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Bericht Wirtschaftsumfeld Aserbaidschan Infrastruktur

Aserbaidschan plant smarte Großstadt in der Region Karabach

Die heutige Ruinenstadt Agdam in der südwestaserbaidschanischen Region Karabach soll sich in wenigen Jahren als attraktive Metropole und erste Smart City des Landes präsentieren.

Von Uwe Strohbach | Baku

Aserbaidschan treibt den Wiederaufbau der Ende 2020 von Armenien eroberten Gebiete in der Region Karabach (Qarabağ) voran. Gegenwärtig fließen Gelder vorrangig in die Entminung der Territorien und die Erneuerung der lokalen Verkehrs- und Versorgungsinfrastruktur.  

Ütschündschü Agali soll erstes Modelldorf werden

Auch die Errichtung „smarter“ Städte und Dörfer steht auf der Prioritätenliste. Für zwei Pilotprojekte ist der offizielle Start erfolgt. Ütschündschü Agali (Üçüncü Ağalı) im Landkreis Zangilan (Zəngilan) ist das erste Modelldorf, das durch ökologische, digitale und soziale Innovation wiederbelebt werden soll. Geplant sind etwa 200 neue Häuser, die mit Strom und Wärme aus alternativen Energiequellen versorgt werden sollen. Später sind im Landkreis weitere smarte Dörfer geplant.

Agdam auf dem Weg zu einer smarten Metropole in Karabach  

Ein besonders ambitioniertes Projekt für den Wiederaufbau der zurückeroberten Landesteile verfolgt die Regierung in Agdam: Der Ort soll als „smarte“ Großstadt wiedererstehen. Agdam gleicht heute einem Trümmerfeld infolge des in den 1990er-Jahren eskalierten aserbaidschanisch-armenischen Konflikts um die Region Bergkarabach. Die Stadt  zählte 1989 offiziell 28.000 Einwohner und war das Verwaltungszentrum des gleichnamigen Landkreises mit 131.000 Einwohnern. Letzterer war zu vier Fünfteln im Zeitraum 1993/1994 bis November 2020 von Armenien besetzt. 

Laut einer Studie der Fakultät für Geografie der Staatlichen Universität Baku wurden in der Verwaltungseinheit Agdam 24.000 Wohnhäuser, 12.200 Handelsobjekte, 800 soziale Einrichtungen sowie 40 Industrie- und Baubetriebe zerstört. Auf das 12.500 Hektar große Gebiet entfielen gut 30 Prozent der Weinbauflächen Aserbaidschans. Portwein aus Agdam war in der ehemaligen Sowjetunion sehr gefragt.

Stadtentwicklungsplan setzt Rahmen   

Die Stadt Agdam soll sich zu einer attraktiven Metropole mausern, ihr Umland zu einer wirtschaftlich leistungsfähigen Region innerhalb des Mitte 2021 geografisch neu strukturierten Wirtschaftsgebiets Karabach. Dies ist der Leitgedanke eines Masterplans für den Wiederaufbau des Landesteils im Südwesten Aserbaidschans. Das künftige Agdam schließt acht umliegende Gemeinden ein. Es erstreckt sich über ein Gebiet von 1.750 Hektar und ist damit doppelt so groß wie die frühere Stadt. Das nahe grüne Umland, inklusive Obst- und Weingärten, soll eine Fläche von 2.450 Hektar einnehmen.

Hoher Bedarf an ausländischem Kapital und Know-how  

Aserbaidschan ist bei der Stadtentwicklung Agdams auf finanzielle und fachliche Unterstützung aus dem Ausland angewiesen. Erste ausländische Unternehmen, darunter türkische Bauunternehmen, sind bereits vor Ort aktiv. Weitere Firmen aus dem Ausland kündigten an, Kredite bereitzustellen und an einzelnen Vorhaben mitzuwirken. Doch der Kapitalbedarf ist ungleich größer.

Allerdings schauen viele ausländische Unternehmen bisher noch skeptisch auf ein Engagement in der Region. Abschreckend wirken der weiterhin schwelende Konflikt um die geschrumpfte und völkerrechtlich nicht anerkannte Republik Arzach (Bergkarabach) und die vielen teilweise eskalierenden Streitigkeiten um den Verlauf der Staatsgrenze zu Armenien. Öffentliche Gelder stehen nur begrenzt zur Verfügung.

Die Investitionsneigung im Land ist seit einigen Jahren schwach. Gründe sind geschrumpfte Devisenerlöse aus dem Export von Erdöl und Erdgas infolge gesunkener Weltmarktpreise. Hinzu kommen die immer noch schwelende Bankenkrise und der weiterhin hohe Reformbedarf, so bei der Eindämmung von Klientelismus und oligarchischen Strukturen sowie bei der Schaffung von transparenten Auftragsvergaben.

