die beiden jüngsten Einhörner, die Startup Estonia auflistet, heißen ID.me und Zego. Sie sind 2021 hinzugekommen, allerdings wurden beide lediglich von Esten mitgegründet, ihren Firmensitz haben sie nicht im Land. Id.me ist ein Online-Identitätsnetzwerk, das es ermöglicht, die rechtliche Identität von Personen online nachzuweisen. Seit März 2021 zählt auch das in London beheimatet Versicherungs-Start-up Zego zu den Unicorns. Mitgegründet hat es der Este Sten Saar, der das Unternehmen als Chief Executive Officer führt.

Hohe Engagements bei Glia und Veriff

Die fünf „alten“ Einhörner in Estland sind Skype (gegründet 2005), Playtech (gegründet 2007), Wise (ehemals TransferWise, gegründet 2015) und Bolt (ehemals Taxify, gegründet 2018). Im November 2020 ist Pipedrive hinzugekommen.

Zu den Start-ups, bei denen Investoren sich im 1. Halbjahr 2021 engagiert haben, gehört allen voran das auf Finanzdienstleister spezialisierte Software-Unternehmen Glia, das 64 Millionen Euro Risikokapital vereinnahmen konnte. Im April dieses Jahres legte Veriff mit 58 Millionen Euro Venturecapital nach, das Geld soll in die Expansion auf dem US-Markt fließen. Veriff ist eine Wortkombination aus „Verifikation“ und „Sheriff“. Basierend auf Gesichtserkennung, Bewegung und amtlichen Ausweisen setzt die Gesellschaft „Standards bei der elektronischen Identitiätsfestellung im Onlinebereich“, heißt es in einer Unternehmensmitteilung.

Brutstätte für Unicorns

Auf der Suche nach Antwort auf die Frage, warum gerade Estland so attraktiv für Investoren ist, sagt Eve Peeterson, Leiterin von Startup Estonia, gegenüber Postimees, der ältesten und einer der wichtigsten Tageszeitungen in Estland: „Man könnte uns mit dem Silicon Valley vergleichen, aber ich würde einen Schritt weitergehen. Estland ist besser als das Silicon Valley.“ Peeterson ist überzeugt, dass Start-ups binnen 10 Jahren rund 30 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt ihres Landes beitragen werden, aktuell sind es erst etwa 3 Prozent.

Es sei schwer auszumachen, warum Estlands Start-ups so erfolgreich sind, fest stünde aber, dass das Land eine der fruchtbarsten Brutstätten für Unicorns in der Welt sei, schreibt Carlos Paniagua, Chief Technical Officer von Glia und Absolvent der Universität in Tartu in seinem Blog.

E-Estonia: Behörden arbeiten digital

Fest steht, dass die wirtschaftliche Freiheit in Estland groß ist. Im Economic Freedom Ranking 2021, erhoben von der Heritage Foundation und dem Wall Street Journal, rangiert das kleine Land auf Platz acht in der Welt, vor Kanada und Dänemark. Im Digital Economy and Society Index (DESI), den die Europäische Union veröffentlicht, ist Estland weiterhin Spitzenreiter bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, insgesamt landet das Land im Index für das Jahr 2020 auf Platz sieben.

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