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FinnlandSozialversicherungsrecht / Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten / Gesundheitswesen, übergreifend / Außenwirtschafts-, Industriepolitik
Wirtschaftsumfeld
Bericht Wirtschaftsumfeld Finnland Sozialversicherungsrecht
Helsinki (GTAI) - Finnlands Regierung unter Ministerpräsident Juha Sipilä ist am 8. März 2019 zurückgetreten. In Umfragen erhalten die Sozialdemokraten die meiste Zustimmung.
20.03.2019
Am 8. März 2019 ist die finnische Regierung unter Ministerpräsident Juha Sipilä zurückgetreten. Grund dafür ist das Scheitern der Sozial- und Gesundheitsreform (sote, sosiaali- ja terveydenhuollon uudistus). In Verbindung mit einer Regionalverwaltungsreform (maakuntauudistus) sollte sie die Effizienz der öffentlichen Verwaltung straffen und deren Ausgaben reduzieren. Zahlreiche Bürger befürchteten allerdings im Zusammenhang mit der Reform, dass die Verschiebung der Zuständigkeiten auf größere Regionen die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum verschlechtern könnte.
Die Sote- und Regionalverwaltungsreformen gehörten zu den zentralen Projekten der Regierung und waren schon seit Beginn der Regierungsarbeit 2015 von kontroversen Diskussionen begleitet gewesen. Die bereits am 14. April 2019 bevorstehende Parlamentswahl setzte die Regierung zuletzt unter einen starken Zeitdruck, die Reform doch noch zum Abschluss zu bringen. Aber auch innerhalb der Koalitionsparteien ist die Zustimmung in den letzten Wochen gesunken. Weil immer mehr Abgeordnete der Koalition ankündigten, ihre Zustimmung zu verweigern, sank die Wahrscheinlichkeit für einen Reformbeschluss vor Ende der Legislaturperiode. Auch die zuständigen Ausschüsse im Parlament hatten noch Änderungsbedarf angemeldet.
Ministerpräsident Sipilä sah sich wegen der zentralen Rolle des Vorhabens für sein Regierungsprogramm und ihrem drohenden Scheitern nun in der Verantwortung, die Regierung aufzulösen, und überreichte am Freitag dem finnischen Staatspräsidenten Sauli Niinistö das entsprechende Schreiben. In seiner Rede zeigte sich der Ministerpräsident durchaus zufrieden über die Regierungsarbeit, betonte aber die Bedeutung der Sozial- und Gesundheitsreform: "Wir haben 80 Prozent unserer Ziele erreicht, aber eins der fünf wichtigsten bleibt unerledigt." Bis zur Parlamentswahl bleibt die zurückgetretene Regierung geschäftsführend im Amt.
Der Rücktritt der Regierung wenige Wochen vor der Parlamentswahl im April bedeutet, dass sich die finnische Politik nun auf den Wahlkampf konzentrieren wird. Auch wenn das Programm der Regierung nicht mehr umgesetzt wird, ist ein großer Stillstand wegen der ohnehin bald anstehenden Wahl nicht zu erwarten. Ein Regierungswechsel ist bereits in Sicht. Die bis zum Rücktritt regierende Koalition der Zentrumspartei, der Nationalen Sammlungspartei und der in der Zwischenzeit aus der Abspaltung von den Basisfinnen hervorgegangenen Blauen Zukunft ("Sininen Tulevaisuus") kam 2015 noch auf 57 Prozent. Inzwischen ist ihre Popularität auf 43,4 Prozent laut einer Umfrage von Alma Media vom 4. März 2019 geschrumpft.
Entgegen dem europäischen Trend verzeichnet die sozialdemokratische Partei mit über 21 Prozent die größte Popularität, während die polarisierende rechtspopulistische Partei der Basisfinnen deutlich auf 11,2 Prozent zurückgefallen ist. Die Zentrumspartei, die in der letzten Wahl die meisten Stimmen gewinnen konnte und den nun geschäftsführenden Ministerpräsidenten Sipilä stellt, fällt in der Alma Media-Umfrage um 7 Prozentpunkte auf rund 14 Prozent zurück.
Die gesunkene Popularität der Zentrumspartei ist vermutlich nicht nur auf die Sozial- und Gesundheitsreform, die Teile der Bevölkerung als Verschlechterung empfinden, zurückzuführen. Sie könnte auch zusätzlich durch die Arbeitsmarktpolitik der Regierung entstanden sein. Die zurückgetretene Regierung verbucht zwar die wirtschaftliche Erholung des Landes und die Anhebung der Beschäftigungsquote auf über 72 Prozent als Erfolg ihrer Politik. In der Bevölkerung hingegen wurden die vom Ministerpräsidenten angeschobenen intensiven Verhandlungen zwischen der Arbeitgeberseite und den Gewerkschaften zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Landes sowie die Verschärfung der Bedingungen für das Arbeitslosengeld kontrovers diskutiert. Auch der kürzlich gelockerte Kündigungsschutz war stark umstritten. Die Arbeitsmarktreformen werden im GTAI-Bericht "Lohn- und Lohnnebenkosten Finnland" beschrieben: https://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Maerkte/Geschaeftspraxis/lohn-und-lohnnebenkosten,t=lohn-und-lohnnebenkosten--finnland,did=2213762.html
Bezeichnung | Kontakt | Anmerkung |
Germany Trade & Invest | http://www.gtai.de/finnland | Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft über Finnland |
AHK Finnland | http://www.dfhk.fi | Anlaufstelle für deutsche Unternehmen |
Valtioneuvosto | https://valtioneuvosto.fi/en/frontpage | Regierung Finnlands |
Työ- ja elinkeinoministeriö (TEM) | https://tem.fi/en/frontpage | Finnisches Ministerium für Beschäftigung und Wirtschaft |
Vaalit | https://vaalit.fi/en/frontpage | Koordinationsstelle für die Parlamentswahl beim finnischen Ministerium für Justiz |
Weitere Informationen zu Finnland finden Sie unter http://www.gtai.de/Finnland.