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Die Mitarbeitersuche im Reich der Mitte ist für Firmen oft zeitraubend und kontrollintensiv. Selbst das Einschalten von Personalvermittlern führt nicht immer zum Erfolg.
23.06.2020
Von Stefanie Schmitt | Beijing
Bei der Mitarbeitersuche in der Volksrepublik ist vieles anders als in Deutschland. Vielfach erfüllen die Kandidaten nur einen kleinen Prozentsatz der Anforderungen im Stellenprofil, denn viele bewerben sich recht wahllos auf alle Vakanzen. So kommt es nicht selten vor, dass dieselbe Person eine Bewerbung auf alle offenen Stellen einer Firma schickt, angefangen von der Assistentin über den Qualitäts- bis hin zum IT-Manager und dem Vertriebler. Firmeninternen Personalern fällt es dabei oft schwer, den Überblick zu behalten.
Generell ist die Hemmschwelle, sich zu bewerben, obwohl man nur einen Teil des Anforderungsprofils erfüllt, viel geringer als in Deutschland. „Oftmals bewerben Kandidaten sich kreuz und quer. Auf Nachfrage wird dann erklärt, man möchte sich weiterentwickeln (develop myself into a new field) oder sich neuen Herausforderungen stellen (challenge myself)“, so die Erfahrung von Miriam Wickertsheim, der Geschäftsführerin der Direct HR Group in Shanghai.
Darüber hinaus sind Bewerbungsunterlagen nach deutschem oder internationalem Standard in der Regel unbekannt. Wesentliche Daten fehlen, sind unvollständig oder falsch. „Die Hälfte der Bewerbungen, die bei uns eingehen, bekomme ich ohne Geburtsort und Geburtsjahr“, so die Erfahrung des chinesischen Leiters eines deutschen Repräsentanzbüros. Auch mit der Dauer eines vorangegangenen Arbeitsverhältnisses nimmt es mancher nicht so genau. „Da werden bei einem angesehenen Arbeitgeber aus drei Monaten gerne auch einmal zweieinhalb Jahre“, stellt eine deutsche Anwältin fest.
Arbeitszeugnisse sind häufig entweder nicht vorhanden oder wenig aussagekräftig. Letzteres gilt auch für Titel. Speziell der Titel Manager erfreut sich inflationärer Nutzung, sagt aber inhaltlich nichts darüber aus, ob der Kandidat wirklich Personen oder Projekte beziehungsweise Prozesse managt. Gleichzeitig streben die Kandidaten nach wohlklingenden Titeln, was zum Teil zu so absurden Situationen führt, dass ein chinesischer Manager oder Director einem Coordinator oder Engineer in Deutschland berichtet.
Typische Hierarchiestufen im Vertrieb, so Wickertsheim, sind vom Frischling bis zum Senior: Sales Representative, Sales Executive, Sales Engineer, Sales Manager, Sales Direct, VP Sales. Bei der Titelfindung ist offensichtlich Phantasie gefragt. Wickertsheim empfiehlt die Differenzierung in Inside- und Outside-Titel. Die besser klingenden Outside-Titel (beispielsweise Sales Manager) bedienen die Anforderungen der chinesischen Angestellten und des Marktumfeldes, die Inside-Titel (Sales Engineer) bilden hingegen interne Hierarchieebenen der verschiedenen Standorte korrekt ab.
Der Arbeitgeber muss außerdem auf Echtheit der Qualifikationsnachweise achten. Wenn Zweifel bestehen, sollte das Unternehmen die Angaben beispielsweise direkt bei der Hochschule überprüfen. Generell verfügen fast alle chinesische Kandidaten über einen Bachelorabschluss. Allerdings sind die Qualitätsunterschiede zwischen den verschiedenen Hochschulen gravierend.
Vor diesem Hintergrund sprechen viele Firmen mit deutlich mehr Kandidaten und testen diese ausgiebiger als dies etwa in Deutschland üblich wäre. Dabei empfiehlt es sich, den Interviewprozess so detailliert und konstant wie möglich zu gestalten. Des Weiteren sollten spezifische Fragen zum Jobinhalt gestellt und sich während des Interviews Notizen gemacht werden, um Kandidaten im Nachhinein besser vergleichen zu können. Allerdings nimmt dies sehr viel Zeit in Anspruch und ist nicht zuletzt eine Kapazitätsfrage.
Andere Firmen schalten, besonders wenn es sich um Stellen im mittleren oder oberen Management beziehungsweise um andere wichtige Leitungsfunktionen handelt, professionelle Personalvermittler ein. Dies spart Zeit und schafft Personalkontakte, die andernfalls nicht zustande gekommen wären. Allerdings führt selbst der Einsatz solcher Vermittler nicht immer zum gewünschten Ergebnis und ist auch nicht ganz preiswert. Die Kosten liegen bei 20 bis 30 Prozent des vereinbarten Jahresbruttogehalts.
Darüber hinaus neigen Headhunter dazu, die Gehälter selbst nach oben zu drücken, damit sie einen potentiellen Kandidaten mit einem attraktiven Angebot überhaupt von dessen alter Stelle abwerben können – und auch, um selbst mehr an der Vermittlung zu verdienen. Wichtig ist es daher, der Personalfirma zu Beginn der Suche das konkrete Budget zu kommunizieren. Seriöse Unternehmen informieren ihre Kunden über die momentane Vergütungssituation, die Erwartungshaltung der Kandidaten und sortieren vorab Bewerber aus, die über dem Kundenbudget liegen oder zu hohe Gehaltssprünge verlangen.
„Kandidaten, die mehr als den üblichen 25-prozentigen Gehaltsanstieg wollen, werden bei uns beiseitegelegt. Da wir gleichzeitig eine Überprüfung der Richtigkeit der Gehaltsangaben (Salary Slip, Labor Contract, etc.) vornehmen, lügen uns die Kandidaten eigentlich nicht an. Denn sie wissen, dass es später herauskommt“, berichtet Wickertsheim.
Neben großen internationalen Headhuntern, darunter Hewitt Associates, Michael Page, Morgan Philips oder Manpower, agiert eine Reihe kleinerer Spezialanbieter auf dem Markt, zum Beispiel ASC-Asia Success Company und Direct HR Group aus Deutschland. Ältester lokaler Anbieter ist die staatliche Personalagentur Beijing Foreign Service Group (FESCO) einschließlich ihrer Untereinheiten. Die Kosten pro Vermittlung werden individuell vereinbart. Ebenfalls staatlich und mit Vertretungen in den wichtigsten Städten ist China Star.
Daneben bietet eine Reihe privater oder halbstaatlicher Beratungsunternehmen ähnliche Dienstleistungen an, im Regelfall regional beschränkt und von unterschiedlichem Niveau. Nach Aussagen deutscher Firmen wurden mit MyCOS oder Atomic Recruitment gute Erfahrungen gemacht.