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Wirtschaftsumfeld
Bericht Wirtschaftsumfeld Iran Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland
Teheran (GTAI) - Nach der einseitigen Aufkündigung des 2015 mit Iran geschlossenen Atomabkommens durch Washington suchen nun die EU und Iran nach Wegen, den Schaden zu begrenzen. Iran zeigt sich aber über die bislang diskutierten Maßnahmen enttäuscht. Teheran verlangt "mehr praxistaugliche Schritte", um jetzt europäisches Engagement in Iran deutlich zu erhöhen, und droht mit Ausweitung der Urananreicherung. Viele europäische Unternehmen mit signifikantem US-Geschäft haben sich längst gegen Iran entschieden.
28.05.2018
Die iranische Regierung unter Präsident Hassan Rouhani fühlt sich ebenso wie die anderen verbliebenen Vertragspartner dem Atomabkommen (Joint Comprehensive Plan of Action/ JCPOA) weiterhin verpflichtet. Die Aufrechterhaltung des Abkommens hänge allerdings von den Verhandlungen mit den Europäern ab. Teheran erwartet von der EU "Garantien", um die als Ergebnis der 2016 erfolgten Sanktionslockerung erwarteten wirtschaftlichen Vorteile realisieren zu können. Politische Unterstützung durch die EU sei allein nicht ausreichend. Für den erfolgreichen Abschluss der Gespräche mit der EU hat Teheran eine Frist von 60 Tagen gesetzt.
Bei den Verhandlungen mit Iran haben zwei Ziele Priorität. Zum einen wollen die Europäer Maßnahmen ergreifen, um den Export von iranischem Öl weiterhin zu ermöglichen. Die Ölexporte sind Irans wichtigste Einnahmequelle. Versiegt sie, könnte die Wirtschaft des Landes kollabieren. Zum anderem muss die Einbindung Irans in den internationalen Zahlungsverkehr gesichert werden.
Als Option wird eine Erweiterung des Mandats der Europäischen Investitionsbank (EIB) in Erwägung gezogen, um der EIB Iran-Aktivitäten zu ermöglichen. Dafür müsste Teheran allerdings die EIB-Standards erfüllen. Kritische Themen sind hier unter anderem Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Die Financial Action Task Force (FATF), das wichtigste internationale Gremium zur Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Proliferationsfinanzierung, will im Juni erneut die Umsetzung des mit Iran vereinbarten Aktionsplans prüfen, bislang sind etwa 60 Prozent der notwendigen Maßnahmen umgesetzt. Die FATF stuft Iran weiterhin als Land mit "gravierenden Defiziten in Bezug auf die Maßnahmen zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung" ein, hat aber die Empfehlung von Gegenmaßnahmen befristet ausgesetzt.
Die USA haben am 15. Mai den Chef der iranischen Zentralbank, Valiollah Seif, und einen ehemaligen Vizedirektor der Zentralbank auf die SDGT-Liste (Specially Designated Global Terrorists) gesetzt. Ihnen wird vorgeworfen, Millionen US-Dollar für die iranischen Revolutionsgarden im internationalen Finanzsystem bewegt zu haben. Mit den Geldern sei die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah unterstützt worden, die von den USA als Terrororganisation eingestuft wird. Als Folge der SDGT-Klassifizierung wird eventueller Besitz der beiden Personen in den USA eingefroren und "US-Persons" dürfen mit ihnen keine Geschäfte abwickeln.
Nach Angaben des iranischen Botschafters in Berlin, Ali Majedi, hat Iran Vorbereitungen zur Gründung einer Bank in Deutschland getroffen. Diese soll den europäisch-iranischen Handel in Euro abwickeln, um so die US-amerikanischen Verbote von Dollar-Geschäften mit Iran zu umgehen. Eine solche deutsch-iranische Bank, die Europäisch-Iranische Handelsbank (EIH) mit Sitz in Hamburg, gibt es allerdings bereits. Eigentümer der EIH sind drei staatliche iranische Banken.
Vor Lockerung der Sanktionen, als Iran noch vom SWIFT-System abgekoppelt war, konnte unter bestimmten Bedingungen die Zahlungsabwicklung mit Iran über die Deutsche Bundesbank erfolgen. Die Nutzung dieser Transferoption ist jetzt auch wieder im Gespräch.
Über Möglichkeiten, europäische Unternehmen vor US-Sanktionen zu schützen, haben die Staats- und Regierungschefs der EU auf einem informellen Gipfel am 16. Mai in Sofia beraten. Die gegen ausländische Firmen mit Iran-Geschäft gerichteten US-Sekundärsanktionen dürften die gerade erst wieder wachsenden europäisch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen erneut schrumpfen lassen.
