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Wirtschaftsumfeld
Bericht Wirtschaftsumfeld China Coronavirus
Das Wiederaufflammen der Coronavirus-Epidemie Mitte März 2020 gibt der anlaufenden Pleite- und Entlassungswelle neue Nahrung. Trotzdem herrscht so etwas wie Normalität.
21.03.2020
Von Roland Rohde | Hongkong
Seit dem 19. März müssen alle nach Hongkong Einreisende aus Übersee eine zweiwöchige Quarantäne absolvieren. Die Angst vor einer zweiten Infektionswelle ist groß. Bis Anfang März 2020 konnte die Sonderverwaltungsregion (SVR) die Ansteckungszahlen auf einem sehr niedrigen Niveau halten. Doch seitdem kehren Tausende von Familien, die angesichts von Schulschließungen nach Europa, Nordamerika oder Australien geflogen waren, zurück. Entsprechend steigt die Anzahl der importierten Covid-19-Fälle ungewohnt schnell an.
Die Hoffnung, die Epidemie werde im Frühjahr 2020 abklingen dürfte sich damit nicht erfüllen. Die seit Anfang Februar geschlossenen Schulen und Universitäten werden nach Aussagen der Hongkonger Verwaltung allerfrühestens Ende April und auch dann nur sukzessiv eröffnen. Einige befürchten, dass erst nach den (dann verkürzten) Sommerferien der Regelschulbetrieb aufgenommen wird. Diese Option wird tatsächlich immer wahrscheinlicher.
Das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben geht derweil, wenn auch stark eingeschränkt, weiter. Im Vergleich zu vielen Ländern Europas herrscht so etwas wie Normalität. Restaurants, Hotels, Geschäfte, aber aber auch Fitnessstudios und private Clubs haben geöffnet. Die zunächst geschlossenen Museen machen seit Mitte März wieder langsam auf. Viele Menschen gehen regelmäßig zur Arbeit.
Trotzdem sind viele kleine, durch die vorhergehenden politischen Unruhen bereits stark geschwächte Unternehmen bereits in Konkurs gegangen. Der Fiskus kündigte für 2020/21 umfangreiche Finanzhilfen an. Einigen dürften sie helfen, doch für viele kommen sie lediglich einem Tropfen auf den heißen Stein gleich.
Besonders stark von der Covid-19-Epidemie sind alle vom Tourismus lebenden Branchen betroffen. Zu Normalzeiten kommen etwa 60 Millionen ausländische Besucher in die SVR. Im März 2020 ließen sich im Prinzip gar keine Touristen oder Geschäftsreisende mehr in der Stadt blicken. Lediglich einige Hongkonger machen sogenannte Staycations, also Urlaub in Hotels in der Stadt.
Auch im Messegeschäft herrscht absolute Ebbe, alle Großveranstaltungen wurden abgesagt. Selbst für Events, die im Herbst 2020 stattfinden, sieht es schlecht aus. Nur wenige Aussteller oder Besucher, die ansonsten regelmäßig kommen, sind derzeit bereit sich anzumelden. Wer will einen Stand oder Flug buchen, wenn man damit rechnen muss, in Quarantäne zu landen?
Die Fluggesellschaften bekommen das zu spüren. Cathay Pacific, der Hongkonger Platzhirsch, unterhält nur noch einen kleinen Rumpfbetrieb. Rund 96 Prozent aller Flüge werden nach Firmenangaben für den Zeitraum April bis Mai 2020 ersatzlos gestrichen. Um die 25.000 Angestellte wurden bereits in unbezahlten Urlaub geschickt. Es dürften noch mehr folgen. Der einzige Konkurrent, Hong Kong Airlines, verhandelt mit Air China über eine Übernahme. Nur auf diese Weise kann der Konkurs der Gesellschaft noch abgewendet werden.
Ebenso spürt der Einzelhandelssektor schmerzlich das Ausbleiben der Touristen. Sie steuern traditionell etwa ein Drittel der Umsätze bei. In der Luxusgütersparte liegt die Quote deutlich höher. Bei den Anbietern von Schmuck und Uhren oder edlen Lederwaren etwa ist das Geschäft im März 2020 nahezu zum Erliegen gekommen.
Eine riesige Pleitewelle rollt in Folge über Hongkong und schlägt sich unmittelbar auf den Arbeitsmarkt nieder, da die Kündigungsfristen zumeist bei einem Monat liegen. Viele Firmen verringern ihr Personal oder schicken ihre Angestellten in unbezahlten Urlaub beziehungsweise in Kurzarbeit. Die Erwerbslosenquote, die 2018 und 2019 noch bei 3 Prozent lag, dürfte rasant ansteigen.
Kategorie | Wert | Anmerkung |
---|---|---|
Bruttoinlandsprodukt | -5 bis -10 | Im 1. Halbjahr 2020 |
Erwerbslosenquote | Bis -15 | Einschl. Angestellte in Kurzarbeit und auf unbezahltem Urlaub. |
Einzelhandelsumsatz | -25 bis -30 | Ausbleiben der Touristen hauptverantwortlich. |
Gaststättenumsatz | -15 bis -20 | Ausbleiben der Touristen hauptveranwortlich; Ausgleich durch Lieferservice. |
Besucherankünfte | Über -95 | Praktisch kommen nur noch Rückkehrer. |
Hotelbelegungsquote | 10 | Einheimische machen Urlaub vor Ort, sog. "Staycation". |
Messen, Seminare usw. | Bis -100 | Bis zum Sommer 2020 praktisch kein Geschäft mehr; Aussicht für den Herbst durchwachsen. |
Nachhilfe-, Sprach- und Musikschulen | Bis -100 | Lehrer verdienen auf Erfolgsbasis und erzielen kein Einkommen. |
Passagierflüge | -96 | Laut Cathay Pacific für April/Mai |
Öffentlicher Verkehr, Taxis | -20 bis -30 | Fehlender Tourismus und Heimarbeit hauptveranwortlich. |
Außenhandel | -10 bis -15 | Angebots- und Nachfragestörungen; Transportprobleme. |
Immobilienpreise und Mieten | -20 bis -70 | Starke Unterschiede nach Sparten und Lage. |
Finanzbranche | k.A. | Starke Kursverluste an der Hongkonger Börse; Ansonsten relativ wenige Auswirkungen. |
Die South China Morning Post berichtet aktuell und ausgewogen über die Covid-19-Epidemie. Die Hongkonger Regierung hat eine Sonderseite mit zahlreichen Informationen hierzu eingerichtet. Dort sind auch aktuelle Fallzahlen einzusehen. Auf der Webseite von Cathay Pacific kann man sich über die zahlreichen Reisebeschränkungen informieren.