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Wirtschaftsumfeld | Indien | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten

Arbeitsmarkt

Indiens Arbeitsmarkt muss jährlich Millionen Menschen absorbieren. Der informelle Sektor spielt dabei eine große Rolle. Fachkräfte sind mitunter schwer zu finden. 

Von Florian Wenke | Mumbai

Indiens Wirtschaftslage ist solide und in weltwirtschaftlich turbulenten Zeiten ist das Land eines der Lichtblicke. Für das Finanzjahr 2023/2024 (1. April bis 31. März) sagt der Internationale Währungsfonds (IWF) eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts von 5,9 Prozent (real) voraus. Im darauffolgenden Finanzjahr sollen es 6,3 Prozent werden.

Das kräftige Wachstum dürfte den vielen Jobsuchenden zugutekommen, denn Indiens Bevölkerung wächst. Dadurch drängen zwischen 6 Millionen und 10 Millionen Menschen pro Jahr auf den Arbeitsmarkt. Der Unternehmensberatung McKinsey zufolge müsste die Wirtschaft real um mindestens 8 Prozent jährlich zulegen, um bis 2030 die Millionen an benötigten Jobs zu schaffen. Diese zusätzlichen Arbeitsplätze sind notwendig, damit der Markt Berufseinsteigern eine Perspektive jenseits der Landwirtschaft bieten kann.

Allgemeine Arbeitsmarktdaten

Bevölkerung (2023, in Mrd.)

1,4

Erwerbspersonen (2023, Bevölkerung älter als 15 und jünger als 65 Jahre, in % an Gesamtbevölkerung)

68

Erwerbstätige (Finanzjahr 2022/2023, in Mio.)

405,8

Arbeitslosenquote (2022, in % an Erwerbsbevölkerung)

7,6

Analphabetenquote (2022, in % an Gesamtbevölkerung)

22,3

Personen derzeit in akademischer Ausbildung (Finanzjahr 2020/2021, in Mio.)

41,4

Quelle: United Nations Population Division 2022; Centre for Monitoring Indian Economy 2023; National Sample Survey 2023; All India Survey on Higher Education 2023

Informeller Sektor nimmt bedeutende Rolle ein

Das "Ministry of Corporate Affairs" meldete für Ende Januar 2023 rund 1,5 Millionen offiziell registrierte und als aktiv gemeldete Unternehmen. Laut Centre for Monitoring Indian Economy (CMIE) umfasste die Erwerbsbevölkerung 2022 durchschnittlich 432 Millionen Menschen.

Der IWF gibt an, dass rund 87 Prozent der Erwerbstätigen im informellen Sektor tätig sind. Sie verdingen sich überwiegend als selbstständige Arbeiter oder als Arbeitnehmer in Klein- und Kleinstunternehmen. Die Organisation schätzt zudem, dass 52 Prozent der Wertschöpfung in Indien im informellen Sektor stattfindet. Das unterstreicht dessen Schlüsselrolle für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt. Der formelle Sektor gilt als stark reguliert. Die Regierung leitete 2019 Reformen ein. Aufgrund von Widerständen aus den Bundesstaaten sind diese bisher noch nicht rechtskräftig. 

CMIE zufolge lag die Arbeitslosenquote 2022 bei durchschnittlich 7,6 Prozent und für März 2023 bei 7,8 Prozent. Damit liegt die Arbeitslosigkeit weiterhin über den Werten vor der Pandemie. 

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Flexibilität der Arbeitgeber ist gefragt

Die IT-Branche setzt ihre Konsolidierung fort, nachdem sie während der Pandemie massiv Stellen aufgebaut hatte. Das Jobportal Naukri meldete im März 2023, dass derzeit insbesondere die Nicht-Technologiebranchen verstärkt einstellen. Wie schon in den Monaten zuvor wird besonders abseits der Metropolen nach neuem Personal gesucht. Heutzutage sind wieder vermehrt Stellen im mittleren Management zu besetzen. 

