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Wirtschaftsumfeld | Iran | Konjunktur

Irans Wirtschaft ist leicht gewachsen

Nach zwei Jahren mit sanktionsbedingt negativem Wachstum ist Irans Wirtschaft 2020/2021 trotz Coronaepidemie nicht weiter geschrumpft. Auch 2021/2022 dürfte positiv abschließen.   

Von Robert Espey | Dubai

Nach Angaben der iranischen Statistikbehörde hat das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2020/2021 (iranisches Jahr 1399; 21. März bis 20. März) real um 0,7 Prozent zugelegt. Die offiziellen Daten weisen für die ersten beiden Quartale gegenüber den jeweiligen Vorjahreszeiträumen noch negative Zahlen aus, es folgten dann aber im dritten Quartal ein leichter Zuwachs von 0,9 Prozent und im letzten Quartal ein kräftiges Plus von 6,8 Prozent.

Die 2018 wieder in Kraft getretenen US-Sanktionen haben die Wirtschaft einbrechen lassen. Gemäß Statistikbehörde lag 2019/2020 das BIP um 10,7 Prozent unter dem 2017/2018 erreichten Niveau. Angesichts der bereits stark reduzierten Wirtschaftsaktivitäten blieben 2020/2021 die zusätzlichen negativen Auswirkungen der schweren Coronakrise begrenzt. Zudem hält sich die Regierung mit Corona-Restriktionen zurück, trotz hoher Infektions- und Todeszahlen.

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Ölsektor war Wachstumsmotor

Möglich wurde das Gesamtjahreswachstum vor allem durch einen starken Zuwachs im Bereich Öl- und Gasförderung um real 32,8 Prozent während des vierten Quartals 2020/2021 (Dezember bis März) aufgrund einer deutlichen Steigerung der Ölproduktion. Im Gesamtjahr expandierte der Öl- und Gassektor um 5,6 Prozent.

Hintergrund der gewachsenen Ölförderung im vierten Quartal ist die Ausweitung des Ölexports. Seit Abwahl von US-Präsident Donald Trump besteht trotz noch unverändert geltender US-Sanktionen insbesondere bei chinesischen Kunden eine größere Bereitschaft, iranisches Öl abzunehmen.

Der BIP-Anteil der Öl- und Gasförderung lag 2020/2021 bei 13,9 Prozent (zu konstanten Preisen von 2011/2012). Der Anteil hatte sich vor Reaktivierung der US-Sanktionen auf 20,7 Prozent (2017/2018) erhöht und fiel 2019/2020 auf 12,9 Prozent.

Die Nicht-Öl-Wirtschaft ist 2020/2021 stagniert. Für die Baubranche wird mit 6,3 Prozent eine positive Entwicklung ausgewiesen, bereits 2019/2020 war der Sektor mit 5,6 Prozent auf Wachstumskurs. Auch für die verarbeitende Industrie weist die Statistikbehörde einen Zuwachs aus (1,8 Prozent), die Landwirtschaft legte um 3,1 Prozent zu. Negativ war die Entwicklung im Dienstleistungssektor (-2 Prozent), der auf einen BIP-Anteil von 52 Prozent kam.

Zentralbank zeichnet noch positiveres Bild

Die iranische Zentralbank stellt eigene BIP-Berechnungen an und veröffentlicht Daten, die teilweise signifikant von den Daten der Statistikbehörde abweichen, zum Ärger der Statistikbehörde. Gemäß Zentralbank wurde 2020/2021 ein BIP-Anstieg von 3,4 Prozent erreicht.

Die Zentralbank weist für den großen Dienstleistungssektor keine Schrumpfung, sondern eine Stagnation aus. Dies erscheint angesichts der Corona bedingten Beschränkungen für wichtige Dienstleistungssparten wenig plausibel. Der Bereich Transport, Lagerhaltung und Kommunikation soll um 3 Prozent zugelegt haben. Sogar für das Hotel- und Gaststättengewerbe wird ein Plus von 1,6 Prozent gemeldet.

