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Bericht Wirtschaftsumfeld China Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten
Beijing (GTAI) - Gefragte Mitarbeiter zu halten, ist für Firmen in China schon seit Langem eine zentrale Herausforderung. Besonders junge Mitarbeiter neigen zu raschen Stellenwechseln.
04.07.2019
Jahre- oder gar jahrzehntelange Treue zum Arbeitgeber ist in China selten. Im Gegenteil: wer länger als drei Jahre auf derselben Stelle verbleibt, muss sich von seinen Freunden durchaus die Frage gefallen lassen, ob er oder sie denn gar keinen Ehrgeiz habe. Besonders häufig wechseln die jungen Leute der Generation Y und Millenials die Stelle - die nach 1980 und 1990 Geborenen. Dabei stehen für sie Gehaltsaufschläge genauso im Vordergrund wie eine ausgewogene Work-Life-Balance. Arbeitgeber versuchen dem Trend durch zahlreiche Maßnahmen zu begegnen, angefangen von Boni bis hin zu flexiblen Arbeitszeiten.
Eine Vielzahl der Arbeitnehmer ist stets auf der Suche, sich gehalts- respektive karrieretechnisch oder in anderer Form zu verbessern. Hatten sich die Fluktuationsraten angesichts wirtschaftlicher Unsicherheiten in den letzten Jahren etwas stabilisiert, so hat sich die Neigung zum Arbeitgeberwechsel inzwischen wieder verstärkt. Die China Daily widmete im August 2018 der Problematik einen Artikel und berief sich dabei auf eine Studie des Portals LinkedIn. Demnach verblieben Millenials, die nach 1995 Geborenen, im Regelfall im Schnitt nur sieben Monate auf ihrer ersten Stelle.
"Sobald ein Millenial feststelle, dass der Arbeitsplatz nicht den Erwartungen entspricht, zögere er oder sie nicht, sich nach anderen Optionen umzuschauen," beschreibt ein Vertreter der Shanghaier Akademie für Sozialwissenschaften SASS (Shanghai Academy of Social Sciences) die Situation.
Erleichtert wird dies nicht zuletzt durch die hohe Transparenz der Online-Jobbörsen und dem Arbeitsrecht, was Kündigungen durch den Arbeitgeber einerseits zwar fast unmöglich macht, andererseits aber bei Kündigungen durch den Arbeitnehmer in der Praxis nur in Ausnahmefällen negative Konsequenzen für diesen nach sich zieht. "Auch dann nicht, wenn dieser sich nicht an vereinbarte Fristenhält," meint Philip Lazare, Partner der Kanzlei Luther in Shanghai.
Dies bestätigt auch ein Bericht der China Daily vom Mai 2019 über eine Untersuchung unter rund 36.500 Angestellten der Job-Vermittlungsplattform Zhaopin. Danach hielten 74 Prozent der Befragten Ausschau nach einer neuen Stelle, 4,4 Prozentpunkte mehr als während der Frühjahrsumfrage 2018. Als Hauptgründe nannten die Befragten die Aussicht auf ein höheres Gehalt, die Zukunftsträchtigkeit der Firma sowie bessere eigene Karrierechancen. Weitere wichtige Faktoren für die jungen Leute seien berufliche Entwicklungsmöglichkeiten sowie eine gute Work-Life-Balance.
Einerseits gelten gerade die Millenials als äußerst wählerisch und sprunghaft: "Bloß sich nicht sofort einverstanden erklären, bloß keine Freude über ein gutes Angebot zeigen - es könnte ja noch mehr drin sein", so die Erfahrung eines chinesischen Personalchefs. Andererseits soll sich aber zumindest bei qualifizierten Büroangestellten doch herumgesprochen haben, dass es bei seriösen Arbeitgebern nicht unbedingt gut ankommt, wenn der Kandidat innerhalb weniger Jahre häufig die Stelle gewechselt hat.
Tatsächlich sind viele junge Leute angesichts der schwierigeren Arbeitsmarktlage derzeit eher bereit, Stellen zu akzeptieren, die den eigenen Erwartungen allenfalls minimal entsprechen, nur um den Einstieg zu schaffen. Sobald sich dann etwas Geeigneteres ergibt, wechseln viele.
Hinzu kommt, dass in einigen Unternehmen die Beschäftigten nicht ganz freiwillig gehen. Angesichts sich verschlechternder Wirtschaftsdaten hat eine Reihe von Firmen angekündigt, ihren Personalstamm zu verkleinern. So will etwa der chinesische Fahrdienstleister Didi 2.000 Stellen streichen (rund 15 Prozent des Personalstamms).
Während nach wie vor in vielen aufstrebenden Segmenten wie künstlicher Intelligenz und Datenverarbeitung Spezialisten gesucht werden, sind andere Berufsgruppen wie Verwaltungspositionen, Personal- und Vertrieb- sowie Marketingstellen recht leicht zu besetzen (siehe auch "Viele Stellen in China weiterhin schwer zu besetzen", http://www.gtai.de/MKT201906268006) .
Generell ist es oft nicht das bessere Gehalt, was den Ausschlag gibt. "Wir hatten jüngst drei Kündigungen von Neueinsteigern im Assistenzbereich bei uns", erzählt ein deutscher Bürochef: "Die erste wechselte zu einer Firma mit einem 'besseren' Namen, die zweite wollte auf Reisen gehen und die dritte ein Studium beginnen."
In diesem Rahmen gewinnen neuerdings Staatsunternehmen an Attraktivität. 2018 kamen auf 14.537 offene Stelle rund 1,3 Millionen Bewerber. Andererseits sind lokale Privatunternehmen aus dem boomenden IT- und E-Commerce-Bereich gefragt, denn sie versprechen nicht nur ein ordentliches Gehalt, sondern überdies gute Karrierechancen.
Zusätzliche Informationen zum chinesischen Arbeitsmarkt enthält die Publikation "Lohn- und Lohnnebenkosten - China 2019", http://www.gtai.de/china-lohn.
Weitere Informationen zu Wirtschaftslage, Branchen, Geschäftspraxis, Recht, Zoll, Ausschreibungen und Entwicklungsprojekten in China können Sie unter http://www.gtai.de/china abrufen. Die Seite http://www.gtai.de/asien-pazifik bietet einen Überblick zu verschiedenen Themen in Asien-Pazifik.