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Die Europäische Union will bis 2050 klimaneutral sein, und die Europäische Investitionsbank wird mehr ökologische Projekte fördern. Dies verlangt Wirtschaft und Finanzwelt viel ab.
14.04.2020
Von Heike Hoffmann | Brüssel
Die Europäische Union (EU) will bis 2050 die Klimaneutralität erreichen. Dies stellt alle Branchen vor die Herausforderung, den nötigen Wandel mitzutragen. Die Finanzierung muss sichergestellt sein. Diese Aufgabe fällt auch der Europäischen Investitionsbank (EIB) zu. Gunnar Münt, Stellvertretender Generaldirektor der EIB, stellte im März 2020 in Brüssel vor, welche Herausforderungen anstehen könnten. Die EIB erarbeitet gerade ihre Climate Bank Roadmap 2021-2025, die sie strategisch und operationell durch den Umbau zu einer Klimabank leiten soll.
Jedes Jahr sind laut EU 260 Milliarden Euro Investitionen nötig, um die angestrebte Klimaneutralität zu erreichen. Hier setzt der neue EU-Langzeitplan Green Deal an, der Europa zu grünem Wachstum verhelfen soll. Hierzu will die EU mit einem Maßnahmenpaket Klimaschutz und wirtschaftliche Veränderungen in Europa erreichen. Dazu gehört ein Investitionsprogramm, das 1 Billion Euro bis 2030 für die Klimawende in Europa mobilisieren soll.
Darüber hinaus präsentierte die EU im März 2020 ihren Gesetzentwurf für ein Klimagesetz, das eine klimaneutrale EU ab 2050 vorsieht. Dieses Ziel kann nur unter Mitwirkung aller europäischen Akteure erreicht werden. Auch die Bank müsse aufspringen, sagte Nancy Saich, Expertin für Klimawandel bei der EIB.
Bereits Ende 2019 veröffentlichte die EIB ihre neue Klimastrategie. Ab 2021 will die Bank keine Projekte mehr fördern, die fossile Energieträger und Brennstoffe nutzen, ohne die CO2-Emissionen zu kompensieren. Zeitgleich überarbeitete sie auch ihre Vergabekriterien, die diese Vorgaben widerspiegeln.
So wird die EIB zur neuen Klimabank der EU. Dazu will sie bis 2030 rund 1 Billion Euro mobilisieren. Diese Summe ist nicht identisch mit der anvisierten 1 Billion Euro des Green Deals, aber es gibt Überschneidungen. Insgesamt ist so mit neuen Investitionen von 1,7 Billionen bis 1,8 Billionen Euro zu rechnen. Weiterhin muss bis Ende 2020 jede EIB-Finanzierung in Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen stehen. Ab 2025 gilt: „50 Prozent der Finanzierung, das heißt jeder zweite Euro, muss dann einen grünen Anstrich haben“, so Münt (aktuell 30 Prozent).
Im Bereich Umweltfinanzierung kann die EIB schon viele Referenzen aufweisen: Im Jahr 2019 investierte sie insgesamt 19,3 Milliarden Euro in Klimaprojekte aus verschiedenen Sektoren.
Darüber hinaus vergibt die EIB bereits seit 2007 als erstes Kreditinstitut in großem Umfang Green Bonds, fest verzinsliche Wertpapiere, die zur Kapitalbeschaffung für grüne Aktivitäten dienen.
Um die Herausforderungen zu meistern, müssen alle Bereiche umdenken, auch die Finanzwelt. Bereits im März 2018 stellte die EU ihren Aktionsplan für nachhaltige Finanzen vor, der die Kapitalflüsse in nachhaltige Investitionen lenken sowie umweltbedingte finanzielle Risiken abfangen soll. Noch vor Mitte 2020 will die EU ihr Klassifikationsschema als Verordnung ausgestalten. Das Schema bietet einheitliche Kriterien zur Definition von nachhaltigen Investitionen. Auch für Green Bonds arbeitet die EU gerade neue Vorgaben aus.