Der Trend zu einer gesteigerten Kündigungsbereitschaft bei Arbeitnehmern hält indes an. Die Personalberatung Michael Page gab Mitte 2022 Umfrageergebnisse bekannt, nach denen 86 Prozent der Befragten angaben, ihren Job in den kommenden sechs Monaten kündigen zu wollen. Das war ein internationaler Spitzenwert. Besonders im Hightech-Bereich und in der Informationstechnologie ist der Wunsch nach Veränderung hoch. Unternehmen versuchen entstehenden Lücken immer öfter durch Gig-Arbeiter zu füllen. Neben der Abwanderungsbereitschaft ist hybride Arbeit ein Thema: 68 Prozent der Befragten favorisierten die Möglichkeit, auch von zu Hause aus arbeiten zu können.  

Indien leidet unter Fachkräftemangel

Trotz der jährlich Millionen neuen Arbeitskräfte bleibt der Fachkräftemangel eine der größten Herausforderungen für die Wirtschaft. Die Qualität der Ausbildung, sowohl im akademischen als auch im nichtakademischen Bereich, differiert stark. Die 23 Indian Institutes of Technology und 20 Indian Institutes of Management genießen weltweit einen ausgezeichneten Ruf. Hingegen bleiben die meisten der etwa 1.100 Universitäten und fast 44.000 Hochschulen (Colleges) des Landes weit hinter diesem Niveau zurück. Unternehmen bemängeln zudem den geringen Praxisbezug der stark verschulten Bildung.

Für deutsche Firmen stellt dies im Vergleich mit den heimischen Absolventen eine Herausforderung dar. Im Indian Skills Report 2023 wird der Anteil der direkt beschäftigbaren Absolventen mit durchschnittlich rund 50 Prozent der Graduierten angegeben. Oft sind mehrere Jahre interner Zusatzausbildung nötig, ehe neue Mitarbeitende voll eingesetzt werden können.  

Bei den nichtakademischen Berufen ist das Problem noch ausgeprägter. Eine mit dem deutschen dualen System vergleichbare Ausbildung gibt es nicht. Die Kurse an den Industrial Training Institutes und Polytechnika bringen kaum qualifizierte Arbeitskräfte hervor. Der Anteil an direkt beschäftigbaren Absolventen liegt laut Indian Skills Report 2022 bei lediglich 34 beziehungsweise 28 Prozent. Eine bedarfsorientierte Berufsausbildung geht bislang vor allem auf Einzelengagements von Unternehmen zurück, die sich mit privaten oder staatlichen Ausbildungseinrichtungen zusammengetan haben. Die Deutsch-Indische Handelskammer versucht seit einigen Jahren, die Berufsausbildung nach deutschem Vorbild zu etablieren. Wegen des Mangels an externen qualitativ hochwertigen Ausbildungsoptionen haben viele deutsche Firmen eigene Schulungsmöglichkeiten geschaffen.

Die Regierung versucht ebenfalls, die Qualifizierung von Arbeitskräften zu fördern, etwa durch das Bildungsprogramm "Skill India". Durch das Teilprogramm Pradhan Mantri Kaushal Vikas Yojana wurden von 2016 bis Anfang 2023 knapp 13,7 Millionen Menschen ausgebildet. Der Erfolg ist allerdings ausbaufähig. Nach offiziellen Angaben erhielten nur rund 18 Prozent der zertifizierten Teilnehmenden anschließend eine Stelle.

Absolventenrekrutierung und Personalberater sind wichtig

Viele Universitäts- und College-Absolventen werden im Rahmen von sogenannten "Campus Placements" rekrutiert. Bei diesen Veranstaltungen präsentieren sich Unternehmen und treten durch Auswahlverfahren direkt mit Kandidaten in Kontakt. Alles unterliegt dabei strengen Vorschriften über die Abgabe von Jobangeboten seitens der Firmen sowie hohen Transparenzanforderungen hinsichtlich des offerierten Gehalts.

Um Führungsfunktionen und Fachkräftestellen zu besetzen, greifen immer mehr Unternehmen auf Personalberater zurück. Diese übernehmen die Suche nach passenden Bewerbern und unterstützen oft auch bei der Vorauswahl der Kandidaten.

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