Als Gegenmaßnahme will die EU ein Abwehrgesetz reaktivieren, das 1996 im Streit um Sanktionen gegen Kuba, Iran und Libyen erlassen wurde. Das sogenannte Blocking Statute (Blocking Regulation EC No. 2271/96) hat allerdings aufgrund der Beilegung des damaligen Sanktionsstreits nie Anwendung gefunden. Das Gesetz verbietet es EU- Unternehmen unter Strafe, sich an die US-Sekundärsanktionen zu halten. Sanktionsbezogene US-Gerichtsurteile würden nicht anerkannt. Geregelt ist zudem die Gewährung von Schadensersatz. Diese Entschädigungen sollen von der Schaden verursachenden Partei gezahlt werden, in diesem Fall der amerikanische Staat. Es könnten innerhalb der EU (staatliche) US-Vermögenswerte beschlagnahmt und verkauft werden.
Die EU-Blocking-Verordnung könnte am 5. August in Kraft treten, einen Tag also vor Wiederinkrafttreten eines ersten US-Sanktionspakets. Der praktische Wert einer solchen Verordnung dürfte letztlich gering sein und würde zudem europäische Firmen durch zusätzliche Bürokratie (Anträge auf Ausnahmegenehmigungen etc.) belasten.
Auch Frankreichs Präsident Macron räumte ein, dass Unternehmen die Entscheidung selbst überlassen bleiben sollte, ob sie weiterhin Geschäfte mit Iran machen. Peter Beyer, der Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit der Bundesregierung im Auswärtigen Amt, empfiehlt deutschen Firmen, sich frühzeitig auf die US-Sanktionen vorzubereiten. Die Sanktionen würden sich "direkt und unmittelbar auswirken, auch auf deutsche Unternehmen und deren Geschäftsaktivitäten". Die Bundesregierung versuche alles, um das abzumildern, sagte Beyer.
Forderungen nach einem Fonds, um die Sanktionen abzufedern, erteilte Beyer wie bereits zuvor Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier eine Absage. "Ich sehe im Moment keine juristische Handhabe, um hier durch Bürgschaften oder andere Maßnahmen das weiter einzugrenzen", so Altmaier. Ein weiteres Problem ist die Gewährleistung von Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen hinsichtlich der Auslegung aktueller und zukünftiger US-Sanktionsbestimmungen. Es besteht eine erhebliche Unsicherheit, da die USA immer wieder neue Sanktionen verhängen könnten, um etwaige (rechtsichere) Sanktionslücken zu schließen.
Große Unternehmen überdenken ihre Iran-Strategie und wollen keine Neugeschäfte mehr tätigen (Siemens) oder sich ganz aus dem Iran zurückziehen (Boeing). Die dänische Reederei Maersk erklärte iranische Häfen für ihre Schiffe bereits zur No-go-Area. Auch der französische Energiekonzern Total stellt sein Engagement in Iran infrage. Total will das Gasprojekt South Pars 11 nicht weiter verfolgen beziehungsweise bis zum 4. November beenden, es sei denn, die USA würden eine Ausnahmegenehmigung erteilen, was recht unwahrscheinlich ist.
Die gemäßigte iranische Regierung wird stärker denn je von den mächtigen Hardlinern unter Druck gesetzt. Präsident Rouhani braucht das Abkommen für sein politisches Überleben, meinen viele Beobachter. Revolutionsführer Khamenei sagte an die iranische Regierung gerichtet: "Wenn ihr solche Garantien (für wachsendes wirtschaftliches Engagement der Europäer) nicht erhaltet - und ich bezweifle wirklich, dass ihr dies könnt - können wir nicht so weitermachen." Auch Ali Akbar Welajati, ehemaliger Außenminister und derzeit außenpolitischer Berater des Revolutionsführers, äußerte gegenüber der Nachrichtenagentur Fars Zweifel am Erfolg der Gespräche mit den Europäern. "Ich hoffe, dass wir zu guten Resultaten kommen. Wir sollten uns aber unabhängig von anderen machen."
Die Bedenken Irans hinsichtlich der EU-Ankündigungen beziehen sich zum einen auf die Entschlossenheit der EU, das Abkommen zu erhalten. Denn trotz der Meinungsverschiedenheit mit Washington seien die USA immer noch Europas wichtigster Verbündeter, so Kommentare in Teheran. Zum anderen werden die realen Möglichkeiten der EU, Schutz vor den US-Sanktionen zu bieten, angezweifelt. Auch sei das Bekenntnis der EU zum Abkommen nicht vereinbar mit den Ankündigungen großer Unternehmen, Iran verlassen zu wollen.
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