Dieser Inhalt ist relevant für:
Macau / China / HongkongKonjunktur / Außenhandel, Struktur / Tourismus
Wirtschaftsumfeld
Bericht Wirtschaftsumfeld Macau Konjunktur
Infolge der COVID-19-Epidemie herrscht in den Hotels und Spielhallen Macaus gähnende Leere. Die Wirtschaft könnte 2020 um 15 bis 20 Prozent schrumpfen.
09.03.2020
Von Roland Rohde | Hongkong
Genau wie Hongkong genießt das benachbarte (aber wesentlich kleinere) Macau den Status einer Sonderverwaltungsregion (SVR), der umfangreiche Autonomierechte garantiert. Man spricht auch vom Prinzip “ein Land, zwei Systeme“. In der ehemaligen portugiesischen Kolonie funktioniert es einigermaßen reibungslos, während Hongkong in der zweiten Jahreshälfte 2019 Massenunruhen und Proteste erlebte.
Einwohner (in Mio.) | 0,7 |
BIP (zu laufenden Preisen, in Mrd. US$) | 53,9 |
BIP pro Kopf (zu laufenden Preisen, in US$) | 79.977 |
Wirtschaftswachstum (real, in %) | -4,7 |
Staatsverschuldung (Schuldenstand in % vom BIP) | 0,0 |
Erwerbslosenquote (4. Quartal, in %) | 1,7 |
Touristenankünfte (in Mio.) | 39,4 |
Importe (Waren, in Mrd. US$) | 11,2 |
Exporte (Waren, in Mrd. US$), davon | 1,6 |
.Reexporte (Waren, in Mrd. US$) | 1,4 |
Macau konnte von der Lage in Hongkong profitieren. Touristen aus China mieden zunehmend die Finanzmetropole und statteten dafür dem größten Spielparadies der Welt einen Besuch ab. Die registrierten Besucherankünfte stiegen 2019 im Vergleich zum Vorjahr laut Angaben des lokalen Statistikamtes um 10 Prozent auf fast 40 Millionen. Dabei handelt es sich um einen Rekordwert. Hongkong verzeichnete im Gegensatz dazu im gleichen Zeitraum ein Minus von 14 Prozent.
Die Statistiken zum Fremdenverkehr sind traditionell besonders wichtig. Der Sektor steuert zusammen mit der Glücksspielbranche zu rund 50 Prozent zur Entstehung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) beziehungsweise zu 80 Prozent zu den Staatseinnahmen bei.
Die Zahlen bezüglich des allgemeinen Wirtschaftswachstums sind hingegen weniger aussagekräftig. Kapitalzuflüsse und -abflüsse im großen Stil und die hohe Volatilität des Kasinogeschäftes lassen entsprechende Zahlen stark schwanken. Außerdem kommt es regelmäßig und Jahre später zu – teils nicht unerheblichen – Revidierungen.
Ein weiteres statistisches Problem besteht darin, dass Einnahmen aus dem Glücksspiel und Kapitalzuflüsse das BIP aufblähen. Gemessen am BIP pro Kopf war die Bevölkerung Macaus 2019 mit rund 80.000 US-Dollar (US$) die mit Abstand reichste Asiens. Die tatsächliche Kaufkraft dürfte bescheidener ausfallen.
Dennoch geht es den Menschen sehr gut. Seit 2009 musste sich niemand Sorgen darum machen, einen Arbeitsplatz zu finden. Die Erwerbslosigkeit lag Ende 2019 bei unter 2 Prozent. Volkswirte sprechen angesichts solcher Werte von Vollbeschäftigung. In fast allen Sparten herrschte – zumindest bislang – Arbeitskräftemangel, der durch stetige Zuwanderung vom chinesischen Festland behoben werden musste.
