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Wirtschaftsumfeld
Wirtschaftsumfeld | Asien | Coronavirus
In Asien haben einige Länder die erste Ansteckungswelle überwunden. Jetzt treffen die Region die Ausbreitung des Virus in Süd- und Südostasien sowie die ausbleibende Nachfrage.
13.04.2020
Von Achim Haug | Bonn
Das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 nahm in Ostasien seinen Ursprung. Während Länder wie China, Südkorea, Taiwan oder Japan die erste Welle überstanden glaubten, werden sie von neuen Ansteckungen, der Ausbreitung des Virus in Süd- und Südostasien sowie durch die ausbleibende Nachfrage der entwickelten Volkswirtschaften ein weiteres Mal getroffen.
Die Wirtschaftsaussichten für Asien/Pazifik verdüstern sich damit zunehmend; Analysten senken ihre Prognosen wöchentlich. Trotzdem dürfte die Region als eine der ersten aus der Krise kommen – vorausgesetzt, die weltweite Ausbreitung wird eingedämmt.
Eine Rezession könnte auch auf Asien zukommen: Die Weltbank prognostiziert für die Region in ihrem pessimistischen Szenario von Anfang April 2020 einen Rückgang der realen Wirtschaftsleistung um 0,5 Prozent. Die optimistischere Basisvariante erwartet 2,1 Prozent Zuwachs für das regionale Bruttoinlandsprodukt (BIP), ähnlich wie die Prognose der Asiatischen Entwicklungsbank (Asian Development Bank, ADB) mit 2,2 Prozent für Asien/Pazifik (ohne Japan). Dies sind düstere Aussichten für eine Region, die in den vergangenen Jahren zu den wachstumsstärksten der Welt zählte und für den deutschen Export stetig an Gewicht gewann.
Die Hoffnungen auf eine Erholung „made in Asia“ sollten nicht zu hoch gehängt werden. Besonders China war während der letzten Krise 2008/09 als Wachstumstreiber in Erscheinung getreten. Inzwischen hat das Reich der Mitte mit einem Anteil an der Weltwirtschaft von rund 16 Prozent ein noch größeres Gewicht. Die Vorzeichen haben sich aber geändert: Zum einen ist der Einbruch voraussichtlich schwerer. Das zeigt ein Rückgang der Industrieproduktion – der erste seit 30 Jahren – und Indikatoren wie der Einkaufsmanagerindex.
Zum anderen konnte Beijing 2009 ein massives Konjunkturprogramm quasi aus der Portokasse finanzieren. Heute ist die Verschuldung mit über 240 Prozent des BIP auf ein bedenkliches Maß gestiegen. Und durch das Ausbleiben der Nachfrage im Westen, stottert auch der chinesische Exportmotor. Die Weltbank hat ihren Ausblick daher kräftig gesenkt. Rund 2,1 Prozent BIP-Wachstum sind noch die optimistische Variante. Beim Negativszenario würde die Wirtschaft der Volksrepublik 2020 stagnieren.
Japan und Südkorea haben hoch integrierte Lieferketten mit China und wurden deshalb früh getroffen. Für Japan ist eine Rezession 2020 so gut wie sicher. Die ADB geht von einem BIP-Rückgang um 1,5 Prozent aus. Die Regierung hat dagegen eines der größten Hilfsprogramme weltweit angekündigt, das fast 20 Prozent der Wirtschaftsleistung umfasst.
Südkorea gilt dagegen als Musterbeispiel, um die Pandemie unter Kontrolle zu bringen, ohne das öffentliche Leben komplett lahmzulegen. Mit einem Rückgang der Exporte im 1. Quartal 2020 von nur 1 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode konnte sich die südkoreanische Industrie einigermaßen stabil halten.
Sind die wirtschaftlichen Auswirkungen der ersten Infektionswelle in Ostasien besser abschätzbar, trifft die Pandemie Süd- und Südostasien womöglich noch härter. Denn hier kombinieren sich hohe Bevölkerungsdichten mit unzureichenden Gesundheitssystemen. Hinzu kommen oft informelle und prekäre Beschäftigungsverhältnisse: Nur wer zur Arbeit erscheint, wird bezahlt. Das ist während einer Virus-Pandemie keine gute Voraussetzung und bedroht Millionen Menschen in ihrer Existenz – unabhängig von einer Infektion.
