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Wirtschaftsumfeld | Taiwan | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten

Arbeitsmarkt

Die Konjunktur in Taiwan flaut ab. Dennoch klagen einige Branchen weiterhin über einen Mangel an Arbeitskräften.

Von Alexander Hirschle | Taipei

Der taiwanische Arbeitsmarkt zeigt sich trotz der nachlassenden konjunkturellen Dynamik weiterhin stabil. Nach einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von real mehr als 6 Prozent im Jahr 2021, wuchs die Wirtschaft im Folgejahr nur noch um 2,5 Prozent. Vor allem die seit Mitte 2022 sinkenden Exporte drücken auf die konjunkturelle Stimmung. Die Prognosen für 2023 gehen von einem BIP-Zuwachs von real rund 2 Prozent aus.

Im Jahresschnitt 2021 belief sich die Arbeitslosenquote auf 3,7 Prozent. Dies entsprach einem Rückgang um fast 0,3 Prozentpunkte im Vergleich mit dem Vorjahr. Im Dezember 2022 lag die Arbeitslosenrate nach Angaben des Directorate General of Budget, Accounting and Statistics (DGBAS) saisonbereinigt bei 3,6 Prozent und sank damit im Vergleich mit demselben Vorjahresmonat leicht um 0,1 Prozentpunkte. Gleichzeitig handelte es sich um den niedrigsten Wert auf der Insel seit mehr als 20 Jahren.

Die höchste Arbeitslosenrate wies im Dezember 2022 die Gruppe der Universitätsabsolventen mit 5,2 Prozent auf. Am meisten Sorgen bereitet die Situation in der jüngeren Bevölkerung. So belief sich die Arbeitslosenrate in der Altersgruppe der 20- bis 24-Jährigen zum Jahresende 2022 auf 12,4 Prozent und verharrte im Vergleich mit dem Vorjahr auf hohem Niveau.

Allgemeine Arbeitsmarktdaten 2022

Indikator

Wert

Bevölkerung (in Millionen)

23,3

Erwerbspersonen (Bevölkerung älter als 15; in Millionen)

11,8

Erwerbstätige (in Millionen)

11,4

Arbeitslosenquote, offizielle (in Prozent; nach ILO-Definition)

3,7

Analphabetenquote (in Prozent)

0,8

Universitätsabschluss (in Prozent)*

40,9

* Anteil in der AltersgruppeQuelle: Directorate General of Budget, Accounting and Statistics 2023

Erste Bremsspuren auf dem Arbeitsmarkt

In den ersten Monaten 2023 zeigte sich die Beschäftigung trotz der mauen Konjunktur weiterhin stabil, wenn auch mit ersten Eintrübungen. Die für die taiwanische Wirtschaft enorm wichtigen Exporte waren im ersten Quartal um fast 20 Prozent im Vergleich mit derselben Vorjahresperiode eingebrochen. Dies ging nicht spurlos an der Situation der Beschäftigten vorbei. So sank die Zahl der Überstunden und gleichzeitig erhöhte sich die Zahl der Beschäftigten, die weniger als 35 Stunden pro Woche arbeiten, deutlich. Aufgrund der weniger prall gefüllten Auftragsbücher griffen Firmen vorwiegend im industriellen Sektor verstärkt auf Instrumente wie unbezahlten Urlaub zurück.

Doch die Nachfrage nach Arbeitskräften im High-Tech-Segment bleibt auf der Insel weiterhin hoch. Der weltweite Digitalisierungstrend im Zuge der Coronakrise hatte in den vergangenen Jahren zu einer enorm gestiegenen Nachfrage nach IT- und elektronischen Erzeugnissen "Made in Taiwan" geführt. Einer Umfrage der Consultingfirma Robert Walters zufolge zeigten sich Anfang 2023 rund 85 Prozent der taiwanischen Firmen besorgt über einen Mangel an geeigneten Arbeitskräften in ihrem Sektor.