Gemäß Zentralbank ist der Ölsektor 2020/2021 um 11,2 Prozent gewachsen. Die verarbeitende Industrie soll um 8,2 Prozent expandiert sein, der Bausektor um 7,7 Prozent und die Landwirtschaft um 4,5 Prozent.

Beobachter äußern zwar Zweifel an den von Statistikbehörde und Zentralbank veröffentlichten BIP-Daten. Es besteht aber ein weitgehender Konsens, dass die iranische Wirtschaft 2020/2021 die steile Talfahrt nicht fortgesetzt hat und zumindest eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau erreicht wurde.

Die im April 2021 vorgelegten BIP-Schätzungen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) weisen für 2020/2021 Zuwächse um 1,7 und 1,5 Prozent aus. Die aktuelle Schätzung (Juli 2021) der Economist Intelligence Unit (EIU) liegt bei 2,1 Prozent.

Wachstumsprognosen derzeit schwierig

Das hohe BIP-Wachstum im ersten Jahr nach Lockerung der Sanktionen (2016/2017: 14,2 Prozent; gemäß Statistikbehörde) wurde vor allem durch die schnelle Steigerung der Ölförderung verursacht. Eine ähnliche Entwicklung wäre jetzt zu erwarten, wenn nach erfolgreichem Abschluss der Wiener Gespräche über das Atomabkommen die US-Sanktionen wieder gelockert würden.

Die EIU prognostiziert für 2021/2022 ein BIP-Plus von 4,3 Prozent. Dabei wird von einer Lockerung der US-Sanktionen in der zweiten Jahreshälfte und einer Ausweitung der Öl- und Gasproduktion ausgegangen. Die letzten Prognosen von Weltbank und IWF rechnen nur mit Zuwächsen um 2,1 beziehungsweise 2,5 Prozent, hier sind aber die Effekte einer Sanktionslockerung noch nicht berücksichtigt.

Der Ölsektor würde 2021/2022 aber auch zum Wirtschaftswachstum beitragen, wenn Irans Ölproduktion lediglich auf dem aktuell erreichten Niveau bliebe. Auf Basis der OPEC-Schätzungen hat Iran 2020/2021 durchschnittlich 2 Millionen barrel per day (bpd) gefördert. Den OPEC-Daten zufolge wurden im 1. Quartal 2021/2022 (April bis Juni) durchschnittlich 2,4 Millionen bpd produziert.

Eine Stabilisierung auf diesem Produktionsniveau wäre vermutlich auch ohne Lockung der US-Sanktionen möglich. Sollten aber die bis voraussichtlich August/September pausierenden Wiener Verhandlungen über eine Rückkehr zum Atomabkommen ohne Ergebnis abgebrochen werden, könnten sich die heutigen Abnehmer iranischen Öls wieder zurückziehen.

Bei einer Lockerung der US-Sanktionen würde Iran sehr schnell seine Ölexporte stark erhöhen. Nach OPEC-Angaben stiegen die Ölausfuhren (ohne Kondensate) durch die Anfang 2016 erfolgte Aufhebung der US-Sanktionen zwischen 2015 und 2017 von 1,1 Millionen auf 2,1 Millionen bpd. Die Reaktivierung der US-Sanktionen 2018 ließ 2019 die Ölausfuhren auf durchschnittlich 0,7 Millionen bpd einbrechen, deutlich unter 0,5 Millionen bpd dürften es 2020 gewesen sein.

Die Analysten von S&P Global Platts kalkulieren für Mai 2021 mit einer Exportmenge von 0,6 Millionen bpd und halten bei einer Aufhebung der US-Sanktionen im September einen Anstieg der Ölexporte bis Dezember auf 1,5 Millionen bpd (einschließlich Kondensate) für möglich. Im Jahresverlauf 2022 wäre eine Steigerung der Ölexporte auf über 2,5 Millionen bpd zu erwarten.

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