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Wirtschaftsumfeld | Italien | EU-Förderung

Wie grün ist Italiens Recovery Plan?

Eine grüne Revolution will Italien mit den europäischen Mitteln des Recovery Fonds einleiten. Die Maßnahmen im Überblick. 

Von Oliver Döhne | Mailand

Mit rund 60 Milliarden Euro aus dem Next Generation Topf der Europäischen Union (EU) ist die "grüne Revolution" die am besten ausgestattete der sechs "Missionen", mit denen Italien sich fit für die Zukunft machen will. Damit blieb Italien unter den von der EU gewünschten 37 Prozent der Gesamtmittel für den Green Deal. Dazu kommen jedoch weitere 1,3 Milliarden Euro aus dem React EU-Programm und 9,3 Milliarden aus dem Haushalt. Auch andere Missionen sind umweltrelevant. Der italienische Plan verspricht insgesamt keine Wunder, setzt aber an den wichtigen Ausgangspunkten an. 

"Wir werden uns zuerst um die low hanging fruits kümmern", sagt der neue Staatsminister für den grünen Wandel, Roberto Cingolani. Damit meint er die CO2-Reduzierung mit sofortiger Wirkung in stark emittierenden Sektoren wie Landwirtschaft, Transport und energieintensiver verarbeitender Industrie. Weitere Schwerpunkte sind die Gebäudeenergieffizienz und die Wasserwirtschaft. 

Geplante Fördermittel für die Umwelt in Italiens Recovery Plan (Next Generation EU)

Zielbereich der Investitionen

Summe (in Mrd. Euro)

Erneuerbare Energie, Wasserstoff, Netze, nachhaltige Mobilität

23,8

Energieeffizienz und Sanierung von Gebäuden

15,2

Schutz der Böden und Wasserreserven

15,1

Kreislaufwirtschaft

5,3

Insgesamt

59,3

Quelle: Italienische Regierung (Stand: 30. April 2021)

Biomethan und Agri-Fotovoltaik

In der Landwirtschaft will Cingolani auf Biogas und Agri-Fotovoltaik setzen. Landwirtschaftsbetriebe sollen energetisch autark werden. Bestehende Biogasanlagen sollen rekonvertiert werden, um die Energie nicht nur für Treibstoff, sondern auch zum Heizen und Kühlen zu nutzen. Wo eine Rekonvertierung nicht möglich ist, soll zumindest die Energieeffizienz steigen. Neue Anlagen werden Zuschüsse von bis zu 40 Prozent der Investitionssumme erhalten. Auch für die Verwertung von Abfällen für die Düngemittelproduktion und den Austausch alter Maschinen und Anlagen sind Mittel vorgesehen.

Ein wichtiger neuer Punkt ist die Nutzung der Fotovoltaik auf dem Feld, sowohl auf landwirtschaftlich ungenutzten, als auch auf vertikalen, also mehrstöckigen, Anbauflächen. Eine genaue Regelung dieser zurzeit rechtlich noch nicht vorgesehenen Praxis steht noch aus. Landwirtschaftliche Flächen einzubeziehen ist laut Experten unabdingbar, um die notwendige Kapazität von erneuerbaren Energien in Italien und die Ziele der EU zu erreichen. 

Ladeinfrastruktur für alternative Antriebe

Im Transportsektor sehen die ersten Maßnahmen vor, besonders schadstoffintensive Lastwagen aus dem Verkehr zu ziehen. Für den Langstreckentransport sind 40 Wasserstofftankanlagen geplant, besonders auf den stark genutzten Cargo-Strecken im Norden wie der Brennerautobahn, sowie zwischen Turin, Mailand, Verona und dem Hafen Triest.

Im lokalen Transport fließen Gelder in neue U-Bahnen, Fahrradwege, Straßenbahnen sowie in elektrische Buslinien. Bis 2026 will Italien 3.360 neue schadstoffarme Busse, 533.600 gas- oder elektrisch angetriebene kommunale Dienstfahrzeuge und 200 hybride Flughafenfahrzeuge anschaffen.