Geplante Hochbauprojekte in der neuen Stadt Agdam
  • 1.750 Einfamilienhäuser (Projektphase 1)
  • 23.000 Wohnungen in mehretagigen Häusern (Projektphase 1)
  • 15 allgemeinbildende Schulen (im Rahmen des Gesamtprojekts)
  • mehrere weiterführende Schulen
  • Universität Karabach
  • Verwaltungsgebäude im Stadtzentrum
  • Handels- und Dienstleistungseinrichtungen
  • mehrere medizinische Objekte
  • Stadion für 30.000 Zuschauer sowie weitere Sport- und Freizeitobjekte
  • Kongresshalle, Freilufttheater, Konzertsaal und Museen 
  • Restaurierung historischer Bauten und Denkmäler (darunter der Dschuma-Moschee, der Palastanlage Imarat und der Festung Shahbulag) 

Der Masterplan rechnet auf mittlere Sicht mit 100.000 Einwohnern. Etwa 70 Prozent sollen in Mehrfamilien- und 30 Prozent in Einfamilienhäusern ein Zuhause finden. Geplant sind massive Investitionen in Verkehrswege und die Versorgungsinfrastruktur. Großzügige Parkanlagen, ein künstlicher See und zwei Wasserkanäle sollen das Stadtgebiet auflockern. Der Wiederaufbau der öffentlichen Infrastruktur sowie vorbereitende Arbeiten für den Bau von Wohnhäusern und sozialen Objekten sind bereits im Gange.

Verkehrskonzept zielt auf Nachhaltigkeit

Das Verkehrskonzept für Agdam ist auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Es sieht viel Raum für Fußgänger, Radfahrer und einen umweltfreundlichen öffentlichen Nahverkehr vor. Geplant sind großzügige Straßenübergänge und -überführungen, 79 Kilometer Fahrradwege und eine schienenlose Straßenbahn mit zwei Linien.  

Projekte für Industrie, Dienstleistungen und Landwirtschaft geplant

Unternehmen und ausländische Kapitalanleger will die Regierung mit Investitionen in die infrastrukturelle Erschließung eines Gewerbegebietes anlocken. Die Planungen für einen Gewerbepark mit einer Fläche von 200 Hektar nahe der Stadt Agdam sind bereits angelaufen.

Im Fokus steht auch die Entwicklung des Agrarsektors: Im näheren Umland Agdams sollen etwa 250 Landwirtschaftsbetriebe entstehen. Diese will die Regierung mit umfassenden Investitionen in die Bewässerung unterstützen. Im gesamten Landkreis sollen die Bewässerungsanlagen auf etwa 100.000 Hektar grundlegend erneuert werden.

Sonderbeauftragter für Agdam plant Wiederaufbaukonferenz am 16. und 17. September 2021

Ende Mai 2021 berief der aserbaidschanische Präsident  Ilham Aliyev Emin Hüseynov zu seinem Sonderbeauftragten für die Gebiete des Landkreises Agdam. Er soll den wirtschaftlichen Neustart in der Region koordinieren. Hüseynov ist seit 2018 einer der Assistenten der ersten Vizepräsidentin Aserbaidschans Mehriban Aliyeva, Gattin des Präsidenten Ilham Aliyev.


Das Büro des Sonderbeauftragten veranstaltet in Kooperation mit dem Wirtschaftsministerium und anderen staatlichen Institutionen am 16. und 17. September 2021 eine internationale Konferenz zum Thema „Aufbau einer neuen Wirtschaft in Karabach: Entwicklungsimpulse aus Agdam“. Das Eröffnungssymposium findet in Agdam statt. Alle anderen Programmteile und Treffen werden in virtueller Form durchgeführt. Der Sonderbeauftragte für die Region Agdam kann über das Sekretariat der ersten Vizepräsidentin Aserbaidschans in Baku oder über seine Mitarbeiterin Fidan Axundova kontaktiert werden (T +994 12 599 99 97).

Weitere Städte in Karabach sollen folgen

Auch für weitere Städte in der Region Karabach sieht die aserbaidschanische Regierung Entwicklungskonzepte vor. Erste Aufträge wurden bereits vergeben. Fortgeschritten ist ein Masterplan für die Stadt Schuscha (Şuşa). Langfristige Entwicklungskonzepte werden gegenwärtig auch für die Städte Füzuli und Cəbrayıl (Dschäbrajil) erstellt.

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