Zusätzliche Impulse für die Nachfrage nach Mitarbeitern kamen in der Vergangenheit von Seiten der aus China auf die Insel zurückkehrenden taiwanischen Firmen. Ein 2019 lanciertes Reshoringprogramm der Regierung hatte zu Investitionen von insgesamt 250 Unternehmen in Höhe von knapp 40 Milliarden US-Dollar (US$) geführt. Rund 80.000 neue Arbeitsplätze entstanden dabei. Im Jahr 2022 wurde die Initiative um drei Jahre verlängert. Dies soll weitere Engagements in Höhe von mehr als 30 Milliarden US$ und die Schaffung von 40.000 Jobs nach sich ziehen.

AHK setzt auf Fortbildungsprogramm

Allerdings kann es für Firmen in Taiwan in bestimmten Bereichen schwierig sein, adäquates Personal zu rekrutieren. Ein Großteil der jungen Taiwaner strebt an die Universitäten. Die "Überakademisierung" führt zu einem Mangel an Technikern und Handwerkern. Die Europäische Handelskammer ECCT (European Chamber of Commerce Taiwan) geht in ihrem Jahresbericht 2023 davon aus, dass die ausländischen Firmen auch im laufenden Jahr mit einem Mangel an technisch qualifizierten Kandidaten rechnen müssen.

Auch der Ende 2022 vom Deutschen Wirtschaftsbüro (AHK) durchgeführte "Business Confidence Survey Report" kam zu dem Ergebnis, dass fast 20 Prozent der deutschen Unternehmen vor Ort einen Mangel an qualifizierten Beschäftigten als zentrale Herausforderung sehen. Auf der anderen Seite wollen 70 Prozent der deutschen Firmen in Fortbildungen für ihre Mitarbeiter investieren.

Dieser Punkt genießt sogar unter allen geplanten Maßnahmen die höchste Priorität bei den deutschen Firmen. Um dem Mangel an Fachkräften im Bereich erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu begegnen, hat die AHK im Frühjahr 2022 in Taiwan ein Eurem-Programm (European Energy Manager Training) aufgesetzt.

Taiwans Tech-Giganten sind beliebteste Arbeitgeber

Als beliebteste Arbeitgeber gelten in Taiwan der Halbleiterhersteller TSMC, die Logistikgesellschaft Evergreen und der Finanzkonzern Fubon Financial Holding Co. Im Technologiesektor sind ebenfalls die I-Phone-Schmiede Foxconn, die Telekommunikationsfirma Chunghwa und der Chipdesigner MediaTek Inc. bei Beschäftigten begehrt. Zu diesem Ergebnis kam eine Umfrage des Vermittlungsportals "Job Bank Yes123" Anfang 2023. Ebenso kam dabei zu Tage, dass mehr als 90 Prozent der Taiwaner einen Arbeitsplatzwechsel erwägen.

Als Hauptmotivation für eine berufliche Neuorientierung wurde dabei Unzufriedenheit mit der Bezahlung beim alten Arbeitgeber genannt. Deutsche Firmen, die mit zahlungskräftigen High-Tech-Unternehmen um Beschäftigte konkurrieren, nennen unter anderem auch nicht ausreichende Englischkenntnisse als limitierenden Faktor. Um Arbeitskräfte zu gewinnen oder zu halten, setzen einige Unternehmen verstärkt auf mehr Flexibilität in Bezug auf Homeoffice-Regelungen oder sogar virtuelle Arbeitsmöglichkeiten aus anderen Ländern.

Auch in Taiwan wächst unter den jüngeren Einwohnern eine neue Generation von Angestellten heran, die zunehmend mehr Wert auf eine Work-Life-Balance legen. Sie stellen mittlerweile zunehmend andere Ansprüche an potenzielle Arbeitgeber, haben nicht mehr nur monetäre Forderungen. Werden letztere erfüllt, kann es nach Einschätzung deutscher Unternehmer gelingen, hochqualifizierte Beschäftigte trotz einer geringeren Bezahlung mittelfristig an den eigenen Betrieb zu binden.

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