Doch das änderte sich Anfang 2020 radikal. Die in China grassierende Coronavirus-Epidemie traf Macau extrem hart. Die SVR machte die Grenzen zur benachbarten Volksrepublik dicht. Doch von dort kommen traditionell rund 70 Prozent aller Besucher. Zudem stellte Hongkong den Fährverkehr nach Macau ein. Gäbe es die Autobrücke nicht, kämen überhaupt keine Touristen mehr.
Vorübergehend wurden Anfang 2020 sogar die Kasinos geschlossen. So etwas hatte es noch nie gegeben. Doch nach wenigen Wochen öffneten die meisten von ihnen wieder ihre Pforten. Das erste Quartal 2020 dürfte für den Spielbank- und Tourismussektor das schlechteste der vergangenen fünf Jahrzehnte werden.
Zu Massenentlassungen wird es allerdings nicht kommen. Schließlich handelt es sich bei den meisten Arbeitgebern um große Konzerne, die auch mal eine Durststrecke durchhalten können. Wer jetzt Personen freisetzt, hat beim anschließenden Wiederaufschwung Rekrutierungsprobleme.
Laut BIP-Zahlen, die man nicht ganz vernachlässigen sollte, befindet sich die SVR schon seit geraumer Zeit in einem rapiden Abwärtstrend. 2019 schrumpfte die gesamtwirtschaftliche Leistung nach vorläufigen Angaben um real knapp 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Hauptverantwortlich dafür war eine ausgeprägte Investitionsschwäche. Die Statistik verzeichnete ein entsprechendes Minus von rund 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Privatverbrauch legte gegenüber 2018 immerhin noch um 3 Prozent zu.
Die Aussichten für 2020 fallen auf den ersten Blick enorm düster aus. Im ersten Quartal 2020 könnte das BIP um einen mittleren zweistelligen Wert zurückgehen. Fürs Gesamtjahr dürfte sich ein Minus von 15 bis 20 Prozent einstellen. Das ist in Macau allerdings nichts Ungewöhnliches.
Die Konjunkturschwäche dürfte auch Auswirkungen auf ausländische Lieferanten haben. Die kleine SVR muss nämlich praktisch alle Waren importieren. Die Gütereinfuhren summierten sich 2019 auf gut 11 Milliarden US$ und verharrten damit auf dem Niveau des Vorjahres. Sie bestehen überwiegend aus Konsumprodukten, die für die einheimische Bevölkerung und chinesische Touristen bestimmt sind.
Waren/Warengruppe | 2018 | 2019 | Veränderung |
Konsumgüter, davon | 8.135 | 8.435 | 3,7 |
.Nahrungsmittel und Getränke | 1.640 | 1.717 | 4,7 |
.Bekleidung und Schuhe | 945 | 1.079 | 14,2 |
.Mobiltelefone | 905 | 642 | -29,1 |
.Autos und Motorräder | 261 | 258 | -1,1 |
Rohstoffe und Vorprodukte, davon | 1.956 | 1.841 | -5,9 |
.Kraftstoffe | 902 | 884 | -2,0 |
.Baumaterialien | 248 | 211 | -14,9 |
Kapitalgüter | 1.069 | 892 | -16,6 |
Deutschland lieferte 2018 und 2019 laut dem lokalen Statistikamt Waren im Wert von jeweils rund 220 Millionen US$ nach Macau. Die Einfuhren “made in Germany“ bestehen vor allem aus (luxuriösen) Pkw. Aber auch in anderen Sparten gibt es Geschäftschancen. So baut die Regierung den Gesundheitssektor aus. Entsprechend steigt der Bedarf an Medizintechnik.
Land/Volkswirtschaft | 2018 | 2019 |
China | 3.904 | 3.798 |
Frankreich | 934 | 1.139 |
Japan | 905 | 766 |
Hongkong (SVR) | 872 | 700 |
USA | 455 | 539 |
Deutschland | 227 | 215 |
Vereinigtes Königreich | 197 | 185 |
Taiwan | 180 | 162 |
Das Statistikamt Macaus liefert umfangreiche Daten.
Die Hongkonger South China Morning Post berichtet regelmäßig über die benachbarte SVR.