Mehr zu:
ChinaArbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten
Wirtschaftsumfeld
Lohn- und Lohnnebenkosten | China
Das Coronavirus hat Chinas Arbeitsmarkt tief getroffen. Firmen denken eher an das Abschmelzen als an den Aufbau ihres Personals. Das Gehaltsniveau stagniert oder ist rückläufig.
06.07.2020
Von Stefanie Schmitt | Beijing
Bereits 2019 drehte sich die Gehaltsspirale wegen der abnehmenden Wirtschaftsdynamik nicht mehr so rasch nach oben wie zuvor. Gemäß des jüngsten Labor Market & Salary Report 2019/20 der Deutschen Handelskammer in China in Verbund mit der Shanghaier Personalvermittlungsgesellschaft Direct HR Group verzeichneten deutsche Firmen 2019 ein Gehaltsplus von knapp 5,9 Prozent. Für 2020 wird angesichts der sich weiter abflachenden Konjunktur ein Plus von lediglich 5,5 Prozent erwartet.
Mit einem derartigen Einbruch wie in der gegenwärtigen Coronakrise hatte jedoch niemand gerechnet. Obwohl inzwischen alle Firmen wieder ihre Produktion aufgenommen haben, läuft bei den wenigsten alles wieder auf Vorkrisenniveau. Vor diesem Hintergrund treffe man bei seinen Angestellten auf viel Verständnis, so deutsche Firmenvertreter, wenn bei den jährlichen Lohn- und Gehaltsgesprächen keine Steigerungen möglich sind. Manche bieten als Kompromiss an, vielleicht doch ein zusätzliches Plus zu erwägen, sollte die Profitabilität im 2. Halbjahr 2020 überproportional anziehen.
Die Beschäftigten wissen, wie schwer die Zeiten sind, und sind deshalb selbst zu Vereinbarungen mit Gehaltskürzungen bei geringerer Stundenzahl bereit. Denn die Furcht, dass die eigentliche Entlassungswelle erst im 2. Halbjahr 2020 eintreffen könnte, ist groß. Darüber hinaus könnten die Lohn- und Gehaltskosten aber auch nach dem Abklingen der Pandemie eher nach unten tendieren, da Unternehmen ihre Anstrengungen zur Digitalisierung und Automatisierung der Arbeitsprozesse verstärken.
2017 | 2018 | 20191) | 20201) | |
---|---|---|---|---|
nominal (in RMB) | 6.193 | 6.868 | 7.548 | 8.039 |
nominal (in US$) | 917 | 1.039 | 1.094 | 1.165 |
nominale Veränderung (in %)2) | 10,0 | 10,9 | 9,9 | 6,5 |
in RMB | Veränderung | in US$*) | |
---|---|---|---|
Landesdurchschnitt | 6.868 | 10,9 | 1.039 |
Beijing | 12.147 | 10,7 | 1.837 |
Hochlohnregion (Beispiel: Shanghai) | 11.700 | 8,2 | 1.770 |
Niedriglohnregion (Beispiel: Anhui) | 6.198 | 14,2 | 937 |
in RMB | Veränderung | in US$*) | |
---|---|---|---|
Insgesamt | 6.872 | 11,0 | 1.039 |
Bauwirtschaft | 5.042 | 8,9 | 763 |
Bergbau | 6.786 | 17,2 | 1.026 |
Verarbeitendes Gewerbe, darunter | 6.007 | 11,8 | 909 |
Maschinenbau | 7.683 | 12,3 | 1.162 |
Elektrotechnik/Elektronik | 8.773 | 9,3 | 1.327 |
Fahrzeugbau | 8.026 | 10,0 | 1.214 |
Handel, Reparaturen | 6.713 | 13,1 | 1.015 |
Hotel und Gastronomie | 4.022 | 5,5 | 608 |
Transport | 7.448 | 11,4 | 1.127 |
Telekommunikation | 12.307 | 10,9 | 1.861 |
