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Wirtschaftsumfeld
Bericht Wirtschaftsumfeld Katar Coronavirus
Katar verzeichnet die höchste Anzahl an Infektionen in den Golfstaaten. Weitreichende Maßnahmen wurden umgesetzt. Regierung lanciert finanzielles Hilfspaket.
23.03.2020
Von Heena Nazir | Dubai
Katar reagiert mit drastischen Maßnahmen auf die Corona-Krise. Am 17. März 2020 zog der Golfstaat die Notbremse und schloss alle Geschäfte und Banken mit Ausnahme von Apotheken und dem Lebensmittelhandel. 80 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst wurden zur Telearbeit verpflichtet. Darüber hinaus wurden alle Formen des öffentlichen Verkehrs eingestellt. Knapp 10.000 Menschen wurden bisher auf das Coronavirus getestet.
Das Golf-Emirat Katar verzeichnete zum Stand 22. März 2020 mit 481 Covid-19-Erkrankungen den höchsten Wert unter den Staaten des Golfkooperationsrats (GCC). Ein Großteil der Infektionen wurde am 11. März 2020 in einem Gastarbeiterlager in Dohas Industriegebiet gemeldet. Das mehrere Quadratkilometer große Gebiet wurde unter Quarantäne gestellt. Das Land fürchtet eine unkontrollierte Ausbreitung unter den oft auf engstem Raum wohnenden Gastarbeitern, die knapp 95 Prozent der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung ausmachen.
Der internationale Flughafen von Doha ist für Einreisen seit dem 16. März 2020 für vorerst 14 Tage gesperrt. Dazu gehört die Aussetzung aller ankommender Flüge nach Katar. Die Ausreise aus Katar bleibt möglich, auch der Transitverkehr wird aufrechterhalten, sofern die Zielländer Flugverkehr weiter zulassen.
Nach dem Austritt Katars aus der OPEC im Januar 2019 konnte es seine Rohöl- und Kondensatexporte im Vergleich zu 2018 um 50.000 Fass pro Tag, beziehungsweise knapp 10 Prozent steigern. Das Golf-Emirat benötigt für einen ausgeglichenen Staatshaushalteinen Ölpreis von knapp 49 US-Dollar - der niedrigste Wert unter den Golfstaaten. Der Schwerpunkt der Kohlenwasserstoffindustrie liegt im Vergleich zu seinen Golf-Nachbarn in Erdgas. Als einer der zwei größten Exporteure von Flüssiggas (LNG) der Welt (neben Australien) ist das Land weniger vom Ölpreisniveau betroffen.
Katar befindet sich bereits im dritten Jahr unter dem Embargo durch seine Nachbarstaaten. Nachdem es Ende 2019 zu einer Annäherung zwischen dem Golfstaat und der Koalition aus Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Ägypten und Bahrain gekommen warf brachen die Gespräche zum Ende der Blockade im Januar 2020 überraschend ab. Analysten gehen davon aus, dass mit dem anhaltenden Fokus auf die Coronavirus-Pandemie kurzfristig keine Lösung des innerarabischen Konfliktes abzusehen ist.
Mit dem seit Juni 2017 anhaltenden Boykott musste sich die Wirtschaft neu orientieren. Lieferketten wurden neu ausgerichtet und ganze Industrien neu angesiedelt. So kann man der Blockade in der aktuellen Situation etwas positives abgewinnen. Alexis Antoniades, Professor an der Georgetown University in Katar, schreibt dem Land deshalb eine höhere wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit zu, neben einem hohen Vertrauen der Bevölkerung in adäquates Krisenmanagement.
Im Angesicht der Corona-Pandemie korrigiert das Analyseinstitut Oxford Economics die Prognose für Katars Wirtschaftswachstum für das Jahr 2020 von 2,3 auf 2 Prozent nach unten. Der Purchasing Managers‘ Index (PMI) bleibt weiterhin im Negativraum, verzeichnete für Februar 2020 jedoch eine leichte Verbesserung auf 49,3 Punkte (Werte über 50 geben eine Expansion an). Die Prognose für den Nicht-Öl-Sektor wird für 2020 von 3,5 Prozent auf 2,9 Prozent reduziert. Katars Haushaltsüberschuss betrug im Jahr 2019 circa 1,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Wegen des weitreichenden Hilfspakts für die Wirtschaft wird sich dies verringern. Oxford Economics prognostiziert aber trotz der Krise einen Überschuss für 2020 von 0,8 Prozent.
Laut einer IATA-Studie führt die Pandemie für die Staatsfluglinie Qatar Airways zu Einbußen in Höhe von 750 Millionen US-Dollar. Stärker ins Gewicht fällt aber der Verfall des LNG-Preises. Der Anteil von LNG an den Gesamtexporten in Katar betrug im Jahr 2018 mehr als 60 Prozent. Da es aber bereits vor dem aktuellen Ölpreisverfall ein Überangebot an LNG gab, bleibt die Lage angespannt. Dem Analyseinstitut Bernstein Research zufolge befinden sich weltweit 20 LNG-Großanlangen für den Export in Planung. Katars geplanter Kapazitätsausbau von aktuell 77 Millionen auf 110 Millionen Tonnen pro Jahr bis 2024 wäre das einzige Projekt, welches bei dem anhaltend niedrigen Niveau rentabel wäre. Katar kann vergleichsweise kostengünstig produzieren.
Die katarische Regierung verkündete am 15. März 2020 ein weitreichendes Maßnahmenpaket für die Wirtschaft. Das Paket beinhaltet die Bereitstellung von umgerechnet 20,6 Milliarden US-Dollar, um Anreize im Privatsektor zu generieren. Das Hilfspaket entspricht 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Unklar ist bisher jedoch, wie die Finanzmittel dem Privatsektor zufließen sollen. Neben Erleichterungen für die Kreditvergabe werden circa 2,75 Milliarden US-Dollar in Unternehmen der lokalen Börse fließen, um den Markt zu stützen.
Lebensmittel und medizinischen Güter erhalten eine Zollbefreiung für sechs Monate. Die Voraussetzung dafür ist, dass sich die Befreiung in den Preisen widerspiegelt und der Endverbraucher davon profitiert. Gezielte Entlastung für stark betroffene Sektoren umfasst eine Aussetzung von Strom- und Wassergebühren für einen Zeitraum von sechs Monaten für Tourismus- und Reisebranche, Logistiksektor, Einzelhandel, sowie kleine und mittelständische Unternehmen.
Der US-amerikanischen Zentralbank folgend senkte die katarische Zentralbank QCB am 16. März den Leitzins. Den im Land tätigen Banken wird zusätzliche Liquidität zur Verfügung gestellt, um Unternehmen und Privatkunden zu entlasten. Darüber hinaus wird die Qatar Development Bank die Rückzahlung aller Kredite um sechs Monate aufschieben.