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Wirtschaftsumfeld
Wirtschaftsumfeld | Australien | Coronavirus
Unter anderem der Tourismus- und der Rohstoffsektor spüren die Auswirkungen. Für das erste Halbjahr 2020 rechnen Experten mit einer leichten Rezession.
17.03.2020
Von Heiko Stumpf | Sydney
Als Folge der Ausbreitung des Coronavirus hat Australien strenge Einreisebeschränkungen verhängt. Komplett untersagt ist die Einreise aus der VR China, Südkorea, Iran und Italien (ausgenommen sind australische Staatsbürger). Alle Einreisenden müssen sich nach Ankunft in Australien in eine 14-tägige Selbstisolierung begeben. Die Zuwiderhandlung wird mit hohen Strafen belegt. Damit ist die Grenze für Geschäftsreisende und Touristen aktuell praktisch geschlossen.
Auch der geschäftliche Alltag wird immer weiter eingeschränkt. Seit dem 16.03.2020 finden keine Veranstaltungen mit mehr als 500 Teilnehmern statt. Jedoch werden auch kleinere Events von vielen Veranstaltern verschoben.
Durch die Reisebeschränkungen ergeben sich direkte Auswirkungen für wichtige Wirtschaftszweige wie den Bildungssektor und den Tourismus. Nach Eisenerz, Kohle und Erdgas ist Bildung das viertwichtigste Exportgut Australiens.
Die Bildungseinrichtungen erwirtschaften pro Jahr rund 26 Milliarden US-Dollar (US$) durch das Geschäft mit ausländischen Studenten (38 Milliarden $A, 1$A=0,6952 US$). 2019 gab es rund 755.000 Einschreibungen ausländischer Studenten. Davon waren 28 Prozent Chinesen.
Viele chinesische Studenten können nun nach Heimatbesuchen zum chinesischen Neujahrsfest nicht an ihre australischen Universitäten zurückkehren. Den Bildungseinrichtungen drohen deshalb hohe Einnahmeausfälle durch ausbleibende Studiengebühren.
Der Tourismus ist als fünftwichtigster Exportsektor ebenfalls stark betroffen. Im Finanzjahr 2018/19 (Juli bis Juni) kamen rund 1,4 Millionen chinesische Touristen. Mit einem Anteil von 15 Prozent sind sie die wichtigste Besuchergruppe. Zudem sind die Gäste aus dem Reich der Mitte besonders ausgabefreudig. Von den insgesamt 31 Milliarden US$, die internationale Reisende pro Jahr in Australien ausgeben, gehen rund 27 Prozent auf das Konto von Besuchern aus der Volksrepublik. Falls dieser Markt über mehrere Monate komplett wegbrechen sollte, ist mit Ausfällen in Milliardenhöhe zu rechnen.
Neben den direkten Auswirkungen aufgrund des geltenden Einreiseverbots ist die Wirtschaft auch indirekt durch den Ausbruch des neuen Coronavirus belastet. So droht durch Verwerfungen in China und anderen asiatischen Staaten eine Nachfrageeinbruch für wichtige Exportgüter. Australien ist in hohem Maße von der Volksrepublik als Absatzmarkt abhängig.
2019 gingen nach vorläufigen Zahlen des australischen Statistikamtes (ABS) etwa 38 Prozent aller Exporte nach China. Rund 70 Prozent der Ausfuhren entfallen auf den Rohstoffsektor, wobei die Volksrepublik Hauptabnehmer ist.
Ganz besonders hoch ist die Abhängigkeit bei Eisenerz, das zu rund 80 Prozent in die VR China geliefert wird. Ein Produktionsrückgang in der chinesischen Stahlindustrie hätte deshalb große Auswirkungen. Ein nachfragebedingter Einbruch der Weltmarktpreise hätte zudem Folgen für die Unternehmensgewinne und Steuereinnahmen in Australien. Das Ziel der Regierung, im Finanzjahr 2019/20 erstmals seit 2008 wieder einen Budgetüberschuss zu erzielen (0,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes - BIP), ist durch das Zusammenspiel der schweren Buschfeuer mit den Folgen des neuen Coronavirus nicht mehr möglich.
Ein vergleichbares Bild liefert die wichtige Gasindustrie. Australien ist der weltweit größte Exporteur von Erdflüssiggas und dürfte 2019 rund 78 Millionen Tonnen ausgeführt haben. Die wichtigsten Kunden waren dabei Japan (43 Prozent), China (35 Prozent) und Südkorea (11 Prozent) . Bei den Gasproduzenten wächst die Sorge, dass sich Unternehmen wie China National Offshore Oil Corporation (CNOOC) oder PetroChina auf höhere Gewalt berufen und vertraglich vereinbarte Gaslieferungen ablehnen. Die Preise auf dem LNG-Spotmarkt sind seit Jahresbeginn 2020 bereits deutlich gefallen.
Für die sehr exportorientierte Agrarindustrie stehen ebenfalls wichtige Absatzmärkte auf dem Spiel. Landwirtschaftliche Erzeugnisse werden zu zwei Dritteln ins Ausland verkauft, wobei allein China 28 Prozent abnimmt. Zu den wichtigsten Ausfuhrgütern dorthin gehören Wolle, Rind- und Lammfleisch, Wein sowie Molkereiprodukte.
Die konjunkturelle Lage trübt sich deutlich ein. Im ersten Halbjahr 2020 dürfte die Wirtschaft in eine Rezession geraten und um etwa 0,6 Prozent schrumpfen. Auf das Jahr gesehen divergieren die Vorhersagen noch deutlich. Einige Ökonomen erwarten ein schwaches Wachstum von 0,4 Prozent, optimistischere Vorhersagen rechnen mit einem Plus von etwa 1,6 Prozent. Im Jahr 2019 hatte die Wirtschaft noch um 2,2 Prozent zugelegt. Zur Stützung der Wirtschaft senkte die Zentralbank am 03.03.2020 den Leitzins auf einen historischen Tiefstand von 0,5 Prozent.
Die Regierung brachte zudem ein Konjunkturpaket mit einem Gesamtvolumen von 12,2 Milliarden US-Dollar (US$; 17,6 Milliarden $A; 1 $A=0,6952 US$) auf den Weg. Die Maßnahmen beinhalten Steuerrückzahlungen für kleine und mittlere Unternehmen, Lohnzuschüsse für Auszubildende sowie Investitionsanreize durch Sofortabschreibungen. Zusätzlich erhalten Empfänger von Sozialleistungen eine steuerfreie Einmalzahlung. Premierminister Scott Morrison brachte bereits ein zweites Konjunkturprogramm ins Gespräch.
Gefahren ergeben sich auch für die Lieferketten, insbesondere im Bereich der Konsumgüter. Durch den Stillstand in zahlreichen chinesischen Fabriken ist die Versorgung mit Konsumgütern wie Telekommunikationsausrüstung, Möbel, Spielzeug oder Bekleidung gefährdet. Die Einzelhändler werden im hohen Maß aus China beliefert. Auch zahlreiche Bauprojekte dürften sich verzögern. So kommen rund 60 Prozent aller verwendeten Baumaterialien aus China.