Die EIB wird das Klassifikationsschema und den Green Deal übernehmen: „Die EIB wird die benötigten Summen bis 2030 bereitstellen“, sagte Saich zu. Die EU-Vorhaben haben starke Folgen auch für die Wirtschaft. Um die klimabezogenen finanziellen Risiken abzuschätzen, legt die EIB die Bepreisung von CO2 zu Grunde, indem sie den aktuellen Preis pro Tonne CO2 (25 Euro) um einen Zukunftsstandard (40 Euro, zu erwartender Preis, um die globale Erderwärmung bei zwei Grad Celsius einzudämmen) und ein erstes Stressszenario (75 Euro, hohe Preissteigerung) ergänzt.
Sollten die CO2-Preise tatsächlich in diesem Maße ansteigen, muss die Wirtschaft viele Investitionen überdenken, da sie weniger lukrativ sein werden. Hilfreich bei der Investitionsentscheidung sei laut Münt immer die Grenzkostenbetrachtung: „Wo spare ich relativ zum Euro, den ich investiere, am meisten CO2 ein?“
In Deutschland stellt der nötige Wandel vor allem den Transportsektor vor Herausforderungen. Von 1990 bis 2000 sind die ausgestoßenen Treibhausgase im Transportsektor der EU-28 um 28 Prozent gestiegen – Trend anhaltend. Auch die Treibhausgase in den emissionsintensiven Sektoren Industrie und Produktion stellen für Deutschland ein Problem dar und müssten bis 2050 stark reduziert werden. Dadurch wäre es dann heute schon nicht mehr sinnvoll, „normale“ Industrieanlagen zu bauen. Aber: Nicht alle Produktionsverfahren sind in der nötigen Geschwindigkeit veränderbar.
Laut EIB-Experten gibt es noch nicht genug Technologien, die diesen Umbau fördern und ermöglichen. Forschung und Entwicklung müssen stark finanziell gefördert werden. Ein weiteres Problem: Es wird zu viel analysiert, statt bereits an Strategien, Lösungen und Beratungsangeboten zu arbeiten. Dabei, mahnt Münt, müssen wir uns der langen Vorlaufzeit bewusst werden, die besonders bei öffentlichen Vorhaben und Klimaanpassungen nötig ist. Die Verknüpfung von neuen Vorgaben und Geschäftsmodellen aber biete Geschäftschancen.
Ebenfalls weisen Experten darauf hin, dass die anvisierten Anteile grüner Finanzierung bei vielen Banken bisher eher eine Richtschnur als starre Vorgaben sind. Sollten bis 2025 tatsächlich 50 Prozent der Förderung nur für grüne Vorhaben verfügbar sein, bleiben weiterhin die übrigen 50 Prozent Förderung für andere Projekte bestehen.
Im Rahmen der Climate Bank Roadmap 2021 bis 2025 ist bis Mitte Juni 2020 das Feedback von Firmen gefragt. Der entsprechende Fragebogen ist online verfügbar und umfasst vier Themen, die vorab in Webinaren diskutiert wurden.
Thema | Schwerpunkte der Konsultation |
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1 | Anpassung der Aktivitäten der EIB-Gruppe an die Ziele und Grundsätze des Pariser Abkommens |
2 | Steigerung der Investitionen in ökologische Nachhaltigkeit Sicherstellung, dass alle Bevölkerungsgruppen berücksichtigt werden |
3 | Mobilisierung privatwirtschaftlicher Finanzmittel |
4 | Messung der langfristigen Auswirkungen der Geschäftstätigkeit der EIB-Gruppe |
Kommentare, die bis 24. April 2020 eingehen, werden in den internen Gesprächen der EIB berücksichtigt. Die Ergebnisse werden Ende Mai 2020 vorgestellt. Die finale Frist für Beiträge ist der 12. Juni 2020.