Besonders kräftig dürfte der Einbruch in Thailand ausfallen. Die ADB erwartet einen BIP-Rückgang um 4,8 Prozent – der tiefste Wert in Asien. Das südostasiatische Land ist abhängig vom Tourismus wie kaum ein zweites weltweit und auch stark in Lieferketten integriert. Genau wie in den Philippinen werden über 20 Prozent der Wirtschaftsleistung im Tourismusgewerbe umgesetzt. Wann die Reiselust nach Abflauen der Pandemie wieder auflebt, ist aber unsicher.
Indien ist medizinisch bislang wenig betroffen. Die Prognosen für die Volkswirtschaft haben eine sehr große Bandbreite. Während die ADB Anfang April 2020 von einem BIP-Wachstum um 4,0 Prozent für 2020 ausgeht (2019: 5,0 Prozent), sehen andere Analysten nur noch einen Zuwachs von 2,5 Prozent oder sogar einen Rückgang in vergleichbarer Dimension. Vor allem für die rund 70 Millionen kleinst-, klein- und mittelständischen Unternehmen ist die Pandemie existenzbedrohend.
Drehscheiben wie Hongkong und Singapur leiden durch ihre Offenheit besonders stark unter dem Einfrieren der Reisetätigkeit und des Welthandels. Hongkong steckte schon 2019 in der Rezession und könnte laut ADB 2020 real rund 3,3 Prozent seiner Wirtschaftsleistung einbüßen. In Singapur geht die Entwicklungsbank derzeit von einem sehr geringen Zuwachs um 0,2 Prozent aus.
Besonders die Abhängigkeit der Lieferketten von China rückt durch die Coronakrise in den Fokus. Länder wie Japan und Taiwan treiben diese Diskussion aktiv voran. Auch in Deutschland setzt ein Nachdenken ein. Zum Teil dürften Unternehmen auf eine größere Lagerhaltung und die Diversifizierung ihrer Zulieferer setzen. Das kann bedeuten, Alternativen außerhalb der Volksrepublik zu suchen, aber auch mehrere Zulieferer im Reich der Mitte zu qualifizieren.
Eine Abkehr von China steht für die meisten Firmen kurzfristig jedoch außer Frage. Zu diesem Ergebnis kommt auch die aktuelle Umfrage der Deutschen Auslandshandelskammer in China.
2019 | 2020 | 2021 | |
---|---|---|---|
Ostasien | 5,4 | 2,0 | 6,5 |
China | 6,1 | 2,3 | 7,3 |
Japan | 0,7 | -1,5 | 0,9 |
Südkorea | 2,0 | 1,3 | 2,3 |
Taiwan | 2,7 | 1,8 | 2,5 |
Hongkong, SVR | -1,2 | -3,3 | 3,5 |
Mongolei | 5,1 | 2,1 | 4,6 |
2019 | 2020 | 2021 | |
---|---|---|---|
Südasien | 5,1 | 4,1 | 6,0 |
Indien | 5,0 | 4,0 | 6,2 |
Bangladesch | 8,2 | 7,8 | 8,0 |
Pakistan | 3,3 | 2,6 | 3,2 |
Sri Lanka | 2,6 | 2,2 | 3,5 |
Nepal | 7,1 | 5,3 | 6,4 |
2019 | 2020 | 2021 | |
---|---|---|---|
Südostasien | 4,4 | 1,0 | 4,7 |
Indonesien | 5,0 | 2,5 | 5,0 |
Thailand | 2,4 | -4,8 | 2,5 |
Malaysia | 4,3 | 0,5 | 5,5 |
Singapur | 0,7 | 0,2 | 2,0 |
Philippinen | 5,9 | 2,0 | 6,5 |
Vietnam | 7,0 | 4,8 | 6,8 |
Myanmar | 6,8 | 4,2 | 6,8 |
Kambodscha | 7,1 | 2,3 | 5,7 |
Laos | 5,0 | 2,5 | 5,0 |
Anfang April 2020 hat die Weltbank ihr East Asia and Pacific Economic Update und die ADB ihren Asia Development Outlook (ADO) veröffentlicht.