Dazu kommen 53 alternativ angetriebene Züge und 100 Abteilwägen mit Panels für Fotovoltaik. Auf sechs nicht-elektrifizierten Bahnstrecken sollen wasserstoffbetriebene Züge zum Einsatz kommen und von 9 Tankstationen versorgt werden. Bis 2030 sollen 31.500 öffentliche Ladestationen für elektrische Fahrzeuge bereitstehen, davon 7.500 Schnellladestationen an Autobahnen. In den Häfen werden energiesparende Konzepte wie Cold Ironing zum Einsatz kommen.

Elektrische Hochöfen für Schwerindustrie

In der verarbeitenden Industrie will Cingolani in einem ersten Schritt in besonders energieintensiven Branchen wie Stahl, Papier, Glas und Keramik den Übergang in von kohlebetriebenen zu elektrischen Hochöfen anstreben. Diese sollen jedoch vorerst mit Gas und erst in einem möglichen späteren Schritt mit Wasserstoff betrieben werden, zumal in Italiens Industrie hier größere Kompetenz besteht und schon durch elektrische gasbetriebene Öfen ein Schadstoffrückgang von 20 bis 25 Prozent möglich sei.

Allerdings würden im Gegenzug auch die Preise für Stahl und andere Produkte steigen, weshalb die grüne Wende auch immer im Zusammenhang mit anderen ökonomischen Faktoren zu sehen sei, so Cingolani.

Die noch immer vorhandenen Anreize für fossile Anlagen will er nur dann streichen, wenn für die betroffenen Akteure wirtschaftliche Alternativinvestitionen für mindestens die Hälfte der gestrichenen Subventionen bereitstehen.

Energieeffiziente Gebäude 

Rund 14 Milliarden Euro sind für die Sanierung und Energieeffizienzsteigerung von Gebäuden vorgesehen, die unter anderem das bereits laufende Förderprogramm Superbonus 110 erweitern sollen. Neben der Förderung privater Investitionen will der Staat auch öffentliche Gebäude sanieren. Auch mehr Fernwärme steht auf dem Programm. Weitere Schwerpunkte sind der Schutz vor Erdbeben und Wassermangel, zum Beispiel durch den Ausbau von Kläranlagen, die Ausbesserung von Wasserleitungen und das präventive Monitoring der Infrastruktur. 

Schnellere Genehmigungen

Für die Windkraft stehen eher weniger Fördermittel bereit, obwohl Cingolani die Investitionsbedingungen durch vereinfachte Genehmigungsverfahren verbessern will. Die überbordende Bürokratie ließ kürzlich eine Auktion neuer Kapazitäten scheitern. Die Vereinfachungen bringen laut Kritikern für die Umwelt auch Risiken mit sich, wenn womöglich Umweltverträglichkeitsprüfungen umgangen werden können.

Offshore-Windkraft will Cingolani im Rahmen von wenigen, großen Anlagen nutzen. Insgesamt sollen in den kommenden Jahren 6 Gigawatt (GW) erneuerbarer Energiekapazität per anno entstehen, 2020 war es nur rund 1 GW. Wie das gelingen soll, will Cingolani in einer aktualisierten Version des Nationalen Energie- und Klimaplans Ende Juni erklären. 

Weitere strategische Felder sind Energiespeichersysteme, Smart Grid und der Einsatz von Wasserstoff. In Kürze will Italien einen Nationalplan für Wasserstoff vorlegen, der in Einklang mit der europäischen Strategie stehen soll. Cingolani betont aber, dass Gas in Italien ein wichtiger Energieträger bleiben wird. 

Umweltverbände kritisieren an den Plänen die geringen Mittel für den lokalen Nahverkehr und zu geringe Anreize für die Reduktion der Produktion von Plastik. Aus Europa kamen Rückfragen zu konkreten Einsparzielen der Investitionen in die Gebäudeenergieeffizienz. 

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