Finanzwesen, Banken, Versicherungen | 10.820 | 5,7 | 1.637 |
Immobilienbranche | 6.273 | 8,7 | 949 |
in RMB | Veränderung | in US$1) | |
---|---|---|---|
Geschäftsführerin einer größeren Niederlassung2) | 32.978 | 5,1 | 4.779 |
Geschäftsführerin eines kleinen bis mittleren Unternehmens | 25.664 | 11,2 | 3.719 |
Vertriebsleiterin | 18.596 | -6,5 | 2.695 |
Ingenieurin | 9.619 | 6,4 | 1.394 |
Programmiererin | 15.634 | 8,1 | 2.266 |
Sekretärin mit Fremdsprachenkenntnissen | 11.425 | 7,5 | 1.656 |
Buchhalterin | 9.478 | -4,0 | 1.374 |
Kraftfahrerin | 7.059 | 11,9 | 1.023 |
in RMB | Veränderung | in US$1) | |
---|---|---|---|
Angelernte Arbeiterin (Tätigkeiten, die in wenigen Tagen zu erlernen sind und für die keine spezielle Berufsausbildung notwendig ist)2) | 8.200 | 2,8 | 1.188 |
Mitarbeiterin, die unter Aufsicht Tätigkeiten ausführt, für die eine mehrjährige Berufsausbildung erforderlich ist | 8.887 | 2,8 | 1.288 |
Ausgebildete Mitarbeiterin mit mehrjähriger, praktischer Berufserfahrung, die Aufgaben zuverlässig ohne Aufsicht durchführen und Fertigungsprozesse einrichten kann | 9.402 | 3,4 | 1.363 |
Mitarbeiterin mit mehrjähriger Erfahrung und Leitungsbefugnis, die als Vorarbeiterin die Arbeit von Produktionsbereichen verantwortet | 11.935 | 17,1 | 1.730 |
Ein weiterer Gradmesser der allgemeinen Lohnentwicklung sind die Mindestlöhne. Im Jahr 2019 wurden diese nur noch in sieben Provinzen im Durchschnitt um 7,7 Prozent angehoben. In den Vorjahren war die Entwicklung deutlich höher (2017: neun Provinzen um 11,0 Prozent; 2018: 15 Provinzen um 10,2 Prozent). Offenbar räumt die Politik angesichts des sich abschwächenden Wirtschaftswachstums dem Erhalt und der Schaffung von Arbeitsplätzen eine hohe Priorität ein. In diesem Sinne stiegen die Mindestlöhne 2020 erst in drei Provinzen (Fujian, Guangxi, Qinghai).
Provinz/Stadt | in RMB | in US$*) | zuletzt festgesetzt am |
---|---|---|---|
Shanghai | 2.480 | 359 | 01.04.19 |
Beijing | 2.200 | 319 | 01.07.19 |
Shenzhen | 2.200 | 319 | 01.08.18 |
Tianjin | 2.050 | 297 | 01.07.17 |
Jiangsu | 1.620 bis 2.020 | 235 bis 293 | 01.08.18 |
Hebei | 1.580 bis 1.900 | 229 bis 275 | 01.11.19 |
Shandong | 1.550 bis 1.910 | 225 bis 277 | 01.06.18 |
Sichuan | 1.550 bis 1.780 | 225 bis 258 | 01.07.18 |
Zhejiang | 1.500 bis 2.010 | 217 bis 291 | 01.12.17 |
Liaoning | 1.300 bis 1.810 | 188 bis 262 | 01.11.19 |
Zu den Gehaltsansprüchen kommen die im Vergleich zu Deutschland hohen Lohnnebenkosten. Allein die Sozialabgaben der Arbeitgeberseite betragen beispielsweise in Beijing bis zu 41,5 Prozent des Gehalts. Die Kosten für die Gewerkschaft schlagen mit 2 Prozent der gesamten vom Arbeitgeber entrichteten Lohnsumme (Lohnkosten vor Steuern einschließlich Arbeitgeberanteil der Lohnnebenkosten) zu Buche. Arbeitsniederlegungen sind für deutsche Unternehmen in China hingegen kein Thema.
Grundsätzlich sind neben dem eigentlichen Bruttomonatslohn weitere Zuwendungen etwa zum Chinesischen Neujahrs- oder zum Mittherbstfest sowie ein 13. oder sogar 14. Monatsgehalt üblich. Oft kommen zur Mitarbeiterbindung Zuschüsse und Provisionen hinzu. Zusatzleistungen können unter anderem Dienstwagen, Schulungen, Auslandsreisen, Zuschüsse zur Wohnung oder Ausbildungskosten der Kinder sein. Angesichts steigender Krankheitskosten werden mehr Vorsorgemaßnahmen in den Bereichen Gesundheit und Sport geboten. Bonuspakete spielen auf höheren Hierarchieebenen eine wichtige Rolle.
Eine gewisse Sonderposition nehmen "klassische" Expatriates ein, von denen es allerdings immer weniger gibt. Ihre Jahrespackages im Bereich Geschäftsführung beinhalten zumeist das Basisgehalt, Heimflüge, Wohnzuschüsse und Schulgeld. Das Endgehalt setzt sich verhandlungsabhängig zu 60 bis 80 Prozent aus dem fixen Basisgehalt und zu 20 bis 40 Prozent aus den variablen Boni zusammen.
Doch während ein Expat früher gehaltsmäßig stark im Budget auffiel und deshalb Bemühungen zur Lokalisierung groß waren, stellen heute in etwa gleichwertig qualifizierte chinesische Kollegen vergleichbare, wenn nicht sogar höhere Forderungen. Dass die Zahl der Expats in Auslandsfirmen trotzdem weiter abnimmt, hat auch damit zu tun, dass westliche Führungskräfte angesichts der schlechten Umweltsituation oder der Zensur sozialer Medien mit Blick auf ihre Familie abwinken. Nicht selten schreckt auch die Sprache ab. Die harschen Coronamaßnahmen tun aktuell ein Übriges.
Auf den unteren und mittleren Ebenen ist ebenfalls die Aufteilung in Basisgehalt und leistungsabhängige Komponenten in den unterschiedlichsten Ausgestaltungsformen üblich. Manche Unternehmen legen einen maximal erreichbaren Betrag fest, beispielsweise 70 Prozent des Basisgehalts.
Das chinesische Sozialversicherungssystem ist komplex und ändert sich regelmäßig. Grundlage ist das Social Insurance Law vom 1. Juli 2011. Es umfasste bisher die fünf Komponenten Krankenversicherung (KV), Arbeitslosenversicherung (AV), Mutterschaftsversicherung (MV), Arbeitsunfallversicherung (AUV) sowie Rentenversicherung (RV). Zum 1. Januar 2020 wurden die Basiskranken- und die Mutterschutzversicherung zusammengelegt.
Die Höhe der jeweiligen Beiträge und deren Aufteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind regional unterschiedlich. Ferner ist der Arbeitgeber verpflichtet, Beiträge zur Wohnbaurücklage (Housing Fund) zu entrichten. Die Einführung einer Pflegeversicherung wird derzeit in 15 Pilotstädten ausprobiert (etwa Shanghai, Qingdao und Suzhou). Bislang gibt es keinen Zeitplan für eine landesweite Einführung.
Allein die Arbeitgeberanteile an den Sozialabgaben bewegten sich Anfang April 2020 je nach Standort und Einstufung zwischen 26,03 Prozent in Guangzhou und dem Spitzenwert von 41,5 Prozent in Beijing. Um Arbeitgeber zu entlasten, wurden in Zeiten der Coronakrise einige zeitlich befristete Hilfsmaßnahmen ergriffen. Ein hilfreiches Tool zur Berechnung der Höhe der Lohnnebenkosten nach Regionen stellt der China Salary Tax Calculator dar.
Rentenversicherung (Arbeitgeberanteil) | 16,0 |
Krankenversicherung (Arbeitgeberanteil)*) | 10,8 |
Arbeitslosenversicherung (Arbeitgeberanteil) | 0,8 |
Sonstige Versicherungen (Unfallversicherung, Arbeitgeberanteil) | 0,2 bis 1,9 |
Erläuterungen zu Beitragsbemessungsgrenzen | grundsätzlich 60 bzw. 300 Prozent des örtlichen durchschnittlichen Bruttolohns, jeweils als untere und obere Beitragsbemessungsgrenze |